Zum Anspruch des Arbeitnehmers auf eine vertragsgemäße Beschäftigung durch den Arbeitgeber
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat zur Frage der Beschäftigungspflicht des Arbeitgebers gegenüber seinem Arbeitnehmer entschieden (BAG, Urt. v. 15.06.2021 – 9 AZR 217/20, DB 2021, 2769). Unter Berücksichtigung der konkreten Umständen des der Entscheidung des BAG zugrundeliegenden Falles hat das BAG die Pflicht zur vertragsgemäßen Beschäftigung einer Arbeitnehmerin verneint.
In den Entscheidungsgründen heißt es:
„II. Die Klage ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zutreffend erkannt, dass die Beklagte nicht verpflichtet ist, die Klägerin antragsgemäß in H zu beschäftigen.
- Der Begründetheit der Klage steht allerdings nicht schon – wie vom Landesarbeitsgericht angenommen – entgegen, dass die Beklagte unter Beachtung von § 611a Abs. 1, § 315 Abs. 1 BGB iVm. § 106 GewO und betriebsverfassungsrechtlicher Vorgaben befugt gewesen wäre, der Klägerin eine vertragsgemäße Beschäftigung in einem anderen Betrieb zuzuweisen, weil der Arbeitsvertrag den Ort der Arbeitsleistung nicht festlegt und es insoweit auf die Wirksamkeit des in § 2 Ziffer 5) des Arbeitsvertrags vereinbarten Versetzungsvorbehalts (vgl. hierzu BAG 30. November 2016 – 10 AZR 11/16 – Rn. 19; 26. Januar 2012 – 2 AZR 102/11 – Rn. 19, BAGE 140, 328) nicht ankommt. Das Landesarbeitsgericht hat nicht beachtet, dass die Beklagte der Klägerin mit ihrer Beschäftigung als ´Assistentin der Geschäftsleitung´ wirksam den Arbeitsort H zugewiesen und ihre Arbeitspflicht insoweit gemäß § 106 GewO konkretisiert hat.
- a) Der Arbeitgeber konkretisiert die Arbeitspflicht durch Ausübung des Weisungsrechts, wenn diese zwar dem Umfang nach, aber im Übrigen im Arbeitsvertrag nur rahmenmäßig umschrieben ist, hinsichtlich Inhalt, Ort und Zeit der zu erbringenden Arbeitsleistung (vgl. BAG 21. März 2018 – 10 AZR 560/16 – Rn. 35 mwN, BAGE 162, 221; 18. Oktober 2017 – 10 AZR 330/16 – Rn. 60 mwN, BAGE 160, 296). Eine wirksame Weisung des Arbeitgebers hat für den Arbeitnehmer Bestand, bis sie durch eine andere (wirksame) Weisung ersetzt wird. Der Arbeitnehmer kann (und muss) seine Arbeitsleistung so erbringen, wie sie durch die letzte wirksame Weisung konkretisiert wurde. Die Erteilung einer neuen Weisung durch den Arbeitgeber ist im Rahmen der arbeitsvertraglichen Bestimmungen jederzeit möglich, aber nur mit Wirkung für die Zukunft. Nach § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB ist die Weisung nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht (vgl. BAG 21. März 2018 – 10 AZR 560/16 – Rn. 36, aaO; 18. Oktober 2017 – 10 AZR 330/16 – Rn. 71 mwN, aaO).
- b) Einen Arbeitsplatz außerhalb des Betriebs H hat die Beklagte der Klägerin bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in zweiter Instanz nicht wirksam zugewiesen. Die mit Schreiben vom 29. Juni 2017 erklärte Versetzung der Klägerin nach L verlor ihre Wirksamkeit mit dem rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens. Ihre Aufrechterhaltung gegen den mit Schreiben vom 9. Juni 2017 erklärten Willen der Klägerin hätte – wie vom Arbeitsgericht rechtskräftig festgestellt – der Zustimmung des Betriebsrats H bedurft (vgl. BAG 13. Dezember 2011 – 1 ABR 2/10 – Rn. 23 mwN, BAGE 140, 113). Mit der Anweisung vom 5. November 2019, die Klägerin solle ab dem 6. November 2019 ausschließlich ihrer Betriebsratstätigkeit nachgehen und ihren Arbeitsplatz in L nicht mehr aufsuchen, hat die Beklagte der Klägerin keinen neuen Arbeitsort zugewiesen, sondern allein von ihrer mit Schreiben vom 29. Juni 2017 erklärten Weisung Abstand genommen und der Funktion der Klägerin als Mitglied des Betriebsrats des Betriebs L Rechnung getragen.
- Das Berufungsurteil erweist sich trotz dieses Rechtsfehlers im Ergebnis als richtig (§ 561 ZPO). Der Klägerin steht kein Anspruch auf die von ihr mit dem Hauptantrag (Klageantrag zu 1.) und den Hilfsanträgen (Klageanträge zu 2. und zu 3.) begehrte Beschäftigung zu.
- a) Der Arbeitnehmer hat im bestehenden Arbeitsverhältnis grundsätzlich einen Anspruch auf vertragsgemäße tatsächliche Beschäftigung. Rechtsgrundlage des durch die Rechtsprechung im Wege der Rechtsfortbildung entwickelten allgemeinen Beschäftigungsanspruchs des Arbeitnehmers – der allein Gegenstand der vorliegenden Klage ist – sind §§ 611a, 613 BGB iVm. der Generalklausel des § 242 BGB, die durch die Wertentscheidungen der Art. 1 und Art. 2 GG zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht ausgefüllt wird (vgl. zu §§ 611, 613 iVm. § 242 BGB BAG Großer Senat 27. Februar 1985 – GS 1/84 – zu C I 2 der Gründe, BAGE 48, 122; seither st. Rspr. vgl. nur BAG 25. Januar 2018 – 8 AZR 524/16 – Rn. 70; 21. Februar 2017 – 1 AZR 367/15 – Rn. 19 mwN, BAGE 158, 148; 9. April 2014 – 10 AZR 637/13 – Rn. 14 mwN, BAGE 148, 16; zum Weiterbeschäftigungsanspruch vgl. BAG 27. Mai 2020 – 5 AZR 247/19 – Rn. 23, BAGE 170, 311). Der Arbeitnehmer soll – als Ausdruck und in Achtung seiner Persönlichkeit und seines Entfaltungsrechts – tatsächlich arbeiten können (vgl. BAG 21. Februar 2017 – 1 AZR 367/15 – Rn. 19 mwN, BAGE 158, 148). Korrespondierend mit dem Beschäftigungsanspruch ist der Arbeitgeber zur vertragsgemäßen Beschäftigung verpflichtet, wenn der Arbeitnehmer diese verlangt (vgl. BAG 24. Juni 2015 – 5 AZR 225/14 – Rn. 35, BAGE 152, 65).
- aa) Der allgemeine Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers im Rahmen eines bestehenden Arbeitsverhältnisses gemäß §§ 611a, 613 iVm. § 242 BGB ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nur mit Begrenzungen anzuerkennen. Er setzt neben einer arbeitsvertraglichen Verbindung der Parteien voraus, dass das Interesse des Arbeitnehmers an seiner Beschäftigung das des Arbeitgebers an seiner Nichtbeschäftigung überwiegt (BAG 27. Februar 1985 – GS 1/84 – zu C I 2 c der Gründe, BAGE 48, 122). Treu und Glauben verpflichteten den Arbeitgeber nicht, die Interessen des Arbeitnehmers ohne Rücksicht auf eigene überwiegende und schutzwerte Interessen zu fördern. Andererseits kann sich auf Seiten des Arbeitnehmers das allgemeine ideelle Beschäftigungsinteresse im Einzelfalle noch durch besondere Interessen ideeller und/oder materieller Art verstärken (BAG 27. Februar 1985 – GS 1/84 – zu C I 3 der Gründe, aaO). Lehnt der Arbeitgeber wegen entgegenstehender eigener Interessen die Beschäftigung des Arbeitnehmers ab, bedarf es einer Interessenabwägung, in die alle Umstände des Einzelfalls einzubeziehen sind: Bestehen danach keine überwiegenden schutzwürdigen Interessen des Arbeitgebers, kann der Arbeitnehmer grundsätzlich eine vertragsgemäße Beschäftigung verlangen. Stehen überwiegende schutzwerte Interessen der Beschäftigung entgegen, ist der Arbeitgeber nicht zur Beschäftigung des Arbeitnehmers verpflichtet (vgl. BAG 27. Februar 1985 – GS 1/84 – aaO; vgl. auch 25. Januar 2018 – 8 AZR 524/16 – Rn. 71; 9. April 2014 – 10 AZR 637/13 – Rn. 14 mwN, BAGE 148, 16).
- bb) Der Beschäftigungsanspruch kann ausgeschlossen sein, wenn eine Beschäftigung des Arbeitnehmers, zB wegen Auftragsmangels (BAG 27. Februar 1985 – GS 1/84 – zu C I 3 der Gründe, BAGE 48, 122) oder einer Umorganisation, die auf einer rechtmäßigen unternehmerischen Entscheidung beruht (vgl. BAG 21. März 2018 – 10 AZR 560/16 – Rn. 19 mwN, BAGE 162, 221; 25. Januar 2018 – 8 AZR 524/16 – Rn. 71), nicht (mehr) möglich ist.
(1) §§ 611a, 613 BGB iVm. des § 242 BGB begründen einen Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers, geben ihm aber keine Beschäftigungsgarantie (vgl. BAG 16. Mai 2019 – 6 AZR 329/18 – Rn. 36, BAGE 166, 363). Der Arbeitgeber ist regelmäßig nicht gehindert, eine Organisationsentscheidung zu treffen, die zum Wegfall des Arbeitsplatzes führt. Ist eine vertragsgemäße Beschäftigung auf dem bisherigen oder einem anderen freien Arbeitsplatz nicht möglich, ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, für den von der Organisationsmaßnahme betroffenen Arbeitnehmer einen zusätzlichen Arbeitsplatz einzurichten (vgl. zum Beschäftigungsanspruch schwerbehinderter Menschen BAG 16. Mai 2019 – 6 AZR 329/18 – aaO). Vom Arbeitgeber kann weder verlangt werden, auf die beschlossene Organisationsmaßnahme zu verzichten, wenn diese rechtlich nicht zu beanstanden ist, noch kann er gezwungen werden, seine Organisationsentscheidung mit dem Ziel zu ´modifizieren´, eine Beschäftigungsmöglichkeit zu erhalten. Hierdurch würde die unternehmerische Entscheidung nicht nur kontrolliert, sondern ihr ggf. eine andere Gestalt gegeben. Dem Arbeitgeber kann auch unter Beachtung der jeweils aus Art. 12 Abs. 1 GG folgenden, gegenläufigen Grundrechtspositionen der Arbeitsvertragsparteien nicht vorgegeben werden, welche und wie viele Arbeitsplätze er in seinem Betrieb weiter vorzuhalten hat (vgl. zu § 626 Abs. 1 BGB BAG 24. September 2015 – 2 AZR 562/14 – Rn. 34, BAGE 152, 345).
(2) Beruht die Nichtbeschäftigung des Arbeitnehmers auf einer unternehmerischen Entscheidung, führt dies nicht dazu, dass die Abwägung mit Interessen des Arbeitnehmers von vornherein ausgeschlossen wäre und sich die Belange des Arbeitnehmers nur in dem vom Arbeitgeber durch die unternehmerische Entscheidung gesetzten Rahmen durchsetzen könnten. Die unternehmerische Entscheidung ist ein zwar wichtiger, aber nicht der alleinige Abwägungsgesichtspunkt. Im Einzelfall können besonders schwerwiegende, insbesondere verfassungsrechtlich geschützte Belange des Arbeitnehmers entgegenstehen. Es kommt darauf an, ob das Interesse des Arbeitgebers an der Durchsetzung seiner Organisationsentscheidung auch im Einzelfall die Nichtbeschäftigung rechtfertigt (vgl. zur Billigkeit einer Versetzung BAG 30. November 2016 – 10 AZR 11/16 – Rn. 30; 28. August 2013 – 10 AZR 569/12 – Rn. 41 f.). Das kann auch der Fall sein, wenn ein die Beschäftigungsmöglichkeit ausschließender Rückgang des Arbeitskräftebedarfs – wie im Streitfall – aus einer organisatorischen Maßnahme des Arbeitgebers folgt, die ökonomisch nicht zwingend geboten war. Eine solche unternehmerische Entscheidung ist gerichtlich nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen, sondern nur daraufhin, ob sie offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist. Ohne Einschränkung nachzuprüfen ist hingegen, ob die fragliche Entscheidung getroffen und faktisch umgesetzt wurde, und ob dadurch das Beschäftigungsbedürfnis für einzelne Arbeitnehmer entfallen ist (vgl. BAG 22. Oktober 2015 – 2 AZR 650/14 – Rn. 32 f.), oder ob auch auf der Basis der – nicht missbräuchlich oder willkürlich – getroffenen unternehmerischen Entscheidung noch eine Möglichkeit besteht, den Arbeitnehmer vertragsgemäß sinnvoll zu beschäftigen (vgl. BAG 16. Mai 2019 – 6 AZR 329/18 – Rn. 36, BAGE 166, 363; 24. September 2015 – 2 AZR 562/14 – Rn. 34, BAGE 152, 345).
- cc) Der Arbeitgeber trägt nach allgemeinen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast für die Tatsachen, aus denen sich das Überwiegen der von ihm geltend gemachten schutzwürdigen Interessen ergeben soll, weil er hieraus für sich günstige Rechtsfolgen ableitet. Er hat die tatsächlichen Grundlagen für den Wegfall des Beschäftigungsbedarfs schlüssig vorzutragen und im Fall des Bestreitens zu beweisen.
(1) In Fällen, in denen die Organisationsentscheidung des Arbeitgebers und die Streichung der vom Arbeitnehmer bisher innegehabte Stelle praktisch deckungsgleich sind, besteht eine gesteigerte Darlegungslast des Arbeitgebers. Er muss seine Entscheidung hinsichtlich ihrer organisatorischen Durchführbarkeit und zeitlichen Nachhaltigkeit verdeutlichen. Hierzu muss er konkret erläutern, in welchem Umfang und aufgrund welcher Maßnahmen die bisher vom Arbeitnehmer ausgeübten Tätigkeiten für diesen zukünftig entfallen (vgl. BAG 16. Mai 2019 – 6 AZR 329/18 – Rn. 43, BAGE 166, 363; 22. Oktober 2015 – 2 AZR 650/14 – Rn. 34 mwN; 24. Mai 2012 – 2 AZR 124/11 – Rn. 23). Wie substantiiert der Vortrag zu erfolgen hat, hängt von der Einlassung des Arbeitnehmers ab (vgl. BAG 31. Juli 2014 – 2 AZR 422/13 – Rn. 36, BAGE 149, 18).
(2) Für eine beschlossene und durchgeführte unternehmerische Organisationsentscheidung spricht die Vermutung, dass sie aus sachlichen – nicht zuletzt wirtschaftlichen – Gründen getroffen wurde und nicht auf Rechtsmissbrauch beruht. Im Prozess hat der Arbeitnehmer die Umstände darzulegen und ggf. zu beweisen, aus denen sich ergeben soll, dass die getroffenen Organisationsmaßnahmen offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich sind. Trägt er entsprechende Indizien vor, ist in den Tatsacheninstanzen zunächst zu prüfen, ob diese in ihrer Gesamtschau, ggf. im Zusammenhang mit dem übrigen Prozessstoff auf das Vorliegen von Rechtsmissbrauch schließen lassen. Ist dem so, sind die vom Arbeitnehmer angetretenen Beweise zu erheben, soweit der Arbeitgeber die Indiztatsachen ausreichend bestritten hat (§ 138 ZPO). Die Ergebnisse der Beweisaufnahme sind unter Beachtung der den Arbeitnehmer treffenden objektiven Beweislast zu würdigen (§ 286 Abs. 1 ZPO). Bei alledem ist das Gericht grundsätzlich frei darin, welche Beweiskraft es den – unstreitigen oder bewiesenen – Indizien im Einzelnen und in der Gesamtschau für seine Überzeugungsbildung beimisst (vgl. BAG 24. September 2015 – 2 AZR 562/14 – Rn. 48, BAGE 152, 345; 18. Juni 2015 – 2 AZR 480/14 – Rn. 35 mwN, BAGE 152, 47).
- b) Danach hat das Landesarbeitsgericht im Ergebnis zutreffend erkannt, dass die Beklagte nicht nach §§ 611a, 613 iVm. § 242 BGB verpflichtet ist, die Klägerin zu beschäftigen, wie sie es mit den Klageanträgen zu 1. bis zu 3. verlangt. Der Bedarf für ihre Beschäftigung ist in allen Bereichen entfallen, die in § 2 Ziffern 1) bis 4) des Arbeitsvertrags genannt sind. Der von der Klägerin mit dem Hauptantrag und den Hilfsanträgen begehrten Beschäftigung stehen überwiegende schutzwürdige Interessen der Beklagten entgegen. Dahinstehen kann, ob die im Verlauf des Revisionsverfahrens mit Schreiben vom 2. Juni 2021 erklärte neuerliche Versetzung in den Betrieb L wirksam ist und die Klägerin auch aus diesem Grund keinen Anspruch darauf hat, wie beantragt beschäftigt zu werden.
- aa) Die Prüfung, ob dem Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers überwiegende schutzwürdige Interessen des Arbeitgebers entgegenstehen, ist in erster Linie Sache der Tatsacheninstanzen. Dem Berufungsgericht kommt dabei ein gewisser Beurteilungsspielraum zu, der die revisionsrechtliche Überprüfung einschränkt (vgl. BAG 11. April 2019 – 6 AZR 104/18 – Rn. 40, BAGE 166, 285; 15. Juli 2009 – 5 AZR 867/08 – Rn. 31 mwN, BAGE 131, 215; 30. August 2017 – 7 AZR 864/15 – Rn. 41, BAGE 160, 133; 22. Oktober 2015 – 2 AZR 569/14 – Rn. 47, BAGE 153, 111). Dennoch geht es um Rechtsanwendung, nicht um Tatsachenfeststellung (zur Interessenabwägung iRv. § 626 Abs. 1 BGB vgl. BAG 27. Januar 2011 – 2 AZR 825/09 – Rn. 38, BAGE 137, 54). Fehlt es an einer Interessenabwägung des Landesarbeitsgerichts, ist dem Revisionsgericht eine eigene Interessenabwägung möglich, wenn alle relevanten Tatsachen festgestellt sind. In diesem Fall ist es nicht erforderlich, die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen um diesem Gelegenheit zu geben, zunächst eine eigene Abwägung vorzunehmen (zur Interessenabwägung iRv. § 626 Abs. 1 BGB vgl. BAG 27. Januar 2011 – 2 AZR 825/09 – aaO).
- bb) Das Landesarbeitsgericht hat keine Abwägung der widerstreitenden Interessen der Parteien vorgenommen. Dem Senat ist eine eigene Prüfung und Interessenabwägung möglich, weil die für eine Endentscheidung erforderlichen Feststellungen getroffen sind (§ 559 Abs. 1 ZPO) und weiterer Sachvortrag der Parteien nicht zu erwarten ist. Ausgehend von diesen Feststellungen sind Hauptantrag (Klageantrag zu 1.) und die Hilfsanträge (Klageanträge zu 2. und zu 3.) unbegründet.
(1) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist der Arbeitsplatz einer Assistentin der Geschäftsleitung infolge der von der Beklagten getroffenen und umgesetzten Entscheidung vollständig weggefallen.
- a) Die nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO gewonnene tatrichterliche Überzeugung des Landesarbeitsgerichts, der Beklagten sei die Beschäftigung der Klägerin unmöglich geworden, ist nur beschränkt revisibel. Sie kann revisionsrechtlich nur darauf überprüft werden, ob sich das Landesarbeitsgericht entsprechend den Vorgaben des Prozessrechts mit dem Prozessstoff umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, seine Würdigung vollständig und rechtlich möglich ist, nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt (vgl. BAG 19. Februar 2015 – 8 AZR 1011/13 – Rn. 27; 20. August 2014 – 7 AZR 924/12 – Rn. 35) und die Revision zulässige und begründete Verfahrensrügen erhoben hat (§ 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst b, § 557 Abs. 3 Satz 2 ZPO; BAG 26. Oktober 2016 – 7 AZR 535/14 – Rn. 26; 24. September 2015 – 2 AZR 562/14 – Rn. 48 f., BAGE 152, 345).
(b) Das Landesarbeitsgericht ist bei seiner Würdigung von zutreffenden Rechtssätzen ausgegangen, indem es angenommen hat, die Beklagte trage die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der Tatsachen, die die Unmöglichkeit der Beschäftigung begründen. Es hat angenommen, die Beklagte habe im Einzelnen dargelegt, sämtliche von der Klägerin auf ihrem bisherigen Arbeitsplatz ausweislich des Tätigkeitsprofils vom 13. September 2016 verrichteten Tätigkeiten seien entweder auf andere Abteilungen und Arbeitnehmer oder externe Dienstleister verteilt worden, während die Klägerin keine Tatsachen zum Fortbestehen ihres bisherigen Arbeitsplatzes vorgetragen habe. Dagegen hat die Klägerin keine gemäß § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO zulässige Verfahrensrüge erhoben.
(2) Die Berufung der Beklagten auf den Wegfall des Beschäftigungsbedarfs ist entgegen der Ansicht der Revision nicht rechtsmissbräuchlich. Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.
(a) Die Bewertung des Berufungsgerichts, ob ein Rechtsmissbrauch oder Willkür vorliegt, unterliegt nur einer eingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht, weil es sich um unbestimmte Rechtsbegriffe handelt (st. Rspr., zum Prüfungsmaßstab vgl. zB BAG 11. April 2019 – 6 AZR 104/18 – Rn. 40, BAGE 166, 285; 15. Juli 2009 – 5 AZR 867/08 – Rn. 31 mwN, BAGE 131, 215).
(b) Dieser revisionsrechtlichen Überprüfung hält das Berufungsurteil stand. Das Landesarbeitsgericht ist ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass für die von der Beklagten beschlossene und durchgeführte unternehmerische Organisationsentscheidung die Vermutung spreche, sie sei aus sachlichen – nicht zuletzt wirtschaftlichen – Gründen getroffen worden und beruhe nicht auf Rechtsmissbrauch. Gegen die tatrichterliche Würdigung, die Klägerin habe keine Umstände dargelegt und nachgewiesen, aus denen sich ergebe, dass die getroffene Organisationsmaßnahme offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich sei, hat die Klägerin keine zulässigen Verfahrensrügen erhoben. Ihr Einwand, die Beklagte habe die Organisationsänderung durch eine Rückübertragung von Arbeitsaufgaben rückgängig zu machen oder einen auf die Klägerin zugeschnittenen Arbeitsplatz zu schaffen, ist daher unbeachtlich.
(3) Weder aus den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts noch dem Vorbringen der Parteien ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass das Interesse der Beklagten an der Nichtbeschäftigung der Klägerin, trotz der fehlenden Möglichkeit sie mit ihren bisherigen Arbeitsaufgaben zu beschäftigen, gegenüber dem Beschäftigungsinteresse aufgrund besonders geschützter Belange der Klägerin zurücktreten müsse (vgl. zur Billigkeit einer Versetzung BAG 30. November 2016 – 10 AZR 11/16 – Rn. 30; 28. August 2013 – 10 AZR 569/12 – Rn. 41 f.). Es ist nicht ersichtlich, dass auf der Basis der von der Beklagten – nicht missbräuchlich oder willkürlich – getroffenen unternehmerischen Entscheidung noch eine Möglichkeit besteht, die Klägerin vertragsgemäß sinnvoll zu beschäftigen (vgl. BAG 16. Mai 2019 – 6 AZR 329/18 – Rn. 36, BAGE 166, 363; 24. September 2015 – 2 AZR 562/14 – Rn. 34, BAGE 152, 345). Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass es der Klägerin oblegen hätte, die Möglichkeit der von ihr beantragten vertragsgemäßen Beschäftigung auf einem anderen freien Arbeitsplatz im Betrieb H darzulegen. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Klägerin sei ihrer Darlegungslast nicht nachgekommen, weil sie dem Klagebegehren entsprechende Beschäftigungsmöglichkeiten nicht aufgezeigt habe, greift die Klägerin nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen an. Soweit die Revision rügt, das Landesarbeitsgericht habe eine ihm obliegende Hinweispflicht zu einer gegenüber dem Kündigungsschutzprozess veränderten Darlegungs- und Beweislast verletzt, dringt die Klägerin hiermit bereits deshalb nicht durch, weil sie nicht dargelegt hat, welchen konkreten Hinweis das Landesarbeitsgericht ihr hätte erteilen müssen und was sie auf einen entsprechenden Hinweis vorgebracht hätte (vgl. BAG 17. April 2019 – 7 AZR 292/17 – Rn. 47; 29. August 2018 – 7 AZR 206/17 – Rn. 46 mwN; 24. März 2009 – 9 AZR 983/07 – Rn. 32, BAGE 130, 119).
(4) Es kann dahinstehen, ob die Klägerin einen Anspruch auf die Übertragung einer der von der Beklagten für ´Personalsachbearbeiter´ und ´Personalreferenten´ ausgeschrieben Stellen, auf die sie sich im Verlauf des Kündigungsschutzverfahrens erfolglos beworben hat, gehabt hätte. Die Klage ist nicht auf eine Beschäftigung auf diesen Stellen gerichtet, sondern auf eine Beschäftigung auf Grundlage des Arbeitsvertrags vom 7. Oktober 2013.
- c) Die Beklagte ist auch nicht nach § 275 Abs. 4 iVm. § 280 Abs. 1 und Abs. 3, § 283 BGB verpflichtet, die Klägerin, wie mit den Klageanträgen zu 1. bis zu 3. verlangt, zu beschäftigen. Für einen Anspruch auf Schadensersatz ist bereits deshalb kein Raum, weil eine Pflicht der Beklagten zur antragsgemäßen Beschäftigung der Klägerin aufgrund überwiegender eigener Interessen nicht bestand und ein Festhalten der Beklagten an der Umorganisation, die auf einer rechtmäßigen unternehmerischen Entscheidung beruht, keine Pflichtverletzung darstellt.“