Zur Kündigung eines Arbeitsverhältnisses während der Elternzeit (§ 18 BEEG)
Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) München hat entschieden (VGH, Beschl. v. 05.11.2019 – 12 ZB 19.1222, NJW 2020, 1316).
§ 18 BEEG verfolgt den Zweck, mit einem grundsätzlich absoluten Kündigungsschutz einen größtmöglichen Bestand eines Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers während der Dauer der Elternzeit zu gewährleisten (
). Demzufolge kann ein
besonderer Fall
im Sinne von § 18 Abs. 1 Satz 4 BEEG nur dann angenommen werden, wenn außergewöhnliche Umstände es rechtfertigen, die vom Gesetz grundsätzlich als vorrangig angesehenen Interessen des Elternzeit beanspruchenden Arbeitnehmers hinter die Interessen des Arbeitgebers an der Auflösung des Arbeitsverhältnisses zurücktreten zu lassen (
). Beispielhaft für derartige außergewöhnliche Umstände nennt die nach § 18 Abs. 1 Satz 4 BEEG erlassene Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Kündigungsschutz bei Elternzeit (BAnz 2007, Nr. 5 S. 247) neben der Stilllegung bzw. Verlagerung eines Betriebs oder eines Betriebsteils und der wirtschaftlichen Existenzgefährdung des Betriebs durch Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses in Ziffer 2.1.6 besonders schwere Verstöße des Arbeitnehmers gegen arbeitsvertragliche Pflichten oder vorsätzliche strafbare Handlungen des Arbeitnehmers, die dem Arbeitgeber die Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar machen (
). Gründet sich der besondere Fall
auf einen besonders schweren arbeitsvertraglichen Pflichtenverstoß, ist zudem in Rechnung zu stellen, dass während der Elternzeit die arbeitsvertraglichen Hauptpflichten von Arbeitgeber und Arbeitnehmer suspendiert sind, der Pflichtenverstoß folglich nur eine Verletzung arbeitsvertraglicher Nebenpflichten betreffen kann (vgl. hierzu Gallner in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 19. Aufl. 2019, § 18 BEEG Rn. 13; BayVGH, B.v. 7.10.2015 – 12 ZB 15.239 – BeckRS 2015, 53812). Auch wenn der Kündigungsgrund im Verhalten des Arbeitnehmers vor Beginn der Elternzeit wurzelt, kann ein besonderer Fall
, der die Kündigungsmöglichkeit vor dem Ablauf der Elternzeit eröffnet, nur ganz ausnahmsweise
vorliegen, da der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses während der Elternzeit den Arbeitgeber in der Regel wirtschaftlich nur unbedeutend belastet, sodass ihm ein Zuwarten mit der Kündigung bis zum Ende der Elternzeit zumutbar ist (vgl. Rancke in Rancke, Mutterschutz, Elterngeld, Elternzeit, 5. Aufl. 2018, § 18 BEEG Rn. 33). Die Annahme eines besonderen Falls
stellt mithin höhere Anforderungen als die eines wichtigen Grundes
, der eine außerordentliche Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB rechtfertigt; beide Begriffe sind nicht deckungsgleich (
).
Den besonderen Fall
im Sinne von § 18 Abs. 1 Satz 4 BEEG kennzeichnet folglich nicht ausschließlich der schwerwiegende Pflichtenverstoß bzw. die vorsätzliche strafbare Handlung des Arbeitnehmers. Hinzukommen muss vielmehr, dass im konkreten Fall außergewöhnliche Umstände vorliegen, die die vom Gesetz grundsätzlich als vorrangig eingestuften Belange des Arbeitnehmers ausnahmsweise hinter noch gewichtigere Interessen des Arbeitgebers zurücktreten lassen (Gallner in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 19. Aufl. 2019, § 18 BEEG Rn. 11; BayVGH, B.v. 7.10.2015 – 12 ZB 15.239 – BeckRS 2015, 53812; B.v. 8.10.2014 – 12 ZB 13.1087 – BeckRS 2014, 57149; VGH Kassel, B.v. 6.10.2009 – 10 A 1990/08.Z – BeckRS 2012, 55457 Rn. 4). Hierzu bedarf es einer Interessenabwägung, bei der die Bedeutung der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch während der laufenden Elternzeit für den Arbeitgeber mit dem Schutzzweck des Kündigungsverbots nach § 18 Abs. 1 Satz 2 BEEG und den Interessen des hierdurch geschützten Arbeitsnehmers gegenüberzustellen sind. Schließlich eröffnet erst die Annahme eines besonderen Falls
nach der geschilderten Abwägung den Raum für die Ermessensentscheidung der zuständigen Behörde über die Zulassung der Kündigung (vgl. BayVGH, a. a. O.).
Zur Frage eines nachwirkenden Kündigungsschutzes äußert sich der VGH wie folgt:
Ferner beinhaltet § 18 Abs. 1 BEEG entgegen dem Vortrag der Klägerin auch keinen nachwirkenden Kündigungsschutz. Eine Kündigung kann bereits an dem auf das Ende der Elternzeit folgenden Tag ausgesprochen werden (vgl. Osnabrügge in Boecken/Düwell/Diller/Hanau, Gesamtes Arbeitsrecht, 2016, § 18 BEEG Rn. 14 f.; Rancke in Rancke, Mutterschutz – Elterngeld – Elternzeit – Betreuungsgeld, 5. Aufl. 2018, §§ 18 BEEG Rn. 11, Rolfs in Kündigungsrecht, 5. Aufl. 2017, § 18 BEEG Rn. 20).