Zum Rücktritt wegen versuchten Mordes (§ 24 StGB)
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich mit der Möglichkeit eines strafbefreienden Rücktritts von einem versuchten Mord befasst (BGH, Beschl. v. 10.07.2024 – 6 StR 220/24). Anders als die Vorinstanz hält der BGH einen Rücktritt nicht für ausgeschlossen.
In den Entscheidungsgründen des Urteils heißt es:
„Die Verurteilung der Angeklagten wegen versuchten Mordes begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Der Generalbundesanwalt hat dazu in seiner Antragsschrift ausgeführt:
´Nach den durch die Strafkammer getroffenen Feststellungen gab die Angeklagte, die in jeder Hand eine Pistole hielt und sich der Geschädigten bis auf etwa 1,50 m näherte, unter billigender Inkaufnahme einer tödlichen Verletzung der Geschädigten zunächst einen Schuss in deren Richtung ab, der die Geschädigte verfehlte. Daraufhin brachte die Geschädigte die Angeklagte zu Boden und lösten sich in dem anschließenden Gerangel aus den Pistolen drei weitere Schüsse, von denen zwei Schüsse die Geschädigte verschiedentlich verletzten. Nachdem es der Geschädigten gelungen war, der Angeklagten eine Pistole zu entwinden, ließ die Angeklagte bei dem Gerangel die zweite ‚Waffe – infolge des festen Griffes der Geschädigten – schließlich fallen‘; zu weiteren Tätlichkeiten kam es nicht.
Die Strafkammer hat die Möglichkeit eines strafbefreienden Rücktritts (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 StGB) nicht in Betracht gezogen (…). Der Umstand, dass die Angeklagte, nachdem ihr durch die Geschädigte die erste Pistole entwunden worden war, auch die zweite Pistole fallen ließ, begründet für sich genommen weder einen Fehlschlag des Versuchs noch dessen Beendigung oder bei fehlender Beendigung dessen Aufgabe. Die Strafkammer hätte die insofern allein maßgebliche subjektive Sicht der Angeklagten nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung feststellen müssen (st. Rspr.; vgl. nur Senat, Urteil vom 15. Juli 2020 – 6 StR 43/20; Beschlüsse vom 2. November 2021 – 6 StR 485/21 und vom 5. April 2022 – 6 StR 99/22).´
Dem schließt sich der Senat an.
(…) Die Aufhebung des Schuldspruchs wegen versuchten Mordes entzieht der für sich genommen rechtsfehlerfreien Verurteilung der Angeklagten wegen der tateinheitlich verwirklichten Taten sowie dem Strafausspruch und der Einziehungsentscheidung die Grundlage. Die nur im Hinblick auf den Rücktrittshorizont unvollständigen, im Übrigen aber zum äußeren und inneren Tatgeschehen, insbesondere zum bedingten Tötungsvorsatz, rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO) und tragen die Adhäsionsentscheidung, die von der Aufhebung des Schuldspruchs unberührt bleibt (vgl. BGH, Urteile vom 28. November 2007 – 2 StR 477/07, BGHSt 52, 96; vom 23. Juli 2015 – 3 StR 470/14, Rn. 56; Beschlüsse vom 11. Dezember 2018 – 5 StR 373/18, Rn. 7 ff.; vom 27. April 2022 – 4 StR 408/21, Rn. 9).
(…) Das neue Tatgericht wird in den Blick zu nehmen haben, ob der Angeklagten als Ruhestandsbeamtin aufgrund der Verurteilung nicht unerhebliche beamtenrechtliche Folgen drohen, die regelmäßig strafmildernd zu berücksichtigen sind (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 28. Juni 2023 – 6 StR 413/22, Rn. 6; Urteil vom 5. Oktober 2023 – 6 StR 299/22, NStZ-RR 2023, 365 mwN).“