Rücktritt vom unbeendeten Versuch bei einem Vorsatzwechsel
Siehe BGH, Urt. v. 13.12.2022 – 1 StR 408/21 [aus den Entscheidungsgründen]:
„§ 24 Abs. 1 Satz 1 StGB ermöglicht den Rücktritt vom – wie von dem Landgericht rechtsfehlerfrei angenommen – unbeendeten Versuch durch Aufgabe der weiteren Ausführung der Tat. Tat in diesem Sinne ist eine Straftat im Sinne eines materiell-rechtlichen Straftatbestandes, das heißt die in den gesetzlichen Straftatbeständen umschriebene tatbestandsmäßige Handlung und der tatbestandsmäßige Erfolg. Dementsprechend beschränkt sich beim unbeendeten Versuch der Entschluss, die weitere Tatausführung aufzugeben, auf die Verwirklichung der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale (vgl. BGH, Urteil vom 13. Februar 1985 – 3 StR 481/84, BGHSt 33, 142, 144; Beschluss vom 19. Mai 1993 – GSSt 1/93, BGHSt 39, 221, 230). Erforderlich ist insoweit, dass der Täter von der konkreten Tatbegehung endgültig Abstand genommen hat. Nicht aufgegeben ist die Tat, solange er mit dem Versuch ihrer Begehung lediglich vorübergehend innehält (BGH, Urteil vom 15. Juli 2021 – 3 StR 481/20 Rn. 20 mwN).
Maßgeblich ist das Vorstellungsbild des Täters nach dem Abschluss der letzten von ihm vorgenommenen Ausführungshandlung. Bei einem mehraktigen Geschehen, innerhalb dessen der Täter verschiedene Handlungen vornimmt, die auf die Herbeiführung eines strafrechtlich relevanten Erfolges gerichtet sind, kommt es auf das subjektive Vorstellungsbild des Täters nach jedem Einzelakt an (vgl. BGH, Urteile vom 19. März 2013 – 1 StR 647/12 Rn. 35 f. und vom 13. August 2015 – 4 StR 99/15 Rn. 7; jeweils mwN). Bilden jedoch die Einzelakte untereinander und mit der letzten Tathandlung ein durch die subjektive Zielsetzung des Täters verbundenes, örtlich und zeitlich einheitliches Geschehen, so ist für die Bestimmung des Rücktrittshorizonts allein die subjektive Sicht des Täters nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung maßgeblich (vgl. BGH, Urteile vom 8. Februar 2007 – 3 StR 470/06 Rn. 8 und vom 17. Februar 2016 – 2 StR 213/15 Rn. 18; Beschlüsse vom 3. Februar 2022 – 2 StR 317/21 Rn. 12 und vom 9. September 2014 – 4 StR 367/14 Rn. 6). Hierfür müssen die tatgerichtlichen Feststellungen und die sie tragenden Beweiserwägungen einen Vorsatzwechsel ausschließen und belegen, dass nach der subjektiven Zielsetzung des Täters ein solches einheitliches Geschehen anzunehmen ist (BGH, Beschluss vom 5. September 2019 – 4 StR 394/19 Rn. 6).“
Ergänzende Hinweise:
In dem durch den BGH entschiedenen Fall hatte der Täter drei Mal in den Rücken des Opfers gestochen. Ein Rücktritt von unbeendeten Versuch der Tötung ist nach Einschätzung des BGH möglich, wenn der Täter aufhört, die Tatwaffe (hier: Messer) weiter einzusetzen. Dagegen soll nicht unbedingt sprechen, dass der Täter im weiteren Tatgeschehen das Opfer schlägt und tritt.