Gilt eine Befreiung von der Rentenversicherungspflicht bei Betriebsübergang oder Rechtsformwechsel weiter?
Bestimmte Beschäftigte können sich von der Rentenversicherung (DRV) nach §6 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) VI befreien lassen. Dazu muss der Beschäftigte zunächst durch Gesetz Mitglied einer berufsständischen Versorgungseinrichtung sein. Zugleich muss kraft Gesetz eine Pflichtmitgliedschaft in der jeweiligen berufsständischen Kammer bestehen. Zu denken ist hier an Ärzte, Zahnärzte, Anwälte, Steuerberater und Ingenieure.
Befreiung von der Rentenversicherungspflicht – im Zweifel ein neue Bescheid notwendig
Es gilt der Grundsatz, dass für jede neue Beschäftigung (laienhaft = jedes Arbeitsverhältnis) und auch für jede wesentliche Änderung einer bestehenden Beschäftigung ein neuer Bescheid bei der zuständigen berufsständischen Versorgungseinrichtung beantragt werden muss. Diese leitet den Antrag dann an die DRV weiter.
Aktuell werden dazu entsprechende Links über die Versorgungswerke zur Verfügung gestellt.
Hinweis des Anwalts für Sozialversicherungsrecht:
Nach dem Urteil des Bayerisches Landessozialgericht (LSG) vom 22.08.2024 zum Aktenzeichen – L 7 BA 114/23 – stellt sich die Frage, ob ein einmal erteilter Befreiungsbescheid auch bei Betriebsübergang nach §613 a BGB weiter gilt oder ob ein neuer Befreiungsbescheid notwendig ist. Das LSG hatte entschieden, dass ein Statusbescheid nach dem SGB IV bei Betriebsübergang nach §613 a BGB seine Wirkung verliert.
Die Versorgungswerke sind der Auffassung, dass kein neuer Antrag notwendig ist. z.B.:
„(…) Die Befreiung wirkt nicht fort, wenn eine neue Tätigkeit begonnen wird oder sich wesentliche Änderungen im Tätigkeitsbereich beim gleichen Arbeitgeber ergeben. Es steht zu befürchten, dass die Rentenversicherung dies eher engherzig beurteilen wird. Einzig der echte Betriebsübergang nach § 613a BGB (Betrieb oder Betriebsteil geht durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über) löst kein neues Befreiungsverfahren aus. Umstrukturierungen wie Fusionen oder Rechtsformwechsel dürften dagegen eher zum Erlöschen der ausgesprochenen Befreiung führen. (…)“
Versorgungswerk der Rechtsanwälte im Lande Hessen, Stand 14.03.2025
Das Bundessozialgericht (BSG) hat dazu bereits entschieden:
„(…) Eine Ausnahme bildet insofern der Fall eines Betriebsübergangs, der zwar mit einem Arbeitgeberwechsel verbunden ist, bei dem aber der neue Inhaber in die Rechte und Pflichten des im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnisses eintritt (vgl § 613a Abs 1 Satz 1 BGB; s auch BGH Urteil vom 30.3.2020 – AnwZ ≪Brfg≫ 49/19 – aaO RdNr 17). Entsprechendes gilt, wenn der Rechtsträger des Arbeitgebers durch Verschmelzung, Spaltung, Vermögensübertragung oder Formwechsel umgewandelt wird (vgl § 1 Abs 1 sowie § 324 UmwG; zur Fortgeltung der Zulassung als Syndikusrechtsanwalt bei der Verschmelzung zweier Unternehmen vgl BGH Urteil vom 14.7.2020 – AnwZ ≪Brfg≫ 8/20 – NJW-RR 2020, 1065 RdNr 12 f). Zu Recht geht auch die Beklagte davon aus, dass derartige Änderungen keine Auswirkungen auf eine Befreiung nach § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI haben. Sofern mit dem Betriebsübergang nicht zugleich eine Änderung der konkreten Tätigkeit verbunden ist, bleibt auch die Befreiung unverändert bestehen (…)“
BSG Urteil vom 16.06.2021 – B 5 RE 4/20 R
Dies wurde aktuell vom BSG bestätigt:
„(…) Die Aufnahme der Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1. unter Beendigung der früheren Tätigkeit beendet damit auch die Regelungswirkung des früheren Befreiungsbescheids (…). Den Feststellungen des LSG ist insoweit auch kein Ausnahmefall zu entnehmen (zB Betriebsübergang, vgl § 613a BGB, hierzu BSG Urteil vom 16.6.2021 – B 5 RE 4/20 R – SozR 4-2600 § 6 Nr. 22 RdNr. 26). (…)“
BSG, Urteil vom 19.09.2024 – B 12 R 6/22 R
Fazit des Anwalts für Sozialversicherungsrecht:
Nach aktueller Rechtslage gelten Befreiungsbescheide der DRV nach §6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI auch bei Betriebsübergang oder Rechtsformwechsel weiter, wenn die Tätigkeit identisch bleibt.
Gleichwohl wird angeraten, rein vorsorglich einen neuen Antrag bei der zuständigen berufsständischen Versorgungseinrichtung zustellen.
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