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Zum Beweiswert von sog. „Super Recognizern“

Zum Beweiswert von sog. „Super Recognizern“
Aktuelles
23.07.2024

Zum Beweiswert von sog. „Super Recognizern“

Es gibt Menschen, die verfügen über eine sehr seltene Fähigkeit, welche unter bestimmten Umständen für Strafverfolgungsbehörden nützlich sein kann. Mit einem solchen Menschen hat sich der BGH im Rahmen eines Strafprozesses befasst (BGH, Beschl. v. 24.04.2024 – 5 StR 21/24, NJW-Spezial 2024, 410). In den Entscheidungsgründen heißt es:

„Auf die Wiedererkennungsleistung einer weiteren Polizeibeamtin, bei der es sich nach deren in den Urteilsgründen mitgeteilten Selbstbeschreibung um „eine wissenschaftlich identifizierte Super Recognizerin“ handelt, deren ´Status auf ihrer besonderen, letztlich nicht rational erklärbaren, aber in zahlreichen Testverfahren festgestellten und überprüften Fähigkeit beruhe, Menschen wiederzuerkennen´, hat sich die Strafkammer entgegen der Auffassung der Revision nicht gestützt. Vielmehr hat das Landgericht – in auch sprachlicher Abgrenzung von den zur Bestätigung herangezogenen Beweismitteln – lediglich mitgeteilt, dass die Bekundungen der Zeugin mit der von ihm auf der Beweislage im Übrigen gegründeten Überzeugung ´im Einklang´ stünden. Dies entzieht auch den – zulässig erhobenen – Verfahrensrügen die Grundlage, mit denen die Revision bei der Ablehnung von Anträgen zum Umgang mit den Angaben der ´Super Recognizerin´ Verstöße gegen das Beweisantragsrecht geltend gemacht hat.

(…) Die Einschaltung der ´Super Recognizerin´ durch die Polizei und ihre Vernehmung als Zeugin gibt dem Senat allerdings Anlass zu folgenden Hinweisen:

(…) Angesichts der wissenschaftlich nicht abschließend geklärten Qualifikation von ´Super Recognizern´ (vgl. etwa Vomland/Thielgen/Schade, Kriminalistik 2022, 165; Artkämper/Weise, StV 2023, 340, 347; kritisch Becker, StRR 2023, 6, Heft 12) dürfte hinsichtlich des Beweiswerts von Identifizierungen oder Wiederkennungsleistungen solcher Zeugen davon auszugehen sein, dass insoweit keine anderen Maßstäbe gelten, als bei anderen Zeugen (vgl. auch Sticher/Grasnick, Kriminalistik 2019, 369, 374: Die vom ´Super Recognizer´ geleistete Identifizierung hat allein noch keinen Beweiswert, kann aber wichtige Hinweise für neue Ermittlungsansätze geben). Das muss jedenfalls gelten, solange ein höherer Beweiswert wissenschaftlich nicht begründet ist; solches wäre gegebenenfalls vom Tatgericht – naheliegend mit sachverständiger Unterstützung – aufzuklären und im Urteil in einer für das Revisionsgericht nachprüfbaren Art und Weise darzulegen. Der von der Zeugin für sich in Anspruch genommene Status einer ´wissenschaftlich identifizierten Super Recognizerin´ genügt dafür erkennbar nicht.

Soweit die Strafkammer in der Ablehnung eines Beweisantrags ausgeführt hat, Nr. 18 RiStBV sei auf ´Super Recognizer´ nicht anzuwenden, weil diese keine Tatzeugen seien, erscheint dies schon deshalb zweifelhaft, weil die Vorschrift nicht von ´Tatzeugen´, sondern allgemein von „Zeugen“ spricht. Zudem erschließt sich nicht ohne Weiteres, warum die Gefahr, der durch Nr. 18 RiStBV begegnet werden soll, dass der Zeuge sich fälschlicherweise auf einen Tatverdächtigen festlegt, wenn ihm nicht auch unverdächtige Personen präsentiert werden, bei ´Super Recognizern´ nicht bestehen soll.“

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Autor(en)

Dr. Uwe P. Schlegel
Rechtsanwalt

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