Ist die HOAI trotz Verstoß gegen Europarecht weiterhin anwendbar?
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat sich erneut mit der HOAI (Honorarordnung für Architekten und Ingenieure v. 10.07.2013, BGBl. I S. 2276, die durch Art. 1 der Verordnung v. 02.12.2020, BGBl. I S. 2636, geändert worden ist) befasst (EuGH, Urt. v. 18.01.2022 – C-261/20). Trotz bereits festgestellter Unionsrechtswidrigkeit der Regelung über die Mindesthonorare von Architekten in Deutschland sind nach Einschätzung des EuGH nationale Gerichte, bei denen ein Rechtsstreit zwischen Privatpersonen anhängig ist, nicht allein aufgrund des Europarechts verpflichtet, die HOAI unangewendet zu lassen. Die infolge der europarechtswidrigen Anwendung der HOAI geschädigte Partei habe aber gegebenenfalls einen Anspruch auf Schadenersatz gegenüber der öffentlichen Hand.
Im Urteil des EuGH heißt es zusammenfassend:
„Das Unionsrecht ist dahin auszulegen, dass ein nationales Gericht, bei dem ein Rechtsstreit anhängig ist, in dem sich ausschließlich Privatpersonen gegenüberstehen, nicht allein aufgrund dieses Rechts verpflichtet ist, eine nationale Regelung unangewendet zu lassen, die unter Verstoß gegen Art. 15 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. g und Abs. 3 der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt Mindesthonorare für die Leistungen von Architekten und Ingenieuren festsetzt und die Unwirksamkeit von Vereinbarungen vorsieht, die von dieser Regelung abweichen, jedoch unbeschadet zum einen der Möglichkeit dieses Gerichts, die Anwendung der Regelung im Rahmen eines solchen Rechtsstreits aufgrund des innerstaatlichen Rechts auszuschließen, und zum anderen des Rechts der durch die Unvereinbarkeit des nationalen Rechts mit dem Unionsrecht geschädigten Partei, Ersatz des ihr daraus entstandenen Schadens zu verlangen.“