Darlehensvermittler haftet für verharmlostes Risiko des Nichtzustandekommens des Grundstückskaufvertrages
Der BGH hat entschieden:
Ein nicht gebundener Vermittler von Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen schuldet seinem Kunden eine umfassende und richtige Aufklärung über die in Betracht kommenden Finanzierungsmöglichkeiten. Im Rahmen der geschuldeten Aufklärung darf ein reales Risiko (hier: Nichtzustandekommen des Grundstückskaufvertrags nach bereits geschlossenem und nicht mehr widerruflichem Darlehensvertrag) nicht so verharmlost werden, dass der Eindruck entsteht, es sei nur theoretischer Natur.
(BGH, Urteil vom 20.02.2025, Az. I ZR 122/23)
Sachverhalt:
Die Kläger beabsichtigten, ein Einfamilienhaus zu erwerben und nahmen die Dienste der Beklagten, einer Darlehensvermittlerin, bei der Vermittlung der benötigten Finanzierung in Anspruch. Die Kläger schlossen sodann mit der Bank einen Darlehensvertrag über 350.000 EUR und ein Beratungsprotokoll der Beklagten. Im Beratungsprotokoll ist folgender Hinweis enthalten:
Wichtig! Unterzeichnen Sie Bau-, Kauf- und Finanzierungsverträge erst, wenn alle wichtigen Faktoren Ihres Bau- oder Kaufvorhabens geklärt und schriftlich festgehalten wurden. Ansonsten drohen bei einer Rückabwicklung hohe Kosten, wie Vertragsstrafen und Nichtabnahmeentschädigungen.
Vor der Unterzeichnung des Kaufvertrages informierte der Verkäufer die Kläger darüber, dass er das Einfamilienhaus doch nicht verkaufen wolle. Die Kläger informierten Bank, dass sie das Darlehen endgültig nicht abnehmen würden. Nach Rücktritt der Bank vom Darlehensvertrag zahlten die Kläger eine Nichtabnahmeentschädigung von rund 36.000 EUR an die Bank. Diesen Betrag machen sie nun als Schadenersatz gegen die Beklagte geltend.
Das OLG Dresden wies die Klage komplett ab. Der BGH hob das Urteil auf und verwies zur weiteren Sachverhaltsaufklärung zurück.
Entscheidung
Der BGH führt u.a. aus:
Es kommt in Betracht, dass die Beklagte Aufklärungs- und Beratungspflichten aus dem zwischen den Parteien bestehenden Darlehensvermittlungsvertrag verletzt hat, indem sie auf Nachfrage der Kläger das Risiko des Nichtzustandekommens des Grundstückskaufvertrags verharmlost hat. Im Rahmen der geschuldeten umfassenden Aufklärung darf ein reales Risiko nicht so verharmlost werden, dass der Eindruck entsteht, es sei nur theoretischer Natur.
Da die Kläger gefragt hätten, was passiere, wenn der Kaufvertrag über das Grundstück aus irgendwelchen Gründen nicht zustande komme und ein Mitarbeiter der Beklagten daraufhin gesagt habe, das habe er noch nie erlebt und man werde gemeinsam eine Lösung finden, habe die Beklagte (sofern die Angaben der Kläger zutreffen) ihre gegenüber den Klägern aus dem Darlehensvermittlungsvertrag bestehende Aufklärungspflicht verletzt, indem sie das Risiko des Nichtzustandekommens des Grundstückskaufvertrags verharmlost habe.
Es handelt sich um ein reales Risiko, weil der Verkäufer vor der Beurkundung im Grundsatz frei ist, von dem geplanten Kaufvertrag Abstand zu nehmen, und gegenüber dem Kaufinteressenten auch dann nicht auf Schadensersatz haftet, wenn ihm bekannt ist, dass dieser bereits einen Darlehensvertrag für den Grundstückskauf geschlossen hat.
Zu einer umfassenden Aufklärung gehört dann auch ein Hinweis auf die Möglichkeit einer zeitlichen Staffelung dergestalt, dass die auf den Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung zum Zeitpunkt des beabsichtigten Kaufvertragsschlusses noch widerrufen werden kann. Im Streitfall wäre in Betracht gekommen, dass die Kläger ihre auf den Abschluss der Darlehensverträge mit Bank gerichteten Willenserklärungen später abgeben oder den Notartermin vorziehen.
Trifft das Vorbringen der Kläger zur Risikoverharmlosung zu, kann nicht ausgeschlossen werden, dass sie sich bei voller Kenntnis des Risikos für eine andere, für sie risikofreie Gestaltung der Finanzierung entschlossen hätten.
Für das wiedereröffnete Berufungsverfahren weist der BGH sodann u.a. auf Folgendes hin:
Mit Blick auf die von den Klägern geltend gemachte Risikoverharmlosung wird das Berufungsgericht feststellen müssen, ob die Angaben der Kläger zum Inhalt des Beratungsgesprächs zutreffen. Ist dies der Fall, kann sich die Beklagte nicht mit Verweis auf die schriftlichen Hinweise im Beratungsprotokoll oder etwaige ergänzende Hinweise in den Darlehensverträgen entlasten.
Mit Blick auf die Frage, ob der gegebenenfalls eingetretene Schaden kausal auf eine Pflichtverletzung der Beklagten zurückzuführen ist, spricht für die Kläger eine Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens. Diese Vermutung ist auch dann anwendbar, wenn sich die Kläger in einem Entscheidungskonflikt befunden hätten, was etwa dann der Fall gewesen wäre, wenn die Kläger für eine Finanzierung mit aufschiebender Bedingung teurere Konditionen in Kauf hätten nehmen müssen.
Hinweis:
Der Sachverhalt zeigt (unbeschadet der Frage der fehlerhaften Aufklärung durch den Darlehensvermittler) das erhebliche Risiko auf, welches bei Grundstückskäufen entsteht, wenn zunächst der Darlehensvertrag unterzeichnet wird und erst danach der Notarvertrag geplant ist: ist die Widerrufsfrist für den Darlehensvertrag vor dem Notartermin bereits abgelaufen, steht der gescheiterte Käufer ohne Grundstück, aber mit einem Darlehensvertrag da – für die Nichtabnahme schuldet er der Bank dann i.d.R. sehr viel Geld. Nicht immer gelingt der Rückgriff auf einen Berater. Besser ist es daher, z.B. den Darlehensvertrag nicht zu zeitig zu unterzeichnen und den Notartermin sodann in die noch laufende Widerrufsfrist des Darlehensvertrages zu terminieren, denn dann kann der Darlehensnehmer notfalls noch widerrufen, sollte der Kauf scheitern.