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Bei Kündigung des Geschäftsführervertrages des Minderheitsgesellschafters gelten die Fristen des § 622 BGB, nicht die des § 621 BGB

Bei Kündigung des Geschäftsführervertrages des Minderheitsgesellschafters gelten die Fristen des § 622 BGB, nicht die des § 621 BGB
Aktuelles
12.03.2025 — Lesezeit: 5 Minuten

Bei Kündigung des Geschäftsführervertrages des Minderheitsgesellschafters gelten die Fristen des § 622 BGB, nicht die des § 621 BGB

  1. Bei einer außerordentlichen Kündigung des Anstellungsvertrags des Geschäftsführers einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung aufgrund vertraglich vereinbarter wichtiger Gründe gilt die Erklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB.
  1. Auf den Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, der kein Mehrheitsgesellschafter ist, sind die zum Nachteil des Geschäftsführers grundsätzlich nicht abdingbaren, in § 622 Abs. 1 und 2 BGB geregelten Kündigungsfristen entsprechend anzuwenden. Dies gilt auch dann, wenn er Geschäftsführer der Komplementärin einer GmbH & Co. KG ist und den Anstellungsvertrag unmittelbar mit der Kommanditgesellschaft abgeschlossen hat (Abgrenzung zu BAG, Urteil vom 11. Juni 2020 – 2 AZR 374/19, BAGE 171, 44).

(BGH, Urteil vom 05.11.2024, Az. II ZR 35/23)

Sachverhalt

Ein abberufender und gekündigter Geschäftsführer machte restliche Vergütungsansprüche geltend. Streitig war, neben der Berechtigung einer außerordentlichen Kündigung, auch die maßgebliche ordentliche Kündigungsfrist, von deren Dauer und dem sich daraus ergebende Ende des Dienstverhältnisses die Höhe der Zahlungsansprüche des ehemaligen Geschäftsführers abhing.

Entscheidung

Der BGH erläutert zunächst knapp, dass im vorliegenden Fall die Kündigungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten worden sei, weil die Kündigung nicht innerhalb vom zwei Wochen ab dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt habe, erklärt und dem Geschäftsführer auch zugegangen sei.

Für die – die Zweiwochenfrist in Lauf setzende – Kenntnis im Sinne von § 626 Abs. 2 BGB komme es dabei auf den Wissensstand der Gesellschafterversammlung als dem zur Entscheidung über die fristlose Kündigung berufenen und bereiten Gremium der Gesellschaft an.

Die außerordentliche Kündigung war dem Geschäftsführer dann exakt einen Tag (!) zu spät zugegangen und mithin unwirksam.

Das OLG Karlsruhe als Vorinstanz hatte die Klage des Geschäftsführers auf Vergütung bis zum Ablauf der (ordentlichen) Kündigungsfrist noch überwiegend abgewiesen und war dabei zur Frage der auf Dienstverhältnisse von Geschäftsführern anwendbaren Kündigungsfrist dem Bundesarbeitsgericht (BAG) gefolgt, unter ausdrücklicher Ablehnung der Rechtsprechung des BGH.

Daher sah sich der BGH – ausdrücklich gegen die Sichtweise des OLG – zu einer Klarstellung veranlasst, obwohl diese revisionsrechtlich nicht entscheidungserheblich war („Die vom Berufungsgericht für die Zulassung der Revision als entscheidungserheblich angesehene Frage, welche Kündigungsfristen auf Dienstverhältnisse von Geschäftsführern, die keine Mehrheitsgesellschafter sind, anzuwenden sind, stellt sich aufgrund der Verfristung der Kündigung deshalb hier nicht.“).

Der BGH führte aus:

Zutreffend ist das Berufungsgericht aber davon ausgegangen, dass die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, welches § 621 BGB für einschlägig erachtet (BAG, Urteil vom 11. Juni 2020 – 2 AZR 374/19, BAGE 171, 44, Rn. 35 ff.), der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs widerspricht, wonach auf Geschäftsführer, die keine Mehrheitsgesellschafter sind, die zum Nachteil des Geschäftsführers grundsätzlich nicht abdingbaren (§ 622 Abs. 4, 5 BGB) Kündigungsfristen für Arbeitsverhältnisse (§ 622 Abs. 1 und 2 BGB) entsprechend anzuwenden sind (…), und zwar auch dann, wenn wie hier der Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die Komplementärin einer Kommanditgesellschaft ist, den Anstellungsvertrag unmittelbar mit der Kommanditgesellschaft abgeschlossen hat (…).

Der Senat hält an seiner bisherigen Rechtsprechung fest. Der Gesetzgeber hat anlässlich der Reform des Kündigungsfristengesetzes (KündFG) im Jahr 1993 (RegE, BT-Drs. 12/4902) in offenbarer Kenntnis der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Frage der Kündigungsfristen für Organmitglieder weder ausdrücklich angesprochen noch korrigiert. Damit hat er diese Rechtsprechung offensichtlich gebilligt. Das Kündigungsfristengesetz erfolgte in Vollziehung eines Gesetzgebungsauftrags des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG 82, 126, 154 f.) und zielte ausschließlich darauf ab, die Fristen bei der ordentlichen Kündigung für Arbeiter und Angestellte sowie die Rechtslage in den alten und den neuen Bundesländern zu vereinheitlichen (RegE, BT-Drs. 12/4902, 6). Deshalb ist eine bewusste Wertentscheidung des Gesetzgebers, den persönlichen Anwendungsbereich des § 622 BGB ausschließlich auf Arbeitsverhältnisse zu beschränken, von der das Bundesarbeitsgericht ausgeht, nicht erkennbar. Entgegen der Ansicht des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urteil vom 11. Juni 2020 – 2 AZR 374/19, BAGE 171, 44 Rn. 48 ff.) hat der Bundesgerichtshof an seiner Rechtsprechung auch nach Inkrafttreten des Kündigungsfristengesetzes festgehalten (BGH, Urteil vom 20. August 2019 – II ZR 121/16, ZIP 2019, 1805 Rn. 34).

Hintergrund

Ein Streit unter den höchsten Gerichten. Nach der Rechtsprechung des BAG kann sich ein Geschäftsführer einer Gesellschaft, der Minderheitsgesellschafter ist, nicht auf die für Arbeitsverhältnisse geltenden (ordentlichen) Kündigungsvorschriften (§ 622 Abs. 1 und 2 BGB) berufen, sondern es sollen insoweit die Regelungen über die Kündigung von – freien – Dienstverhältnissen (§ 621 BGB) Anwendung finden – mit zum Teil deutlich kürzeren Kündigungsfristen.

Der Bundesgerichtshof wendet hingegen auf Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer und Fremdgeschäftsführer die i.d.R. längeren Kündigungsfristen für Arbeitsverhältnisse (§ 622 Abs. 1 und 2 BGB) entsprechend an.

Die Klarstellung des BGH ist zu begrüßen. Ob die Instanzengerichte uneingeschränkt folgen werden, bleibt abzuwarten.

Fazit

Dieses Urteil hat Bedeutung für die Kündigung von GmbH-Geschäftsführern. Es stärkt die Geschäftsführer, die nicht Mehrheitsgesellschafter sind, indem es die Anwendung der gesetzlichen – teilweise längeren – Kündigungsfristen des § 622 BGB bestätigt. Die zusätzliche Klarstellung zur Anwendbarkeit der Erklärungsfrist bei außerordentlicher Kündigung bietet zudem mehr Rechtssicherheit.

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Autor(en)


Dr. Mario Hoffmann
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

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Aigerim Rachimow
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht, Fachanwältin für Medizinrecht

Mail: rostock@etl-rechtsanwaelte.de


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