Nutzung des E-Mail-Accounts des Ehegatten kann Anscheinsvollmacht begründen
Das OLG Zweibrücken hat entschieden:
Werden dem Ehemann Zugangsdaten für den eigenen E-Mail-Account zugänglich gemacht und wird dieser Zugang von ihm über längere Zeit hinweg und in Kenntnis seiner Ehefrau unter deren Namen rechtsgeschäftlich genutzt, kann eine Anscheins- oder Duldungsvollmacht anzunehmen sein, demnach der Ehefrau das Handeln ihres Ehemannes zuzurechnen ist.
(OLG Zweibrücken, Urteil vom 15.01.2025, Az. 1 U 20/24)
Sachverhalt:
Im vorliegenden Rechtsstreit ging es u.a. auch um die Reichweite eines Abfindungsvergleichs. Diesen hatte der Ehegatte der Klägerin mit einer Versicherung geschlossen – unter Nutzung des E-Mail-Accounts seiner Ehefrau und im Namen seiner Ehefrau.
In einem späteren Verfahren machte die Klägerin weitere Ansprüche geltend, über den Vergleichsbetrag hinaus. Gegen die Endgültigkeit des Abfindungsvergleichs wandte sie dabei ein, dass das Vergleichsangebot in der E-Mail nicht von ihr stamme, sondern von ihrem Ehemann, der hierzu nicht bevollmächtigt gewesen sei. Auch sei der angebotene Abfindungsvergleich nicht mit ihr abgestimmt gewesen, sie habe hiervon keine Kenntnis gehabt.
Entscheidung
Das OLG Zweibrücken ließ den Einwand der Ehefrau nicht gelten:
Wird – wie in Streitfall – bei der Abgabe einer Willenserklärung durch die Nutzung eines fremden Namens beim Geschäftspartner der Anschein erweckt, der angebotene Vertrag solle mit dem Namensträger zustande kommen (E-Mail Account der Klägerin, Unterschrift der Versicherungsnehmerin) und wird dabei eine falsche Vorstellung über die Identität des Handelnden hervorgerufen, so finden die Regeln über die Stellvertretung (§§ 164 ff. BGB) und die hierzu entwickelten Grundsätze entsprechend Anwendung. Dies gilt auch für Geschäfte, die über das Internet abgewickelt werden. Eine rechtsgeschäftliche Erklärung, die unter solchen Voraussetzungen unter dem Namen eines anderen abgegeben worden ist, verpflichtet den Namensträger dann, wenn sie in Ausübung einer bestehenden Vertretungsmacht erfolgt (§ 164 Abs. 1 Satz 1 BGB analog), vom Namensträger nachträglich genehmigt worden ist (§ 177 Abs. 1 BGB analog) oder wenn die Grundsätze über die Anscheins- oder Duldungsvollmacht eingreifen.
Es stehe (…) fest, dass die Klägerin nach Rechtsscheingrundsätzen – dies in Form einer Anscheinsvollmacht – für das unter Verwendung ihres passwortgeschützten E-Mail Accounts abgegebene Angebot ihres Ehemanns auf Abschluss eines Abfindungsvergleichs einzustehen hat. Von einer Anscheinsvollmacht ist nach herkömmlicher Rechtsprechung auszugehen, wenn der Vertretene das Handeln des Scheinvertreters nicht kennt, er es aber bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen und verhindern können, und wenn der Geschäftspartner annehmen durfte, der Vertretene kenne und billige das Handeln des Vertreters.
Dabei greifen die Rechtsgrundsätze der Anscheinsvollmacht in der Regel nur dann ein, wenn das Verhalten von gewisser Dauer und Häufigkeit ist. Diese Voraussetzungen liegen für den Streitfall vor. Aus objektiver Sicht des Erklärungsempfängers lag ein Angebot der Klägerin als der materiell Berechtigten vor, welches die Beklagte angenommen hatte. Das Angebot kam vom E-Mail Account der Klägerin und war mit Ihrem Namen unterzeichnet. Die Beklagte wurde dabei über die Identität des Handelnden getäuscht. Aus ihrer Sicht wollte sie den angebotenen Abfindungsvergleich ausschließlich mit der Klägerin als ihrer Versicherungsnehmerin schließen.
Den falschen Anschein hatte die Klägerin gesetzt; dies in Form der Aushändigung von Legitimationsmerkmalen durch Preisgabe ihres Passworts für die Nutzerkennung. Die Klägerin hat im Rahmen ihrer ergänzenden Befragung ausdrücklich eingeräumt, dass sie ihrem Ehemann die Zugangsdaten ihres passwortgeschütztes E-Mail-Kontos willentlich offengelegt und dieser in der Vergangenheit häufig im Privat- wie Geschäftsverkehr ihr E-Mail Konto genutzt hatte, um in ihrem Namen rechtsgeschäftliche Erklärungen abzugeben.
Hinweis:
Wer einem Dritten die Zugangsdaten zu seinem E-Mail-Postfach zur Verfügung stellt und hinnimmt, dass dieser Dritte im Namen des Postfachinhabers Nachrichten versendet, muss sich unter Umständen auch nachteilige Erklärungen zurechnen lassen, wenn dem „Gegenüber“ nicht offenbart wird, wer tatsächlich handelt. Dies gilt im übrigen nicht nur im privaten, sondern auch im geschäftlichen Bereich!