Zur Freiwilligkeit beim Rücktritt vom beendeten Versuch (§ 24 Abs. 1 Satz 1, 2. Var. StGB
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich mit der Freiwilligkeit im Zusammenhang mit dem Rücktritt vom beendeten Versuch befasst (BGH, Urt. v. 10.01.2024 – 6 StR 324/23). In den Entscheidungsgründen heißt es:
„a) Für den unbeendeten Versuch im Sinne von § 24 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 StGB ist anerkannt, dass ein Rücktritt dann nicht strafbefreiend wirkt, wenn der Täter meint, den Erfolg theoretisch noch herbeiführen zu können, er sich jedoch infolge übermächtiger Angst, eines Schocks, einer psychischen Lähmung oder einer vergleichbaren seelischen Erschütterung praktisch außerstande sieht, eine weitere auf die Tatbestandsverwirklichung ausgerichtete Handlung vorzunehmen (vgl. BGH, Urteile vom 14. April 1955 – 4 StR 16/55, BGHSt 7, 296, 298; vom 28. Februar 1956 – 5 StR 352/55, BGHSt 9, 48, 53; vom 10. Mai 1994 – 1 StR 19/94, NStZ 1994, 428; Beschlüsse vom 13. Januar 1988 – 2 StR 665/87, BGHSt 35, 184, 186; vom 22. März 2012 – 4 StR 541/11, NStZ-RR 2012, 239, 240; vom 14. Februar 2023 – 4 StR 442/22, NStZ 2023, 599; vom 7. November 2023 – 2 StR 302/23). Dabei kommt es darauf an, ob sich der betreffende Umstand für den Täter als ein ´zwingendes Hindernis´ darstellt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 27. August 1982 – 3 StR 284/82, MDR 1982, 969; vom 17. Oktober 1985 – 4 StR 516/85; MDR 1986, 271; vom 13. Januar 1988 – 2 StR 665/87, aaO; Bottke in Festschrift 50 Jahre Bundesgerichtshof, Festgabe aus der Wissenschaft, Bd. IV, S. 135, 169 f.). Für die Bewertung einer freiwilligen Vollendungsverhinderung beim beendeten Versuch (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 StGB) sind grundsätzlich dieselben rechtlichen Maßstäbe anzulegen (vgl. BGH, Urteile vom 22. August 1985 – 4 StR 326/85, BGHSt 33, 295, 301; vom 11. Juni 1987 – 4 StR 31/87, BGHR StGB § 24 Abs. 1 Satz 1 Versuch, beendeter 5; SK/Jäger, StGB, 9. Aufl., § 24 Rn. 98; LK/Murmann, 13. Aufl., § 24 Rn. 367; NK/Engländer, StGB, 6. Aufl., § 24 Rn. 53). Entscheidend ist auch in diesen Fällen, ob der Täter ´Herr seiner Entschlüsse´ bleibt und auf der Grundlage einer willensgesteuerten Entscheidung die Vollendung der Tat verhindert. Daran kann es im Ausnahmefall fehlen, wenn gerade die seelische Erschütterung des Täters ein zwingender Grund für die Verhinderung des Erfolgseintritts war (vgl. zu § 46 Nr. 2 StGB aF BGH, Urteil vom 9. März 1967 – 5 StR 38/67, BGHSt 21, 216, 217).
(…) So liegt es hier. Rechtsfehlerfrei hat die sachverständig beratene Strafkammer angenommen, dass der Angeklagte die Rettungskette erzwungenermaßen in Gang gesetzt und deshalb den Erfolg nicht freiwillig verhindert hat (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 StGB). Bei der zum Zeitpunkt der Ansprache von Zeugen vorliegenden akuten Belastungsreaktion hatte sich eine so große panische Angst und ein großer innerer Druck aufgebaut, dass er zu selbstbestimmtem Handeln nicht mehr in der Lage war.“