Pflichten des Betreibers eines Pflegeheims, Bewohner vor einer Selbstschädigung zu schützen
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat wie folgt entschieden (BGH, Urt. v. 14.01.2021 – III ZR 168/19, NJW 2021, 1463 = MDR 2021, 294 = NZM 2021, 366 = FamRZ 2021, 549 = VersR 2021, 518):
„a) Bei der Beurteilung der Notwendigkeit von Vorkehrungen zur Verhinderung einer Selbstschädigung durch den Bewohner eines Pflegeheims ist maßgebend, ob im Einzelfall wegen der körperlichen oder geistigen Verfassung des Bewohners aus der ex-ante-Sicht ernsthaft damit gerechnet werden musste, dass er sich ohne Sicherungsmaßnahmen selbst schädigen könnte. Dabei muss auch dem Umstand Rechnung getragen werden, dass bereits eine Gefahr, deren Verwirklichung nicht sehr wahrscheinlich ist, aber zu besonders schweren Folgen führen kann, geeignet ist, Sicherungspflichten des Heimträgers zu begründen (Bestätigung und Fortführung der Senatsurteile vom 28. April 2005 – III ZR 399/04 , BGHZ 163, 53 und vom 22. August 2019 – III ZR 113/18 , BGHZ 223, 95 ).
b) Bei erkannter oder erkennbarer Selbstschädigungsgefahr darf ein an Demenz erkrankter Heimbewohner, bei dem unkontrollierte und unkalkulierbare Handlungen jederzeit möglich erscheinen, nicht in einem – zumal im Obergeschoss gelegenen – Wohnraum mit unproblematisch erreichbaren und einfach zu öffnenden Fenstern untergebracht werden. Ohne konkrete Anhaltspunkte für eine Selbstgefährdung besteht hingegen keine Pflicht zu besonderen (vorbeugenden) Sicherungsmaßnahmen.“
Ergänzende Hinweise
Der BGH hat in der Sache nicht selbst abschließend entschieden. Vielmehr hat er die Sache an die Vorinstanz, das Oberlandesgericht Hamm, zurückverwiesen. Der BGH rügt insbesondere, dass eine medizinisch fundierte Risikoprognose im Hinblick auf die durch ausgeprägte Demenzerscheinungen gekennzeichnete geistige und körperliche Verfassung des verstorbenen Heimbewohners unterblieben war.