Sitzverlegung einer GmbH in die Türkei
Das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken hat die Anerkennung einer grenzüberschreitenden Sitzverlegung einer GmbH in die Türkei abgelehnt (OLG Zweibrücken, Beschl. v. 11.07.2022 – 3 W 12/22, NJW-Spezial 2023, 47).
In den Entscheidungsgründen des Beschlusses des OLG heißt es:
„Zu Recht hat das Registergericht die Anmeldung der Sitzverlegung in die Türkei zurückgewiesen, weil nach § 4a GmbHG der Satzungssitz einer GmbH zwingend im Inland liegen muss.
Ebenso zu Recht hat es den nach Ansicht der Beschwerdeführerin bestehenden Herausformwechsel nicht anerkannt und die Eintragung der Löschung der GmbH abgelehnt.
Die Voraussetzungen für eine Löschung der GmbH im deutschen Handelsregister liegen nicht vor. Nach § 393 Abs. 1 FamFG ist das Erlöschen einer Firma gemäß § 31 Abs. 2 des Handelsgesetzbuchs von Amts wegen oder auf Antrag der berufsständischen Organe in das Handelsregister einzutragen. Erloschen ist eine Firma, wenn sie ihren Geschäftsbetrieb endgültig einstellt (BeckOGK/Maierhofer, 15.9.2021, HGB § 31 Rn. 36). Die Beschwerdeführerin macht hier aber keine Einstellung ihres Geschäftsbetriebs, sondern einen grenzüberschreitenden Formwechsel von einer deutschen GmbH in eine türkische Limited Sirketi geltend. Die Löschung kann demnach nicht nach § 393 Abs. 1 FamFG erfolgen.
Es besteht kein Anlass, § 393 Abs. 1 FamFG analog anzuwenden, da es schon an der für eine analoge Anwendung erforderlichen Regelungslücke mangelt. Für Umwandlungen gelten die Bestimmungen des Umwandlungsgesetzes, im Falle eines Formwechsels die §§ 190ff. UmwG.
Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin genügt die – vom Amtsgericht nicht übersehene – Eintragung im Handelsregister der Türkei nicht, um die Wirksamkeit des Formwechsels zu begründen. Hierbei beruft sich die Beschwerde auch ohne Erfolg auf die Regelungen des EU-Rechts, und die dazu ergangene Rechtsprechung des EuGH (´VALE´ und ´Polbud´), da diese ohnehin auf die Türkei nicht anzuwenden sind. Das angeführte Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei (64/733/EWG) enthält gerade keine Regelung zur Niederlassungsfreiheit von Gesellschaften.
Aber selbst unter Anwendung von EU-Recht und der Rechtsprechung des EuGH sind die Anforderungen eines grenzüberschreitenden Herausformwechsels nicht erfüllt. Vielmehr setzen grenzüberschreitende Umwandlungen die sukzessive Anwendung von zwei nationalen Rechtsordnungen voraus (EuGH, Urteil vom 12. Juli 2012 – C-378/10 –, ´VALE´, juris). Soweit aus Gründen der Freizügigkeit ein Formwechsel aus bzw. in das EU-Ausland rechtlich anerkannt ist, weil die Art. 49 AEUV und 54 AEUV, die die Niederlassungsfreiheit regeln, einen Mitgliedstaat, der für inländische Gesellschaften die Möglichkeit der Umwandlung vorsieht, verpflichten, dieselbe Möglichkeit auch Gesellschaften zu geben, die dem Recht eines anderen Mitgliedstaats unterliegen und sich in Gesellschaften nach dem Recht des erstgenannten Mitgliedstaats umwandeln möchten (EuGH, Urteil vom 12. Juli 2012 – C-378/10, NJW 2012, 2715; vgl. auch schon EuGH, Urteil vom 16. Dezember 2008 – C-210/06, NJW 2009, 569), sind dennoch die Anforderungen des deutschen Umwandlungsgesetzes zu erfüllen, die Umwandlung also im Ausgangspunkt nach den §§ 190 ff. UmwG zu beurteilen (Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Beschluss vom 7. Januar 2020 – 5 W 79/19 –, Rn. 19, juris).
Ob allerdings ein ´Herausformwechsel´ von einer deutschen GmbH in eine türkische Gesellschaftsform zulässig ist, braucht hier nicht entschieden zu werden, ebenso wenig wie die Frage, ob die unmittelbar für grenzüberschreitende Verschmelzungen geschaffenen drittschützenden Bestimmungen der §§ 122d, 122e UmwG analog zur Anwendung zu bringen sind (vgl. hierzu Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Beschluss vom 7. Januar 2020 – 5 W 79/19 –, Rn. 17, juris). Denn jedenfalls mangelt es hier schon an einem Umwandlungsbeschluss der Beschwerdeführerin sowie sämtlichen weiteren Voraussetzungen einer nach deutschem Recht wirksamen Umwandlung.“