Wer der Weisung des Arbeitgebers nicht folgt, riskiert den Arbeitsplatz!
Das Landesarbeitsgericht (LAG) Mecklenburg-Vorpommern hatte sich mit einer arbeitgeberseitigen und verhaltensbedingten Kündigung zu beschäftigen (LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 18.10.2022 – 5 Sa 28/22).
Im Leitsatz der Entscheidung heißt es:
„Der Arbeitgeber kann auch in einem Wissenschaftsbetrieb Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen im Rahmen des Arbeitsvertrages näher bestimmen, insbesondere die Teilnahme an Arbeitsberatungen oder die Erstellung wissenschaftlicher Berichte anordnen. Kommt der Arbeitnehmer diesen Weisungen trotz Abmahnung nicht nach, kann eine ordentliche, verhaltensbedingte Kündigung gerechtfertigt sein.“
In den Entscheidungsgründen heißt es:
„Der Arbeitgeber kann nach § 106 Satz 1 GewO Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Das gilt auch in einer Forschungseinrichtung. Die Vorgaben des Arbeitgebers können je nach Ausrichtung der Forschungsvorhaben enger oder weiter gefasst sein.
Im Rahmen dieses Direktionsrechts durfte der Beklagte sowohl die Teilnahme des Klägers an Arbeitsbesprechungen als auch die Erstellung eines Berichts zur Bestimmung des Temperaturkoeffizienten der Keramikspulen anweisen.
Der Kläger hat sich entgegen dieser Weisung am 08.06.2021 zu der ab 09:00 Uhr stattfinden Arbeitsbesprechung nicht zugeschaltet. Da es sich um ein regelmäßig dienstags zur selben Zeit stattfindendes Meeting handelt und sein Vorgesetzter ihn zudem am Vortag daran erinnert hatte, kannte der Kläger diesen Termin. Es war an ihm, sich zuzuschalten, und zwar unabhängig davon, ob sein Computer oder die Bildschirme zu diesem Zeitpunkt ein- oder ausgeschaltet waren. Der Kläger ist verpflichtet, rechtzeitig zu den angesetzten Arbeitsberatungen zu erscheinen. Ob diese als Videokonferenz oder in Form einer Präsenzsitzung stattfinden, ist unerheblich. Der Kläger hat dafür Sorge zu tragen, dass er derartige Termine nicht verpasst. Ob er die Arbeitsberatung am 08.06.2021 bewusst und gewollt versäumt hat, um anderen Tätigkeiten nachzugehen, kann dahinstehen. Jedenfalls hat er, wenn er durch andere Arbeiten abgelenkt gewesen sein sollte, nichts unternommen, um eine Teilnahme an der Arbeitsberatung sicherzustellen. Damit hat er die im Arbeitsverhältnis gebotene Sorgfalt in grober Weise außer Acht gelassen.
Des Weiteren hat der Kläger weisungswidrig keinen abschließenden Bericht zur Bestimmung des Temperaturkoeffizienten der Keramikspulen erstellt. Sein Bericht, insbesondere das Resultat, entspricht nicht dem wissenschaftlichen Standard. Es genügte nicht, im Nachgang zu dem Gespräch mit dem Bereichsleiter am 21.06.2021 eine Kopie der E-Mail vom 29.11.2019 einzufügen. Zum einen berücksichtigt diese E-Mail nicht sämtliche Messungen. Zum anderen fehlt es an ordnungsgemäßen Bezugnahmen auf Messungen bzw. Berechnungen anderer Mitarbeiter. Dementsprechend hat der Kläger den Bericht auch nicht an seinen Vorgesetzten zur Prüfung weitergeleitet und die Fertigstellung im Dokumentensystem gekennzeichnet. Der Bericht hatte auch bei Zugang der Kündigung noch den Status „In Arbeit“. Ob und ggf. wofür und von wem der vollständige Bericht des Klägers noch benötigt wird, ist nicht von ihm zu entscheiden, sondern von dem Beklagten. Das gilt unabhängig davon, für welches Sonden-Design sich der Beklagte letztlich entschieden hat und in welchem Umfang der Bericht des Physikers Dr. E. diese Fragestellung erfasst. Sinn und Zweck des Dokumentensystems ist es, wissenschaftliche Ausarbeitungen und Ergebnisse dauerhaft nutzbar zu machen. Dazu ist es notwendig, Berichte ordnungsgemäß abzuschließen.
Der Beklagte hat die sich aus dem Arbeitsvertrag ergebenden Grenzen seines arbeitsvertraglichen Weisungsrechts nicht überschritten. Das Weisungsrecht gestattete es ihm, sowohl die Teilnahme an Arbeitsbesprechungen anzuordnen als auch die Erstellung eines Berichts zur Bestimmung von Temperaturkoeffizienten. Die im Arbeitsvertrag der Parteien festgelegte Tätigkeit ist nicht diejenige eines Plasmaphysikers, sondern eine Tätigkeit der Entgeltgruppe 14 TVöD (Bund). Dazu können in einem zeitlich untergeordneten Umfang auch geringerwertige Arbeiten gehören.“