Ist eine individualvertragliche Vereinbarung einer Quotenabgeltungsklausel in einem Wohnraummietvertrag denkbar?
Ja, das ist der Fall, meint der Bundesgerichtshof (BGH, Urt. v. 06.03.2024 – VIII ZR 79/22). In den Entscheidungsgründen des Urteils heißt es dazu:
„Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht jedoch angenommen, dass die Beklagte ihren zur Aufrechnung gestellten Zahlungsanspruch auch dann nicht mit Erfolg auf die Quotenabgeltungsklausel stützen kann, wenn diese zwischen den Parteien – was das Berufungsgericht offen gelassen hat und was daher zugunsten der Beklagten im Revisionsverfahren zu unterstellen ist – individualvertraglich vereinbart wurde. In diesem Fall ist die Vereinbarung einer Quotenabgeltungsklausel – anders als das Berufungsgericht gemeint hat – wirksam möglich.
(…) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts (unter Hinweis auf Schmidt-Futterer/Lehmann-Richter, Mietrecht, 15. Aufl., § 538 BGB Rn. 71, 60; nunmehr 16. Aufl., § 535 BGB Rn. 861, 856) folgt eine Unwirksamkeit der – unterstellt – individuell ausgehandelten Quotenabgeltungsklausel nicht aus der Bestimmung des § 556 Abs. 4 BGB. Hiernach ist bei der Vereinbarung von Betriebskosten eine zum Nachteil des Mieters von § 556 Abs. 1 BGB abweichende Vereinbarung unwirksam. Noch zutreffend folgert das Berufungsgericht hieraus, dass nur die enumerativ in der Betriebskostenverordnung aufgezählten Bewirtschaftungskosten als Betriebskosten, nicht jedoch andere Kosten, wie etwa (allgemeine) Verwaltungskosten, im Wege einer Vereinbarung nach § 556 Abs. 1 BGB, § 1 Abs. 1 BetrKV als Pauschale oder als Vorauszahlung auf den Mieter umgelegt werden können (vgl. Senatsurteil vom 19. Dezember 2018 – VIII ZR 254/17, NJW-RR 2019, 721 Rn. 13). Zu Unrecht hat das Berufungsgericht aber angenommen, dass die Vorschrift des § 556 Abs. 4 BGB jedwede Belastung des Mieters mit sonstigen Kosten, mithin auch solchen, die ihre Rechtsgrundlage in anderen Bestimmungen haben, ausschließt.
(…) Im Streitfall geht es – worauf die Revision zutreffend hinweist – nicht um die Übernahme von Betriebskosten nach Maßgabe des § 556 Abs. 1 BGB durch die Kläger. Deren hier in Rede stehende Pflicht zur anteiligen Tragung von Kosten noch nicht fälliger Schönheitsreparaturen hat ihre Grundlage nicht in § 556 Abs. 1 BGB. Hiervon ist offensichtlich auch das Berufungsgericht ausgegangen, da es ausgeführt hat, es handele sich vorliegend nicht ´um die Abwälzung von Betriebskosten im Sinne des § 556 Abs. 1 BGB´. Damit kann aber – anders als das Berufungsgericht angenommen hat – das Abweichungsverbot des § 556 Abs. 4 BGB von vornherein einer Auferlegung von Kosten für noch nicht fällige Schönheitsreparaturen auf die Kläger als Mieter nicht entgegenstehen.
Die Pflicht zur Ausführung von Schönheitsreparaturen und zur Tragung diesbezüglicher anteiliger Kosten aufgrund der Quotenabgeltungsklausel betrifft vielmehr die Instandhaltungs- und Instandsetzungspflicht aus § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB. Denn die Ausführung von Schönheitsreparaturen ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats ein Teil der – grundsätzlich den Vermieter treffenden (§ 535 Abs. 1 Satz 2 BGB) – Instandhaltungspflicht (vgl. Senatsurteile vom 28. Februar 2018 – VIII ZR 157/17, BGHZ 218, 22 Rn. 15; vom 8. Juli 2020 – VIII ZR 163/18, BGHZ 226, 208 Rn. 16, und VIII ZR 270/18, WuM 2020, 559 Rn. 16).
Die Bestimmung des § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB ist dispositiv (vgl. Senatsurteile vom 8. Juli 2020 – VIII ZR 163/18, aaO, und VIII ZR 270/18, aaO). Die Pflicht zur Ausführung von Schönheitsreparaturen kann deshalb sowohl im Wege Allgemeiner Geschäftsbedingungen – insoweit allerdings eingeschränkt (vgl. Senatsurteile vom 18. März 2015 – VIII ZR 185/14, BGHZ 204, 302 Rn. 15, 35; vom 22. August 2018 – VIII ZR 277/16, NJW 2018, 3302 Rn. 20; vom 8. Juli 2020 – VIII ZR 163/18, aaO Rn. 15) – als auch individualvertraglich (vgl. BT-Drucks. 14/4553, S. 40; Staudinger/V. Emmerich, BGB, Neubearb. 2021, § 535 Rn. 109; MünchKommBGB/Häublein, 9. Aufl., § 535 Rn. 146; BeckOK-Mietrecht/Siegmund, Stand: 1. November 2023, § 535 Rn. 5246; siehe auch Senatsurteil vom 7. Juni 1989 – VIII ZR 91/88, BGHZ 108, 1, 8 [zu Kleinreparaturklauseln]) auf den Mieter übertragen werden.
(…) Hiervon ausgehend kann nach der Rechtsprechung des Senats eine Quotenabgeltungsklausel zwar nicht im Wege Allgemeiner Geschäftsbedingungen wirksam zum Inhalt des Wohnraummietvertrags gemacht werden (siehe oben unter II 1). Sie kann jedoch – entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts – grundsätzlich individualvertraglich wirksam zwischen den Mietvertragsparteien vereinbart werden (vgl. bereits Senatsurteil vom 16. Juni 2010 – VIII ZR 280/09, NJW-RR 2010, 1310 Rn. 9; ebenso BeckOK-BGB/Zehelein, Stand: 1. November 2023, § 535 Rn. 445). Die Bestimmung des § 556 Abs. 4 BGB steht dem – wie ausgeführt – nicht entgegen. Anhaltspunkte für einen möglichen Verstoß der Quotenabgeltungsklausel gegen die Vorschriften der §§ 134, 138 BGB sind im Streitfall weder festgestellt noch sonst ersichtlich.
(…) Anders als das Berufungsgericht gemeint hat, ergibt sich Gegenteiliges nicht aus der Entscheidung des Senats zur Unwirksamkeit der Übertragung einer Verwaltungskostenpauschale im Wege des § 556 Abs. 1 BGB auf den Mieter (vgl. Senatsurteil vom 19. Dezember 2018 – VIII ZR 254/17, NJW-RR 2019, 721 Rn. 14). Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts und der Revisionserwiderung folgt hieraus nicht, dass ein Wohnraummieter in keinem Fall mit den Kosten von Instandhaltungs- oder Instandsetzungsmaßnahmen belastet werden kann. Derartige Kosten waren nicht Gegenstand der vorgenannten Senatsentscheidung, da die Verwaltungskosten, anders als die Schönheitsreparaturen, nicht der Instandhaltungs- beziehungsweise Instandsetzungspflicht des Vermieters im Sinne der – dispositiven – Bestimmung des § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB unterfallen, sondern ihrer Natur nach – nicht umlagefähige (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 BetrKV) – Betriebskosten sind (vgl. Senatsurteil vom 19. Dezember 2018 – VIII ZR 254/17, aaO Rn. 21). Als solche hatte sie der dortige Vermieter – vergeblich – versucht, im Wege des § 556 Abs. 1 BGB auf den Mieter zu übertragen.“