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Wie hoch ist im Falle eines sog. Elternunterhalts ein angemessener Selbstbehalt?

Wie hoch ist im Falle eines sog. Elternunterhalts ein angemessener Selbstbehalt?
Frage der Woche
09.05.2024 — zuletzt aktualisiert: 27.05.2024

Wie hoch ist im Falle eines sog. Elternunterhalts ein angemessener Selbstbehalt?

Siehe dazu etwa OLG München, Beschl. v. 06.03.2024 – 2 UF 1201/23, NJW-Spezial 2024, 228:

Das Gericht ist der Auffassung, dass die Entscheidung des Gesetzgebers im Zuge des Angehörigen-Entlastungsgesetzes aus dem Jahr 2019, beim Elternunterhalt nur noch leistungsstarke Kinder in Anspruch zu nehmen, nicht ohne Einfluss auf die Frage der Bemessung des Selbstbehalts bleiben könne. In den Entscheidungsgründen heißt es:

„Durch das Angehörigen-Entlastungsgesetz vom 10.12.2019 wurde der Übergang des Anspruchs auf Elternunterhalt nach §§ 1601 ff BGB auf den Träger der Sozialhilfe grundlegend neu geregelt und findet nunmehr nur noch dann statt, wenn das Einkommen des Unterhaltspflichtigen die Jahresobergrenze von 100.000 € brutto übersteigt, § 91 Absatz 1a SGB XII i.V.m. § 16 SGB IV. Die Entscheidung des Gesetzgebers, nur noch leistungsstarke Kinder zur Finanzierung des Elternunterhalts in Anspruch zu nehmen, kann nicht ohne Einfluss auf die Frage der Bemessung des Selbstbehalts und damit der Leistungsfähigkeit in derartigen Fällen sein (vgl. Niepmann, NZFam 2022, 141). Entsprechend geben die Süddeutschen Leitlinien unter Ziffer 21.3.3 nunmehr nur noch folgendes vor: Bei der Bemessung des Selbstbehalts gegenüber Eltern sind Zweck und Rechtsgedanken des Gesetzes zur Entlastung unterhaltspflichtiger Angehöriger in der Sozialhilfe und in der Eingliederungshilfe (Angehörigen-Entlastungsgesetz) vom 10.12.2019 zu beachten.

Weiterhin ist das Gericht der Meinung, dass infolge des genannten Entlastungsgesetzes bei den nach den Bestimmungen des BGB vorzunehmenden Unterhaltsberechnungen bzw. dem anzusetzenden Selbstbehalt des potentiell Unterhaltspflichtigen auf einen Betrag abzustellen ist, der dem mit einem Gesamtbruttoeinkommen von 100.000 EUR erzielbaren durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommen entspricht. Insoweit heißt es in den Entscheidungsgründen:

„Unter Berücksichtigung des Zwecks und Rechtsgedankens des Angehörigen-Entlastungsgesetzes erscheint es angemessen, den im Rahmen der nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts vorzunehmenden Unterhaltsberechnung zu berücksichtigenden Selbstbehalt des Unterhaltspflichtigen auf einen Betrag zu erhöhen, der dem mit einem Gesamtbruttoeinkommen von 100.000 € erzielbaren durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommen entspricht, was je nach Familienstand und Beschäftigungsart zwischen 5.000 € und 5.500 € liegen dürfte.

Dem entspricht auch der Grundsatz des Gleichlaufs von Unterhaltsrecht und Sozialhilferecht mit dem Grundgedanken, dass der Unterhaltspflichtige unterhaltsrechtlich nicht schlechter gestellt werden soll als sozialhilferechtlich.

Angesichts dessen ist der Selbstbehalt mit 5.500 € netto monatlich anzusetzen. Dies entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Ehegattenunterhalt, wonach im Sinne einer tatsächlichen Vermutung davon auszugehen ist, dass ein Einkommen bis zum Doppelten des Höchstsatzes der D. Tabelle von den Ehegatten konsumiert werde, was zur Folge hat, dass bis zu einem Unterhaltsbedarf von 5.500 € von dessen vollständigem Verzehr auszugehen ist (BGH FamRZ 2018, 260; FamRZ 2020, 21). Nimmt man das Bekenntnis zur Lebensstandardgarantie im Elternunterhalt ernst, wäre bei vollständigem Einkommensverzehr zur Finanzierung des Lebensstandards eine unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit nicht mehr gegeben. Wenn andererseits im Sinne einer tatsächlichen Vermutung nach der Rechtsprechung davon auszugehen ist, dass ein Nettoeinkommen von bis zu 5.500 € vollständig für den Lebensunterhalt verbraucht wird und daraus Vermögensrücklagen nicht gebildet werden, ist es konsequent, den Selbstbehalt im Elternunterhalt auf dieses Niveau anzuheben (Hauß a.a.O. Rz 18).“

Schließlich verweist das Gericht darauf, dass es angemessen erscheine, die Verwendung des Eigenbedarfs grundsätzlich keiner weiteren Kontrolle zu unterwerfen. Dazu heißt es in den Entscheidungsgründen:

„Angesichts der Höhe des pauschalen Selbstbehalts von 5.500 € monatlich ist eine Erhöhung um die Hälfte des den Sockel-Selbstbehalt übersteigenden anrechenbaren Einkommens entsprechend dem vom BGH (BGH FamRZ 2002, 1698) entwickelten Modell nicht mehr angebracht. Auch ist fraglich, ob über die gesetzlichen Abzüge und Verpflichtungen für Steuern, Sozialabgaben und gesetzliche Unterhaltsansprüche hinaus weitere Abzugsposten zu akzeptieren sind, oder ob dem Unterhaltspflichtigen angesichts des großzügigen Selbstbehalts zugemutet werden kann, seinen Lebenszuschnitt auf das Niveau dieses Selbstbehalts einzustellen (so Hauß a.a.O. Rz 561).

Es erscheint angemessen, die Verwendung des Eigenbedarfs keiner weiteren Kontrolle zu unterwerfen und auch keine Kreditraten, Wohnvorteile oder Mietbelastungen sowie Aufwendungen für Besuchsfahrten etc. anzuerkennen (Döring-Striening/Hauß/Schürmann a.a.O.).

Allerdings ist eine zusätzliche Altersvorsorge in Form von Lebensversicherungen wohl zu berücksichtigen. Hierfür spricht, dass die Unterhaltsverpflichtung des unterhaltspflichtigen Kindes nur so weit reicht, als dieses ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren in der Lage ist. Nach BVerfG FamRZ 2005, 1051 gilt dies auch für den angemessenen zukünftigen Unterhalt, also den Unterhalt im Alter. Die private Altersvorsorge sei zwar nicht gesetzlich zwingend vorgeschrieben, angesichts der Schwäche des gesetzlichen Rentenversicherungssystems aber unter Aspekten der Eigenverantwortlichkeit obligatorisch (so auch BGH FamRZ 2003, 860).“

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Katrin Kaiser
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Familienrecht, Fachanwältin für Verkehrsrecht

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Daniela Wackerbarth
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Familienrecht

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