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Schließen sich die Approbation einer Ärztin und das Merkzeichen „H“ (Hilflosigkeit) in einem Schwerbehindertenausweis per se aus?

Schließen sich die Approbation einer Ärztin und das Merkzeichen „H“ (Hilflosigkeit) in einem Schwerbehindertenausweis per se aus?
Frage des Tages
11.07.2024

Schließen sich die Approbation einer Ärztin und das Merkzeichen „H“ (Hilflosigkeit) in einem Schwerbehindertenausweis per se aus?

Nein, sagt das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 16.03.2023 – L 6 SB3065/22). Der Abschluss einer berufsqualifizierenden Ausbildung markiert grundsätzlich das Ende einer seit „Beginn der Frühförderung“ bestehenden Hilflosigkeit. Dass das Merkzeichen „H“ (Hilflosigkeit) über diesen Zeitpunkt hinaus fortbesteht, ist aufgrund besonderer Umstände im Einzelfall festzustellen.

Die Nichtzulassungsbeschwerde hat das Bundessozialgericht (BSG) mit Beschluss vom 18.09.2023 – (Az. B 9 SB 11/23 B) zurückgewiesen und ist damit dem Begehren der klagenden approbierten Ärztin auf Beibehaltung des Merkzeichens „H“ (Hilflosigkeit) im Schwerbehindertenausweis entgegengetreten.

In den Entscheidungsgründen heißt es:

„Das LSG hat wie zuvor bereits das SG entschieden, dass der Beklagte das Merkzeichen H bei der 1984 geborenen und seit dem Kleinkindalter an einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des Hörvermögens leidenden Klägerin zu Recht nicht mehr festgestellt hat, weil diese mit dem Abschluss des Studiums der Humanmedizin die Erstausbildung im Jahr 2020 im Alter von 36 Jahren abgeschlossen habe. Damit sei eine wesentliche Änderung der Verhältnisse iS des § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X eingetreten. Die Klägerin benötige zum Ausgleich ihrer Hörstörung hauptsächlich im beruflichen Bereich Unterstützung, was eine Hilflosigkeit in Sinne des Schwerbehindertenrechts in ihrem Fall aber nicht begründen könne. (…)Zur Ausbildung zählten der Schul-, Fachschul- und Hochschulbesuch, eine berufliche Erstausbildung und Weiterbildung sowie vergleichbare Maßnahmen der beruflichen Bildung. Der Abschluss einer berufsqualifizierenden Ausbildung markiere das Ende der seit „Beginn der Frühförderung“ bestehenden Hilflosigkeit. Von diesem Zeitpunkt an lasse sich Hilflosigkeit nicht mehr allgemein annehmen, sondern nur noch aufgrund besonderer Umstände im Einzelfall feststellen. (…)

Allerdings hat das BSG stets betont, dass Hilflosigkeit im Sinne des Schwerbehindertenrechts bei hörgeschädigten Personen im Einzelfall auch nach Abschluss einer Erstausbildung vorliegen kann, wenn besonderen Umstände (zB langzeitige berufliche Weiterbildung, Minderbegabung, geistige Behinderung oder zusätzliche Gesundheitsstörungen) einen zeitlich erheblichen weiteren Hilfebedarf begründen (BSG Urteil vom 24.11.2005 – B 9a SB 1/05 R – SozR 4-3250 § 69 Nr 3 RdNr 18; BSG Urteil vom 10.12.2003 – B 9 SB 4/02 R – juris RdNr 17; BSG Urteil vom 12.11.1996 – 9 RVs 9/95 – BSGE 79, 231 = SozR 3-3870 § 4 Nr 15 – juris RdNr 13 f). Letztere lägen im Fall der Klägerin, bei der auch nur geringgradige Störungen in der Sprachentwicklung bestünden, nicht vor.“

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Autor(en)


Katrin-C. Beyer, LL.M.
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Medizinrecht

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Dr. Uwe P. Schlegel
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