Säumniszuschläge sind rechtmäßig, wenn die Beratung des Steuerberaters im Sozialversicherungsrecht nicht überprüft wird!
Sozialrechtliche Statusfragen entstehen im Geschäftsalltag nicht selten. Ob für Gesellschafter-Geschäftsführer, freie Mitarbeiter, Familienangehörigen oder weitere Personengruppen Sozialversicherungsfreiheit besteht, wird regelmäßig an den Steuerberater herangetragen. Steuerberater haben starke sozialrechtliche Berührungspunkte, wenn für die Mandanten der Lohn und damit die Sozialbeiträge berechnet werden. In der sozialrechtlichen Betriebsprüfung wird von der Deutschen Rentenversicherung alle 4 Jahre die Abführung der Sozialbeiträge überprüft.
Das LSG Baden-Württemberg (LSG) hat mit Urt. v. 19.07.2022 – L 9 R 2663/20 – die Berechtigung von Säumniszuschlägen nach (fehlerhaftem) Handeln des Steuerberaters eindeutig bewertet:
„Arbeitgeber, die es im Falle der Delegation ihrer zentralen beitragsrechtlichen Pflichten auf einen Steuerberater unterlassen, dessen Handlungsweise zu hinterfragen, handeln schuldhaft.“
Ergänzende Hinweise des Anwalts für Sozialversicherungsrecht
Das Urteil des LSG hat für die Praxis weitreichende Konsequenzen.
Der entschiedene Fall war zunächst schnell zu klären. Ein Lkw-Fahrer ohne eigenen Lkw und ohne eine Lizenz nach § 3 Güterkraftverkehrsgesetz (GüKG) wurde als Selbständiger beauftragt. Die Rechnungen für die Leistungen wurden über die Handelsvertretung der Ehefrau an den Auftraggeber gestellt. Zugleich wurde zwischen dem Lkw-Fahrer und dem Auftraggeber ein Minijob von 200,00 Euro/Monat vereinbart. Hier wurde vom LSG entschieden, dass es sich um ein einheitliches Beschäftigungsverhältnis zum Auftraggeber handelte. In der konkreten Ausgestaltung der Tätigkeiten bestand zwischen dem über die Handelsvertretung abgerechneten Tätigwerden und der geringfügigen Beschäftigung keinerlei Unterschied. Diese Bewertung entspricht insoweit ständiger Rechtsprechung der Sozialgerichte.
Bemerkenswert sind demgegenüber die Aussagen des LSG zu der Frage des vorsätzlichen Handeln des Auftraggebers. Dieser hatte seinen Steuerberater als Zeuge dafür benannt, dass eine sozialrechtliche Beratung zum Sachverhalt erfolgt sei. Das LSG bewertete bereits die Tatsache, dass der Steuerberater die Umstände des Falles kannte und keine klärende Entscheidung des zuständigen Sozialversicherungsträgers einholte, als sorgfaltswidrig. Dieser Sorgfaltsverstoß wäre dem Arbeitgeber zuzurechnen. Darüber hinaus liegt ein eigenes Verschulden des Arbeitgebers vor, wenn die Bearbeitung zentraler beitragsrechtlicher Fragen durch den Steuerberater nicht nochmals anderweitig fachkundig geprüft wird. Der Arbeitgeber durfte nicht auf die sozialrechtlichen Bewertungen des Steuerberaters vertrauen. Hier bildet sich eine neue Qualität der Verschuldenszurechnung heraus (vgl. auch Bayerisches LSG, Urt. v. 05.04.2016 – L 5 KR 392/12).
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