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Stille Gesellschaft zwischen dem Angehörigen eines freien Berufs und seinem minderjährigen Kind

Stille Gesellschaft zwischen dem Angehörigen eines freien Berufs und seinem minderjährigen Kind
Aktuelles
01.04.2022

Stille Gesellschaft zwischen dem Angehörigen eines freien Berufs und seinem minderjährigen Kind

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden (BFH, Urt. v. 23.11.2021 – VIII R 17/19:

„1. Ein zwischen dem Angehörigen eines freien Berufs und seinem minderjährigen Kind zivilrechtlich wirksam geschlossenes, als stille Gesellschaft bezeichnetes Gesellschaftsverhältnis führt –da es an einem Handelsgewerbe i.S. des § 230 HGB fehlt– zur Entstehung einer Innengesellschaft bürgerlichen Rechts, die einer stillen Gesellschaft einkommensteuerlich gleichsteht.

2. Eine solche Innengesellschaft bürgerlichen Rechts zwischen nahen Angehörigen kann steuerlich auch dann anerkannt werden, wenn die Beteiligung oder die zum Erwerb der Beteiligung aufzuwendenden Mittel dem in die Gesellschaft aufgenommenen Angehörigen unentgeltlich zugewendet worden sind. Voraussetzung ist jedoch, dass die Vereinbarungen einem Fremdvergleich standhalten, d.h. sie müssen zivilrechtlich wirksam sein, inhaltlich dem unter fremden Dritten Üblichen entsprechen und auch wie unter fremden Dritten vollzogen werden.

3. Bei der Prüfung der Frage, ob der geschlossene Vertrag wie zwischen fremden Dritten vollzogen wird, kommt insbesondere der Umsetzung bzw. dem Vollzug der Einlagebestimmungen, den Gewinnbeteiligungsregelungen und der Beachtung der Informations- und Kontrollrechte Bedeutung zu.“

In den Entscheidungsgründen heißt es weiter:

„c) Gesellschaftsverträge zwischen nahen Angehörigen können nach der Rechtsprechung des BFH auch dann anerkannt werden, wenn die Beteiligung oder die zum Erwerb der Beteiligung aufzuwendenden Mittel dem in die Gesellschaft aufgenommenen Angehörigen unentgeltlich zugewendet worden sind. Dies gilt aber nur unter der Voraussetzung, dass die vorgenannten Bedingungen für die Anerkennung erfüllt sind (vgl. z.B. BFH-Urteile in BFH/NV 2016, 1559, und in BFHE 246, 349).

aa) Dem inhaltlichen Fremdvergleich halten zwischen Eltern und Kindern abgeschlossene Verträge über eine Innengesellschaft stand, wenn dem Kind nach dem Gesellschaftsvertrag und den ergänzenden gesetzlichen Vorschriften wenigstens annäherungsweise diejenigen Rechte eingeräumt werden, die im Vergleich einem stillen Gesellschafter nach dem Regelstatut der §§ 230 ff. HGB typischerweise zukommen (vgl. z.B. BFH-Urteil in BFH/NV 2003, 1547, m.w.N.). Einschränkungen dieser Rechte, insbesondere hinsichtlich der Gewinnauszahlung, der Kontroll- und Informationsrechte oder aber der Kündigungsmöglichkeiten (vgl. z.B. BFH-Urteile in BFH/NV 2003, 1547; vom 25.09.1969 – IV R 179/68, BFHE 97, 298, BStBl II 1970, 114; vom 22.01.1970 – IV R 178/68, BFHE 98, 205, BStBl II 1970, 416; in BFHE 164, 238, BStBl II 1995, 449; in BFHE 158, 16, BStBl II 1990, 10; vgl. auch Buge in Herrmann/Heuer/Raupach –HHR–, § 20 EStG Rz 169, m.w.N.; Fleischer/Thierfeld, Stille Gesellschaft im Steuerrecht, 9. Aufl., 65, Rz 2.6.3., jeweils m.w.N.) können –je nach Ausgestaltung– ebenso zur Nichtanerkennung der Innengesellschaft führen wie Widerrufs- oder Rückfallklauseln (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 27.01.1994 – IV R 114/91, BFHE 174, 219, BStBl II 1994, 635; vom 16.05.1989 – VIII R 196/84, BFHE 157, 508, BStBl II 1989, 877, m.w.N.). Danach sind auch dann, wenn die Beteiligung dem Angehörigen zivilrechtlich wirksam unentgeltlich zugewendet worden ist, die im Rahmen der Schenkung getroffenen Bestimmungen in die Gesamtwürdigung einzubeziehen, wenn diese Einschränkungen der Gesellschafterrechte zur Folge haben. Im Rahmen der steuerlichen Gesamtwürdigung können auch die Motive, die zur Gründung der Gesellschaft geführt haben, berücksichtigt werden. Dies gilt insbesondere im Zusammenhang mit der Würdigung einzelner, die Rechte eines beteiligten Kindes beschränkender Vertragsbestimmungen (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2003, 1547, unter II.4.a).

bb) Bei der Prüfung der Frage, ob der geschlossene Vertrag wie zwischen fremden Dritten vollzogen wird, kommt insbesondere der Umsetzung bzw. dem Vollzug der Einlagebestimmungen, den Gewinnbeteiligungsregelungen und der Beachtung der Informations- und Kontrollrechte Bedeutung zu. In diesem Zusammenhang kann auch der Tatsache, dass die beteiligten Kinder minderjährig sind, Bedeutung beizumessen sein. Übt ausschließlich der Unternehmer selbst die dem minderjährigen Kind zustehenden Informations- und Kontrollrechte aus, ist dies im Rahmen der Gesamtwürdigung ebenso zu berücksichtigen wie die Tatsache, dass der Unternehmer die auf ein Konto des minderjährigen Kindes überwiesenen Gewinnbeteiligungen nicht wie fremdes, sondern wie eigenes Vermögen verwaltet (vgl. hierzu die Grundsätze zur Zurechnung von Einkünften aus Kapitalanlagen, die unentgeltlich minderjährigen Kindern übertragen wurden, z.B. BFH-Beschluss vom 03.03.2016 – VIII B 25/14, BFH/NV 2016, 1021).

2. Ausgehend von diesen Grundsätzen hält die vom FG vorgenommene Würdigung zur fremdüblichen Gestaltung und Durchführung der zwischen dem Kläger und seinen Kindern geschlossenen Gesellschaften einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Das FG hat bei seiner Würdigung wesentliche Einzelfallumstände, die für die Beurteilung der Fremdüblichkeit hätten abgewogen werden müssen, nicht berücksichtigt (vgl. z.B. BFH-Urteil in BFHE 263, 11, BStBl II 2019, 203, m.w.N.). Seine Entscheidung war daher aufzuheben.

a) Zwar ist das FG zutreffend davon ausgegangen, dass die Schenkungen und Gesellschaftsverträge zivilrechtlich wirksam sind (zu den Formerfordernissen z.B. Söhn in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 4 Rz E 1110 ff.; Kulosa, Der Betrieb 2014, 972, 973 ff.; Fleischer/Thierfeld, a.a.O., 59 ff., Rz 2.6.2.). Ebenso hat es ohne Rechtsfehler angenommen, dass die zivilrechtliche Wirksamkeit der zwischen dem Kläger und seinen Kindern geschlossenen Verträge nicht dadurch berührt wird, dass –entgegen der anderslautenden Bezeichnung der Vertragsbeteiligten– keine stillen Gesellschaften i.S. der §§ 230 ff. HGB entstehen konnten, weil der Kläger kein Handelsgewerbe betreibt, sondern Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG erzielt (vgl. BFH-Urteile vom 02.03.1995 – IV R 62/93, BFHE 177, 113, BStBl II 1995, 413; in BFH/NV 2003, 1547; vgl. auch HHR/Buge, § 20 EStG Rz 151; Levedag in Blaurock, Handbuch Stille Gesellschaft, 9. Aufl., Rz 20.7). Dieser Umstand führt lediglich dazu, dass eine (zivilrechtlich wirksame) Innengesellschaft bürgerlichen Rechts entstanden ist (vgl. BFH-Urteile in BFH/NV 2003, 1547; vom 21.09.1989 – IV R 126/88, BFH/NV 1990, 692), die einer stillen Gesellschaft einkommensteuerlich gleichsteht (vgl. HHR/Brandt, § 18 EStG Rz 20; Korn in Korn, § 18 EStG Rz 22).

b) Allerdings hält weder der vom FG durchgeführte inhaltliche Fremdvergleich der revisionsrechtlichen Prüfung stand, noch reichen seine Feststellungen zur Durchführung des vertraglich Vereinbarten aus, um die Versagung des streitigen Betriebsausgabenabzugs zu begründen.

aa) So hat sich das FG nicht hinreichend mit der Frage auseinandergesetzt, ob den Kindern des Klägers vertraglich wenigstens annäherungsweise diejenigen Rechte eingeräumt wurden, die einem stillen Gesellschafter nach dem Regelstatut der §§ 230 ff. HGB typischerweise zustehen. Seinen Ausführungen ist insbesondere nicht zu entnehmen, welche Regelungen als fremdüblich anzusehen sind und inwieweit sich im konkreten Streitfall Abweichungen ergeben. Zudem hat sich das FG weder mit der vertraglich vereinbarten Laufzeit noch mit den Kündigungsmöglichkeiten befasst. Die Regelungen zu den Folgen des Versterbens eines Vertragsbeteiligten, eines Inhaberwechsels und zur Auseinandersetzung nach Auflösung der Gesellschaft hat es ebenfalls nicht in seiner Würdigung berücksichtigt. Auch die im Rahmen der Schenkung bestimmten Widerrufsmöglichkeiten des Klägers, die u.a. dann bestehen, wenn der Erwerber ohne die Zustimmung des Klägers über seine stille Beteiligung ganz oder zum Teil verfügt, indem er sie z.B. belastet, hat das FG nicht in seine Betrachtung einbezogen.
Dem Umstand, dass dem Betrieb des Klägers im Zusammenhang mit der Gesellschaftsgründung keine zusätzlichen Mittel zugeflossen sind, hat das FG demgegenüber im Rahmen seiner Würdigung eine besondere Bedeutung beigemessen, ohne sich in diesem Zusammenhang mit der Rechtsprechung des BFH (Urteile in BFH/NV 2016, 1559, und in BFHE 246, 349) auseinanderzusetzen. Danach können Gesellschaftsverträge zwischen nahen Angehörigen auch dann anerkannt werden, wenn –wie im Streitfall– die Beteiligung oder die zum Erwerb der Beteiligung aufzuwendenden Mittel dem in die Gesellschaft aufgenommenen Angehörigen unentgeltlich zugewendet worden sind, sofern die vorgenannten Anerkennungsvoraussetzungen (vgl. oben unter III.1.a) erfüllt sind. Dies wäre geboten gewesen, da es der Zuführung von Mitteln gleich zu erachten sein kann, wenn vom Kapitalkonto des Geschäftsherrn Beträge zur Erfüllung der Einlageverpflichtungen der Gesellschafter umgebucht werden und diese während der Dauer der Gesellschaft der Verlustverrechnung unterliegen.

bb) Auch die Feststellungen zur Durchführung des vertraglich Vereinbarten sind lückenhaft. Das FG hat zwar festgestellt, dass der Kläger die Gewinnbeteiligungen auf Bankkonten der Kinder ausgezahlt hat. Unklar ist allerdings, ob dies jeweils nach Maßgabe der Vereinbarungen in § 4 des Gesellschaftsvertrags geschehen ist. Zur Ausübung der Informations- und Kontrollrechte führt das FG aus, faktisch habe sich der Kläger bis zur Volljährigkeit der Kinder selbst kontrolliert. Allerdings ist nicht ersichtlich, ob sich das FG insoweit tatsächlich mit der Vertragsdurchführung befasst oder –aufgrund der Minderjährigkeit der Kinder und einer (wohl) fehlenden, über die Gesellschaftsgründung hinausgehenden Bestellung eines Ergänzungspflegers– lediglich Mutmaßungen angestellt hat. Ebenfalls lückenhaft sind die Feststellungen des FG zu der Frage der freien Verfügbarkeit der Gewinnbeteiligungen für die Gesellschafter. Diese fehlt insbesondere auch dann, wenn die Auszahlung auf Konten der Kinder erfolgt, über die der Kläger verfügungsbefugt ist, und er das entsprechende Guthaben nicht tatsächlich wie fremdes Vermögen verwaltet, sondern wie eigenes Vermögen behandelt.

3. Die Sache ist nicht spruchreif. Sie war daher an das FG zurückzuverweisen, da dieses keinen Fremdvergleich anhand der vom BFH aufgestellten Kriterien (s. hierzu III.1.) vorgenommen hat. Die von der Vorinstanz bisher festgestellten Tatsachen lassen weder einen sicheren Schluss auf eine private noch auf eine betriebliche Veranlassung der Gewinnbeteiligungen zu. Das FG wird daher eine erneute Gesamtwürdigung vorzunehmen haben.

a) Hierzu weist der Senat darauf hin, dass insbesondere auch die Regelungen zum Widerrufsvorbehalt (Ziff. IV. der Schenkungserklärung) einer inhaltlichen Fremdvergleichsprüfung zu unterziehen sind. U.a. wird zu prüfen sein, ob die Bestimmung unter Ziff. IV.a zum Widerrufsrecht im Falle einer Verfügung des Erwerbers als fremdüblich anzusehen ist. Ebenso wird zu klären sein, ob die Widerrufsmöglichkeit für den Fall des Vorversterbens des Erwerbers (Ziff. IV.d) möglicherweise in Widerspruch zu der gesellschaftsvertraglichen Bestimmung zum Versterben des Gesellschafters in § 5 Abs. 2 des Vertrags steht, nach der die Erben des Gesellschafters berechtigt sind, das Gesellschaftsverhältnis fortzusetzen.
Das FG wird auch den tatsächlichen Vollzug der Auszahlung der Gewinnansprüche nach Maßgabe des § 4 des Gesellschaftsvertrags zu prüfen haben. Neben der Pünktlichkeit der Zahlungen wird –wegen der unterjährigen Gründung der Gesellschaft in Bezug auf die im Jahr 2009 für das Jahr 2008 gezahlten Gewinnansprüche– auch deren Höhe zu überprüfen sein. Ferner wird das FG die tatsächliche Ausübung der vertraglich vereinbarten Kontroll- und Informationsrechte und die tatsächliche Verwaltung der Konten der Kinder unter Berücksichtigung der dargelegten Grundsätze hinterfragen müssen.
Zweifelhaft erscheint, ob dem vom Kläger genannten Motiv, er habe seine Kinder an die Praxis bzw. den Beruf des Zahnarztes heranführen wollen, mit Blick auf das Alter der Kinder und die bestehenden berufsrechtlichen Zugangsbeschränkungen im Rahmen der Gesamtwürdigung der Anerkennungsvoraussetzungen wesentliche Bedeutung beigemessen werden kann.

b) Schließlich weist der Senat darauf hin, dass –wäre die Vertragsgestaltung und -durchführung nach Maßgabe der dargelegten Grundsätze als fremdüblich zu beurteilen– die Anerkennung des Betriebsausgabenabzugs nicht nach Maßgabe der Entscheidung des X. Senats (BFH-Urteil vom 21.10.1992 – X R 99/88, BFHE 170, 41, BStBl II 1993, 289) zu versagen ist. Die dortigen Erwägungen zu einer fehlenden endgültigen Vermögensverschiebung zwischen Schenker und Beschenktem in den Fällen einer stillen Beteiligung ohne Verlustbeteiligung bei schenkweiser Zuwendung des als Einlage zu verwendenden Geldbetrags sind nicht auf den Streitfall übertragbar. Anders als im Fall des X. Senats fehlt es im Streitfall an einer hinreichenden Vergleichbarkeit mit den Fällen, in denen ein Steuerpflichtiger seinen Kindern Geldbeträge zuwendet, die diese dem Vater sogleich wieder als „Darlehen“ zur Verfügung zu stellen haben. Schenkt der Kläger –wie im Streitfall– seinen Kindern zivilrechtlich wirksam die Einlage und vereinbart mit ihnen im Rahmen des fremdüblich ausgestalteten und vollzogenen Gesellschaftsvertrags nicht nur eine Gewinn-, sondern auch eine Verlustbeteiligung, so ist der Vollzug der schenkweisen Zuwendung der Einlage nicht auf den Zeitpunkt der Auflösung der (stillen) Gesellschaft verschoben.“

Ergänzende Hinweise

In dem durch den BFH entschiedenen Fall ging es um einen Zahnarzt, der seinen drei Kindern schenkweise jeweils eine stille Beteiligung an seiner Zahnarztpraxis eingeräumt hatte.

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Autor(en)


Jörg Hahn
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

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Dietrich Loll, LL.M.
Rechtsanwalt, Steuerberater

Mail: etlsteuerrecht-berlin@etl.de


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