Ist eine arbeitgeberseitige Kündigung, die wegen einer durch den Arbeitnehmer erfolgten Ablehnung von Kurzarbeit erfolgt, unwirksam?
Nein, meint das Landesarbeitsgericht (LAG) Nürnberg (LAG Nürnberg, Urt. v. 18.03.2021 – 4 Sa 413/20 m. Anm. Glajcar in DB 2021, 2295).
In den Entscheidungsgründen heißt es:
„1. Entgegen der Ansicht der Klägerin verstößt die auf ihre Nichtannahme des Angebots der Vereinbarung zur Einführung von Kurzarbeit vom 23.03.2020 gestützte Kündigung nicht deshalb gegen § 612a BGB, weil die Klägerin infolge der zum Zeitpunkt des Änderungsangebots auf Grund der bereits zum 21.03.2020 erfolgten behördlichen Betriebsschließung einen unabdingbaren Vergütungsanspruch nach §§ 615 S. 1 und S. 3 BGB gehabt hätte. Die Klägerin hatte keinen Anspruch darauf, dass ihr die Beklagte im Rahmen der Vereinbarung über die Einführung der Kurzarbeit den vollen Lohnausgleich zusichert. Das Angebot der Beklagten zur Vereinbarung über die Einführung von Kurzarbeit vom 23.03.2020 erweist sich daher nicht als unerlaubte Maßregelung, weil es entgegen der Forderung der Klägerin keinen vollen Lohnausgleich vorsieht, so dass die auf die Ablehnung des Angebots gestützte Kündigung nicht gegen § 612a BGB verstößt.
a) Wie bereits das Arbeitsgericht ausgeführt hat, kann die auf die Ablehnung eines Änderungsangebotes gestützte Kündigung vor dem Hintergrund, dass – wie § 2 KSchG zeigt – eine Beendigungskündigung wegen der Ablehnung eines Änderungsangebotes sogar sozial gerechtfertigt sein kann, nicht schlechthin eine Maßregelung im Sinne des § 612a BGB sein. Dies kann nur unter besonderen Voraussetzungen gelten. Die Abgabe eines Änderungsangebotes durch den Arbeitgeber ist ebenso wie die Ablehnung dieses Angebotes durch den Arbeitnehmer Ausdruck der durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleisteten Vertragsfreiheit. Von dem besonderen Unwerturteil des § 612a BGB kann daher eine Kündigung, die auf die Ablehnung eines Änderungsangebotes durch den Arbeitnehmer gestützt ist, nur dann betroffen sein, wenn die Ausgestaltung des Änderungsangebots selbst sich als unerlaubte Maßregelung darstellt, sich also gewissermaßen als „Racheakt“ für eine zulässige Rechtsausübung durch den Arbeitnehmer darstellt. Für das Änderungsangebot selbst müssen daher die besonderen, auf das Motiv des Kündigenden bezogenen Voraussetzungen des § 612a BGB vorliegen (BAG, Urteil vom 22.05. 2003 – 2 AZR 426/02, Rn. 53, juris).
b) Daran fehlt es vorliegend. Die Klägerin verkennt, dass es legitimes Ziel der Einführung von Kurzarbeit ist, bei Arbeitsausfall gerade dem Annahmeverzugs- und Betriebsrisiko des Arbeitgebers zum Zwecke des Erhalts der Arbeitsplätze zu begegnen. Mit der Einführung von Kurzarbeit soll verhindert werden, dass der Arbeitgeber den Arbeitsausfall und das ihn ggf. vergütungsrechtlich nach Maßgabe des § 615 BGB treffende Annahmeverzugs- und Betriebsrisiko zum Anlass nimmt bzw. nehmen muss, sich von Mitarbeitern zu trennen. Arbeitsrechtlich ist unter Kurzarbeit die vorübergehende Kürzung des Volumens der regelmäßig geschuldeten Arbeitszeit bei anschließender Rückkehr zum vereinbarten Zeitumfang zu verstehen. Die Einführung von Kurzarbeit bedarf einer besonderen normativen oder einzelvertraglichen Grundlage (vgl. BAG vom 18.11.2015 – 5 AZR 491/14, Rn. 15 juris). Die wirksame Vereinbarung von Kurzarbeit hat also zur Folge, dass die regelmäßige Arbeitszeit des Arbeitnehmers im Umfang der vereinbarten Kurzarbeit vorübergehend verkürzt wird. In diesem Umfang tritt weder Annahmeverzug ein noch trägt der Arbeitgeber insoweit das Risiko des Arbeitsausfalls nach § 615 S. 3 BGB. Der Arbeitnehmer behält den Lohnanspruch (nur) in Höhe des Kurzarbeitergelds. Die Vergütungspflicht des Arbeitgebers entfällt somit nicht vollständig, was von Bedeutung ist, wenn ein Anspruch auf Kurzarbeitergeld gem. §§ 95 ff SGB III nicht besteht (vgl. BAG vom 22.04. 2009 – 5 AZR 310/08, Rn.12 juris). Es ist also nicht so, wie die Klägerin meint, dass im Falle der Kurzarbeit der volle Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers gem. § 615 S. 1 und 3 BGB bestehen bleibt, auf den das gezahlte Kurzarbeitergeld anzurechnen ist. Vielmehr besteht bei wirksam eingeführter Kurzarbeit der Vergütungsanspruch im Umfang der eingeführten Kurzarbeit (von vornherein) nur in Höhe des gesetzlichen Kurzarbeitergeldes. Bestehen – wie vorliegend – keine entsprechenden kollektivrechtlichen Vorgaben, ist der Arbeitgeber grundsätzlich frei in seiner Entscheidung, ob er den Arbeitnehmern einen Zuschlag zum Kurzarbeitergeld zahlt. Individualrechtlich kommt daher ein Anspruch auf Erhöhung des gesetzlichen Kurzarbeitergeldes nur in Betracht, wenn der Arbeitgeber freiwillig entsprechende Zusagen gemacht hat, etwa in der Form der Gesamtzusage oder der echten Individualzusage (vgl. Lunck/Hackethal NZA 2020, 837). Unerheblich ist, ob die Rechtslage in den Hinweisen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, die die Klägerin als Anlagen 4 und 5 (Bl. 11 und 12 d.A.) vorgelegt hat, tatsächlich anders dargestellt wird. Die Hinweise sind nicht rechtsverbindlich und weder für die Parteien noch für das Gericht bindend.
c) Die Beklagte war daher nicht verpflichtet, der Klägerin im Rahmen des Angebots der Vereinbarung zur Einführung von Kurzarbeit vom 23.03.2020 über die Höhe des Kurzarbeitergeldes hinaus vollen Lohnausgleich zuzusagen bzw. das Gegenangebot der Klägerin vom 24.03.2020, das eine entsprechende Verpflichtung der Beklagten enthält, anzunehmen. Es stand ihr vielmehr grundsätzlich frei, auf die bereits erfolgte behördliche Betriebsschließung zu reagieren, indem sie der Klägerin ein Angebot einer Vereinbarung über Kurzarbeit ohne vollen Lohnausgleich unterbreitet. Die Klägerin wiederum hatte keinen Anspruch darauf, dass ihr die Beklagte im Fall der Kurzarbeit vollen Lohnausgleich zusagt bzw. das darauf gerichtete Gegenangebot der Klägerin annimmt. Das Angebot der Beklagten zur Vereinbarung über die Einführung von Kurzarbeit vom 23.03.2020 erweist sich daher nicht als unerlaubte Maßregelung, so dass die auf die Ablehnung des Angebots gestützte Kündigung auch nicht gegen § 612a BGB verstößt.
2. Entgegen der Ansicht der Klägerin kommt es für die Frage, ob die Kündigung als verbotene Maßregelung gem. § 612a BGB unwirksam ist, nicht darauf an, ob die von der Beklagten angetragenen Regelungen zur Einführung der Kurzarbeit einer Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff BGB standhalten würden und ob die Vereinbarung, wenn sie zustande gekommen wäre, ggf. insgesamt unwirksam wäre (vgl. zu den Mindestanforderungen, die für die Wirksamkeit einer Betriebsvereinbarung über die Anordnung von Kurzarbeit erfüllt sein müssen: BAG vom 18.11.2015 – 5 AZR 491/14, Rn. 15 juris). Wie bereits das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, würde sich auch in diesem Fall das Angebot nicht als unerlaubte Maßregelung in Form eines Racheaktes darstellen. Hinzukommt, dass die Klägerin das Angebot der Beklagten gegenüber allein mit der Begründung abgelehnt hat, dass die Beklagte der Klägerin keinen vollen Lohnausgleich zugesichert hat und nicht etwa (auch) deshalb, weil die von der Beklagten angetragenen Regelungen zur Einführung von Kurzarbeit (auch) im Übrigen gegen die §§ 307 ff BGB verstießen bzw. diese (auch) im Übrigen unwirksam seien. Vielmehr hat sie sich ausdrücklich mit der Beantragung von Kurzarbeitergeld durch die Beklagte einverstanden erklärt und auch im Verfahren darauf hingewiesen, mit der Anordnung von Kurzarbeit selbst einverstanden gewesen zu sein. Etwaige mit der Unwirksamkeit der Regelungen im Zusammenhang stehende Rechte hat die Klägerin daher vor der Kündigung nicht iSd. § 612a BGB ´ausgeübt´.
3. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die von der Beklagten angebotene Vereinbarung zur Einführung von Kurzarbeit vom 23.03.2020 wegen des darin nicht vorgesehenen Lohnausgleichs weder sittenwidrig iSd. § 138 BGB noch verstößt sie gegen ein gesetzliches Verbot iSd § 134 BGB, weil der Lohnanspruch nach § 615 BGB unter die Grenze des Mindestlohns ´heruntergefahren´ werde. Auch unter diesen Gesichtspunkten ist die auf die Ablehnung des Angebots gestützte Kündigung nicht unwirksam.“