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Verpflichtet § 254 Abs. 1 BGB (Mitverschulden) zur Anschaffung eines Ersatz- bzw. Interimsfahrzeugs?

Verpflichtet § 254 Abs. 1 BGB (Mitverschulden) zur Anschaffung eines Ersatz- bzw. Interimsfahrzeugs?
Frage des Tages
19.06.2024

Verpflichtet § 254 Abs. 1 BGB (Mitverschulden) zur Anschaffung eines Ersatz- bzw. Interimsfahrzeugs?

Ja, das kann sein, meint das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig (OLG Schleswig, Urt. v. 16.04.2024 – 7 U 109/23). In den Entscheidungsgründen heißt es:

„Dem Kläger ist allerdings – insoweit abweichend von der Entscheidung des Landgerichts – der Einwand des Mitverschuldens gemäß § 254 Abs. 1 BGB entgegenzuhalten. Hiernach hängt, wenn bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt hat, die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Der Geschädigte ist hiernach gehalten, alles Erforderliche zu veranlassen, den Schaden so gering wie möglich zu halten (vgl. Pardey/Balke/Link, Schadenrecht, Nutzungsausfallentschädigung Rn. 26).

Unter Beachtung dieses Grundsatzes kann der Kläger nur bis Ende November 2021 Nutzungsausfall von der Beklagten verlangen. Denn er hätte sich spätestens zum 1. Dezember 2021 zur Schadensminderung um ein Interimsfahrzeug bemühen müssen. Bereits im November 2021 hat sich für ihn abgezeichnet, dass die im Schadensgutachten angegebene Reparaturdauer nicht realistisch ist und es auf einen längeren Nutzungsausfall mit einer daraus folgenden Schadensausweitung wegen des Nutzungsausfalls hinauslaufen dürfte.

Dies folgt einerseits aus der zu unterstellenden Kenntnis aller am Wirtschaftsleben Beteiligten, dass in der Zeit des ersten Corona-Winters mit erheblichen Verzögerungen infolge von Lieferengpässen zu kalkulieren war. Hier war auch deshalb mit besonders langen Lieferzeiten zu rechnen, weil die Längsträger für das Fahrzeug (wie sich aus der vom Kläger mit Anlage K3, Bl. 18 e. A. LG eingereichten E-Mail der Werkstatt vom 2. April 2022 ergibt) infolge der Bestellung am 2. November 2021 erst eigens angefertigt werden mussten. Spätestens zu diesem Zeitpunkt war offensichtlich, dass angesichts der mit 1.500 € pro Monat anzusetzenden Nutzungsentschädigung die Anschaffung eines Interimsfahrzeugs notwendig ist, um den Schaden gering zu halten.“

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Autor(en)


Katrin Kaiser
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Familienrecht, Fachanwältin für Verkehrsrecht

Mail: halle@etl-rechtsanwaelte.de


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