Es besteht nachvertraglich kein unbeschränkter Schutz von Geschäftsgeheimnissen
Eine formularmäßig vereinbarte Vertragsklausel, die den Arbeitnehmer bezüglich aller internen Vorgänge beim Arbeitgeber über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus zeitlich unbegrenzt zum Stillschweigen verpflichtet (sog. Catch-all-Klausel), benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen und ist deshalb unwirksam. Das entschied das Bundesarbeitsgericht am 17.10.2024 (8 AZR 172/23).
Der Fall:
Der Beklagte war bis zum 31.12.2016 als Produktentwickler tätig. In seinem Arbeitsvertrag war u.a. geregelt, dass er über alle Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sowie alle sonstigen ihm im Rahmen der Tätigkeit zur Kenntnis gelangenden Angelegenheiten und Vorgänge der Gesellschaft Stillschweigen bewahren wird. „Die Verpflichtung zur Geheimhaltung besteht über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinaus und umfasst auch die Inhalte dieses Vertrages.“ Die Klägerin, eine führende Herstellerin von Füllmaschinen für Lebensmittel und Getränke, erfuhr im Jahr 2018, dass der Beklagte unter einem Pseudonym verschiedene E-Mails mit Anlagen an die Gesellschafter eines damals potentiell konkurrierenden Unternehmens versandt hatte. Die Anlagen zu den E-Mails enthielten spezifische Leistungsdaten und Prozessparameter der Maschinen sowie Geometrie- und Toleranzdaten. Die Klägerin forderte eine strafbewehrte Unterlassungserklärung, die abzugeben der Beklagte verweigerte.
Die Entscheidung:
Ein Anspruch auf Unterlassung kann nicht auf den Arbeitsvertrags gestützt werden. Die über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus uneingeschränkte Geheimhaltungsverpflichtung ist unwirksam. Es handelt sich um eine sog. Catch-all-Klausel, die uneingeschränkt und unendlich zur Verschwiegenheit verpflichten soll. Damit benachteiligt sie unangemessen iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.
Eine nachvertragliche Verschwiegenheitspflicht kann sich bei überwiegendem Interesse des Arbeitgebers am Schweigen des Arbeitnehmers allenfalls auf einzelne, konkret bestimmte Geschäftsgeheimnisse beziehen. Eine umfassende Stillschweigensverpflichtung schränkt demgegenüber die durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Berufsfreiheit des betroffenen Arbeitnehmers übermäßig ein und steht in Widerspruch zum gesetzlichen Konzept des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots nach §§ 74 ff. HGB.
Wird kein nachvertragliches Wettbewerbsverbot iSd. §§ 74 ff. HGB vereinbart, ist der Arbeitnehmer nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses grundsätzlich nicht mehr verpflichtet, dem Arbeitgeber keinen Wettbewerb zu machen. Im Rahmen einer neuen Tätigkeit darf er sein im vorherigen Arbeitsverhältnis erworbenes Erfahrungswissen einschließlich der Kenntnis von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen einsetzen.
Tipp:
Sofern eine (entschädigungspflichtige) Vereinbarung zur nachvertraglichen Beschränkung der gewerblichen Tätigkeit des Arbeitnehmers nicht gewollt ist, sollte konkret und einzelvertraglich vereinbart werden, welche Geschäftsgeheimnisse des Arbeitgebers wie lange gewahrt werden müssen.