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Treuepflichtverletzung durch Missachtung der Verbandsautorität einer Gesellschaft

Treuepflichtverletzung durch Missachtung der Verbandsautorität einer Gesellschaft
Aktuelles
24.08.2023

Treuepflichtverletzung durch Missachtung der Verbandsautorität einer Gesellschaft

Das OLG Rostock hat zu einem mit Sperrminorität ausgestatten Minderheitsgesellschafter einer GmbH im Leitsatz wie folgt entschieden (OLG Rostock, Urt. v. 22.03.2021 – 1 U 115/14):

„Der mit Sperrminorität ausgestattete Minderheitsgesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH missachtet die Verbandssouveränität der Gesellschaft und verletzt die ihm als Gesellschafter obliegende Treuepflicht, wenn er in seiner Geschäftsführung die Gesellschafterversammlung grundsätzlich mit der Begründung übergeht, die Gesellschafterversammlung könne ihm stimmrechtsbedingt ohnehin keine gegenteiligen Weisungen erteilen.“

In den Entscheidungsgründen heißt es sodann:

„Sowohl für die Abberufung als auch für die Kündigung liegt ein wichtiger Grund vor, wenn die weitere Tätigkeit des Geschäftsführers für die Gesellschaft, insbesondere aufgrund grober Pflichtverletzungen, unzumutbar geworden ist. Eine solche Feststellung erfordert eine Abwägung der betroffenen Interessen aufgrund aller Umstände des Einzelfalls (BGH, Urteil vom 4. April 2017 – II ZR 77/16, Rn. 17 m.w.N.).

(…)

Für die Beklagte war am 3. Juni 2013 die Unzumutbarkeit erreicht. Sie wirft dem Kläger zu Recht vor, unter Ausnutzung seiner Sperrminorität in erheblicher Weise seine Pflichten als Geschäftsführer und Minderheitsgesellschafter verletzt zu haben.

(…)

Bis zur Änderung des Gesellschaftsvertrages am 12. November 2019 (BK 3 [VII 48]) sah die Satzung der Beklagten in § 7 Abs. 2 vor, dass Gesellschafterbeschlüsse mit qualifizierter Mehrheit von mindestens 75% der abgegebenen Stimmen gefasst werden, soweit nicht die Satzung oder das Gesetz zwingend eine andere Mehrheit vorschreiben. Bei Einführung des qualifizierten Mehrheitserfordernisses im Oktober 2007 (BK 4 [VII 76]) war der Kläger an der Beklagten mit 28,07% direkt beteiligt. Am 3. Juni 2013 hielt er an der Beklagten Anteile in Höhe von insgesamt 21,2%; wegen ruhender Stimmen der A.e verfügte er jedoch über 28,19% der stimmberechtigten Geschäftsanteile, mithin über eine Sperrminorität.

(…)

3. Sein Verhalten ließ in den Monaten zuvor jede Bereitschaft zu einer ersprießlichen Zusammenarbeit in der Gesellschaft vermissen und am 3. Juni 2013 auch künftig nicht mehr erwarten. Dass das qualifizierte Mehrheitserfordernis in § 7 Abs. 2 der Satzung der Beklagten – 3/4-Mehrheit für jegliche Beschlussfassung der Gesellschafterversammlung – in Verbindung mit der numerischen Sperrminorität eines Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführers zu erheblichen Problemen in der Gesellschaft führen und bei Uneinigkeit der Gesellschafter die Geschäftsführung der Gesellschaft blockieren kann (vgl. BGH, Urteil vom 15. April 1985 – II ZR 274/83, Rn. 9), wurde vom Satzungsgeber wohl nicht gesehen und ist auch dem Kläger nicht vorzuhalten. Vorwerfbar ist dem Kläger jedoch sein in den ersten Monaten des Jahres 2013 offensichtlich abhandengekommener Wille, den sich aus der besonderen Konstellation ergebenden Schwierigkeiten mit Rücksicht auf die Interessen der Gesellschaft und übrigen Gesellschafter Rechnung zu tragen. Sein unter I. gewürdigtes Verhalten lässt keine Rücksichten auf die anderen Gesellschafter erkennen, die zwar über eine deutliche Mehrheit der Stimmen verfügten, nur eben nicht über die qualifizierte. Dass ihm aus seiner bevorrechtigten Stellung eines Minderheitsgesellschafters eine besondere – auch ´horizontale´ Treuepflicht erwuchs, hat der Kläger – bis heute – nicht anerkannt. Sein Stimmprivileg und seine sich daraus ergebenden Handlungsmöglichkeiten hat er über die Generalkompetenz der Gesellschafterversammlung gestellt und den körperschaftsimmanenten Grundsatz der Verbandssouveränität missachtet. Weisungen seitens der Gesellschafterversammlung, die seinen Vorstellungen zuwiderliefen, wollte er sich grundsätzlich nicht unterwerfen. Folgerichtig sah er sein Handeln als Geschäftsführer jeder Kontrolle durch die Gesellschafter entzogen. In dem Bewusstsein seiner Sperrminorität hat er sich – obwohl nur Minderheitsgesellschafter mit einer Beteiligung von 21,2% des Stammkapitals – über den geäußerten Willen der Gesellschafter-Mehrheit mehrfach hinweggesetzt und damit letztlich zum Ausdruck gebracht, die Beklagte ähnlich einer Einpersonen-Gesellschaft führen zu wollen. ´Etwaige entgegengesetzte Vorstellungen einer nicht das Quorum des § 7 Abs. 2 der Satzung der Beklagten erreichenden Gesellschaftermehrheit´ hat er für ´unbeachtlich´ erklärt. All dies hielt und hält der Kläger für richtig. Mit dieser befremdlichen – in seinem Geschäftsführer-Handeln tatsächlich gelebten und insoweit vorwerfbaren – Vorstellung des Klägers vom Funktionieren einer personalistisch ausgestalteten GmbH war eine ersprießliche Zusammenarbeit mit den übrigen Gesellschaftern nicht mehr zu erwarten; der Verbleib des Klägers in der Gesellschaft widersprach deshalb dem essentiellen Interesse der Beklagten.

(…)

Der Hinweis des Klägers auf § 5 Abs. 5 der Satzung, der für bestimmte Maßnahmen des Geschäftsführers einen Zustimmungsvorbehalt der Gesellschafterversammlung vorsieht, greift nicht durch. Der Maßnahmenkatalog ist nicht abschließend und bedeutet deshalb nicht, dass der Geschäftsführer in all den dort nicht aufgeführten Fällen die Gesellschafterversammlung nicht einberufen muss. Was für die Gesellschaft bedeutsam ist, ihren Interessen zuwider sein kann und dem Willen der Gesellschafter-Mehrheit widerspricht, gehört in der Gesellschafterversammlung erörtert. Auf die hier in Rede stehenden Maßnahmen des Klägers trifft dies zu. Die Unternehmungen des Klägers waren darauf gerichtet, seine privilegierte Stellung als Minderheitsgesellschafter mit Sperrminorität weiter zu festigen. Das Gegenteil davon lag im Interesse der Beklagten, weil deren Verbandssouveränität durch das konsequente und allein mit der Unmöglichkeit, ihm Weisungen zu erteilen, gerechtfertigte Übergehen der Gesellschafterversammlung durch den Kläger erheblich verletzt wurde. Das, was der Kläger vorhatte, war darauf gerichtet, im gesellschaftlichen Geflecht der Beklagten und ihrer Beteiligungen noch freier und wirksamer agieren zu können. Dies wollte die Gesellschaftermehrheit der Beklagten gerade nicht. Deshalb musste der Kläger die Gesellschafterversammlung einberufen und nach Zustimmung seiner Handlungen fragen. Die Gesellschafterversammlung dient dazu, dass Argumente ausgetauscht werden und insbesondere auch Minderheiten zu Wort kommen, um ihnen Gelegenheit zu geben, zu überzeugen und sich durchzusetzen. Auch der Geschäftsführer, der entgegenstehende Weisungen wegen eigener Stimmenmehrheit nicht fürchten muss, darf die Gesellschafterversammlung nicht übergehen, wenn er mit Widerständen in der Gesellschaft gegen sein Handeln rechnen muss, zumal wenn sein Handeln erkennbar nicht im Interesse der Gesellschaft liegt.“

Ergänzende Hinweise

Im Ergebnis hat das Gericht die sofortige Abberufung des Geschäftsführers, die fristlose Kündigung seines Dienstvertrages sowie die Einziehung seiner Geschäftsanteile (in einer Gesamtschau der Pflichtverletzungen) bestätigt.

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Dr. Mario Hoffmann
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

Mail: dresden@etl-rechtsanwaelte.de


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