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Zur Gefahrerheblichkeit einer Vorerkrankung: Auf die Fragestellung kommt es an!

Zur Gefahrerheblichkeit einer Vorerkrankung: Auf die Fragestellung kommt es an!
Aktuelles
21.05.2015

Zur Gefahrerheblichkeit einer Vorerkrankung: Auf die Fragestellung kommt es an!

Das OLG Karlsruhe hat sich in einer jüngeren Entscheidung (Beschluss vom 02.03.2015 – 9U 14/14; Beck RS 2015, 08167) mit der Verletzung der vorvertraglichen Anzeigeobliegenheit im Bereich der Krankenversicherung beschäftigt. Der erste amtlich Leitsatz dieser Entscheidung Eine Verdachtsdiagnose Morbus Crohn 3 1/2 Jahre vor Antragstellung ist grundsätzlich ein anzeigepflichtiger Gefahrumstand im Sinne von § 19 Abs. 1 VVG ist zumindest missverständlich. Da vergleichbare Behauptungen in nahezu jedem Lehrbuch zu finden sind, verdient diese Grundsätzlichkeit eine kurze, kritische Betrachtung.

Zum Fall:

Der Versicherungsinteressent für eine private Krankenkostenversicherung soll dreieinhalb Jahre vor Antragstellung auf Abschluss des Versicherungsvertrages die Verdachtsdiagnose eines Morbus Crohn mitgeteilt worden sein. Morbus Crohn ist eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung, bei der eine Spontanheilung in der Praxis nicht vorkommt.

Im Antragsformular wurde u.a. folgende Frage gestellt: Bestanden oder bestehen in den letzten drei Jahren oder derzeit Krankheiten, Beschwerden, Unfallfolgen, Fehler körperlicher oder geistiger Art?

Bei Beantwortung dieser Frage gab der zukünftige Versicherungsnehmer weniger gravierende Vorerkrankungen an, den Morbus Crohn benannte er nicht.

Das Oberlandesgericht stellte nun fest, dass diese Antragsfrage objektiv falsch beantwortet worden ist, da die vor dem bei Antragstellung erfragen Zeitraum – wenn auch nur differentialdiagnostisch – festgestellte Erkrankung nicht geheilt sein könne und somit denklogisch im erfragten Dreijahreszeitraum weiterhin bestanden haben müsse. Das ist richtig. Die weitere Feststellung aber, ein Morbus Crohn sei grundsätzlich anzeigepflichtig im Sinne von § 19 Abs. 1 VVG, ist jedenfalls in der Allgemeingültigkeit nicht zutreffend.

Die Entscheidung, welche Vorerkrankungen ein Versicherungsinteressent bei Beantragung einer Personenversicherung angeben muss und was nicht, obliegt weder dem Gesetzgeber noch der Rechtsprechung, sondern einzig und allein dem Versicherer als Organisator des Risikomanagements. Seine Bewertung bringt der Versicherer dadurch zum Ausdruck, wie er die sogenannten Gesundheitsfragen exakt formuliert.

Gerade die Frage nach dem Bestehen einer Erkrankung führt bei einem medizinisch regelmäßig nicht geschulten Versicherungsnehmer oft zu Bewertungsunsicherheiten. Daher sind Gesundheitsfragen häufig so formuliert: Sind Sie aufgrund der nachfolgenden aufgezählten Krankheiten [ ….. Morbus Crohn….] in den letzten drei Jahren ärztlich beraten, untersucht oder behandelt worden?

Da eine solche Behandlung im vorgenannten Beispiel unstreitig nicht stattgefunden hat, wäre bei dieser Fragestellung der Morbus Crohn kein anzeigepflichtiger Umstand gewesen.

Dieses Ergebnis kann man anhand eines Alternativbeispiels überprüfen: Gerade in der Personenversicherung werden oft Gruppenversicherungen mit verkürzter Gesundheitsprüfung für ein bestimmtes Kollektiv angeboten. Bei diesen Gruppenverträgen werden häufig nur schwerste Vorerkrankungen wie Aids, Herzinfarkt oder Schlaganfall abgefragt. Gerade bei einem solchen Versicherungsprodukt wird der an Morbus Crohn Erkrankte zu den gleichen Versicherungsbedingungen policiert, wie der nicht an Morbus Crohn Erkrankte. Für eine solche Versicherung ist Morbus Crohn ersichtlich kein gefahrerheblicher und damit auch kein anzeigepflichtiger Umstand.

Der Feststellung, dass eine bestimmte Erkrankung grundsätzlich gefahrerheblich im Sinne von § 19 Abs. 1 VVG sei, kann daher nicht gefolgt werden. Es kommt im jeweiligen Einzelfall immer auf die exakte Formulierung der Gesundheitsfragen im Antragsbogen an.

Völlig zu Recht führt das OLG Karlsruhe im weiteren aus, dass das falsche Verständnis hinsichtlich der Formulierung bestehen unter Bezugnahmen auf den erfragten Zeitraum, keine Auswirkung auf die objektive Falschbeantwortung der Antragsfragen hat, sondern durch das verschuldensabhängige Rechtsfolgeregime des § 19 Abs. 2 – 4 VVG aufgefangen werden muss.

Fazit

1. Kein Erkrankungsbild ist immer und generell anzeigepflichtig. Welche Krankheit in der Personenversicherung gefahrerheblich ist, richtet sich im Einzelfall nach den Formulierungen der Gesundheitsfragen.

2. Sofern ein Versicherter im Leistungsfall mit dem Vorwurf konfrontiert wird, er habe die Gesundheitsfragen falsch beantwortet, ist eine Überprüfung dieses Sachverhaltes durch einen sachkundigen Rechtsberater regelmäßig unverzichtbar.

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Autor(en)


Dr. Arnd Böhmer, LL.M.
Rechtsanwalt

Mail: zentrale@kanzlei-voigt.de


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