Zum Rücktritt vom strafbaren Versuch durch einen Mittäter im Wege des Nichtweiterhandels bzw. schlichtes Unterlassen
Siehe dazu etwa BGH, Urt. v. 17.03.2022 – 4 StR 223/21, NJW-Spezial 2022, 313 [aus den Entscheidungsgründen]:
„aa) § 24 Abs. 2 Satz 1 StGB , der als persönlicher Strafaufhebungsgrund für jeden Tatbeteiligten gesondert zu prüfen ist (vgl. BGH, Urteil vom 20. April 2016 – 2 StR 320/15 , BGHSt 61, 188 Rn. 10; Beschluss vom 4. April 1989 – 4 StR 125/89 Rn. 5; Murmann in LK-StGB, 13. Aufl., § 24 Rn. 426), verlangt ohne Rücksicht auf die Frage, ob ein beendeter oder unbeendeter Versuch vorliegt, die bewusste Verhinderung der Tatvollendung. Dabei bestehen grundsätzlich die gleichen Anforderungen wie beim Alleintäter, so dass insbesondere das Verhalten des Zurücktretenden für das Ausbleiben der Vollendung zumindest mitursächlich werden muss (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Februar 2012 – 4 StR 621/11 Rn. 8).
Das die Tatvollendung verhindernde Verhalten muss dabei nicht notwendig in einem auf die Erfolgsabwendung gerichteten aktiven Tun liegen (vgl. Fischer, StGB, 69. Aufl., § 24 Rn. 40a). Kann einer von mehreren Tatbeteiligten den noch möglichen Eintritt des Taterfolgs allein dadurch vereiteln, dass er seinen vorgesehenen Tatbeitrag nicht erbringt oder nicht fortführt, so verhindert bereits seine Untätigkeit oder sein Nichtweiterhandeln die Tatvollendung. Ist dem Beteiligten dies im Zeitpunkt der Verweigerung oder des Abbruchs seiner Tatbeteiligung bekannt und handelt er dabei freiwillig, liegen damit die Voraussetzungen für einen Rücktritt nach § 24 Abs. 2 Satz 1 StGB vor (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. März 2012 – 4 StR 541/11 Rn. 18 und vom 26. Juli 2011 – 4 StR 268/11 Rn. 5). Ein solcher Rücktritt eines Tatbeteiligten durch schlichtes Unterlassen kommt in Betracht, wenn nach seiner Vorstellung ohne ihn der verabredete Plan nicht zu verwirklichen ist, etwa wenn nur er über die erforderlichen Tatwerkzeuge oder Fertigkeiten verfügt (vgl. BGH, Urteil vom 23. Oktober 1991 – 3 StR 321/91 Rn. 8). Gleiches gilt, wenn ein Beteiligter seinen Tatbeitrag in der begründeten Überzeugung verweigert, die anderen Tatbeteiligten würden die Tat allein aufgrund seiner Untätigkeit nicht weiter durchführen (vgl. BGH, Urteile vom 21. Oktober 1983 – 2 StR 485/83 , BGHSt 32, 133, 134 f. ; vom 7. Oktober 1983 – 1 StR 615/83 Rn. 6, jew. zu § 31 StGB , und vom 16. März 1983 – 2 StR 789/82 Rn. 17; Jäger in SK-StGB, 9. Aufl., § 24 Rn. 108; Linke, Der Rücktritt vom Versuch bei mehreren Tatbeteiligten gemäß § 24 Absatz 2 StGB , 2010, S. 153, 158 f.; s. auch Gores, Der Rücktritt des Tatbeteiligten, 1982, S. 170 ff.). Denn der Tatbeteiligte gibt auch in diesem Fall seinen Vollendungsvorsatz vollständig auf und wählt eine Rettungsmöglichkeit, die er für geeignet und ausreichend hält, den Taterfolg zu verhindern (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2002 – 2 StR 251/02 , BGHSt 48, 147, 152 ). Geht der Tatbeteiligte hingegen von der Gefahr der Tatvollendung durch den oder die Mittäter aus, bedarf der Rücktritt wie beim beendeten Versuch des Einzeltäters eines auf die Erfolgsabwendung gerichteten aktiven Tuns (vgl. BGH, Beschluss vom 22. März 2012 – 4 StR 541/11 Rn. 18).
Darüber hinaus kann ein Rücktritt aller Tatbeteiligten zu bejahen sein, wenn sie im Falle eines unbeendeten Versuchs einvernehmlich nicht mehr weiterhandeln, obwohl sie den Taterfolg noch herbeiführen könnten (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 29. August 2017 – 4 StR 116/17 Rn. 5; vom 22. April 2015 – 2 StR 383/14 Rn. 3 und vom 8. Februar 2012 – 4 StR 621/11 Rn. 8).
Maßgeblich ist in allen Fällen die subjektive Sicht des Täters nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung (sog. Rücktrittshorizont; vgl. BGH, Beschlüsse vom 28. Oktober 2021 – 4 StR 122/21 Rn. 10 und vom 3. März 2021 – 4 StR 514/20 Rn. 7). Lässt sich den Urteilsfeststellungen das entsprechende Vorstellungsbild, das zur revisionsrechtlichen Prüfung des Vorliegens eines freiwilligen Rücktritts vom Versuch unerlässlich ist, nicht hinreichend entnehmen, hält das Urteil sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand (vgl. BGH, Beschluss vom 24. März 2020 – 4 StR 596/19 Rn. 6).
bb) Daran gemessen ist den Feststellungen ein strafbefreiender Rücktritt nicht zu entnehmen. Denn es fehlt an Ausführungen zum maßgeblichen Vorstellungsbild des Angeklagten im Augenblick seines Nichtweiterhandelns; auf seinen Rücktrittshorizont kann auch nicht aus dem Urteil in seiner Gesamtheit geschlossen werden.“