Ist der GmbH-Geschäftsführer als Arbeitnehmer einzustufen und sind demnach die Arbeitsgerichte für Rechtsstreitigkeiten zuständig?
Siehe dazu etwa LAG Köln, Beschl. v. 13.12.2019 – 9 Ta 186/19:
Die sofortige Beschwerde der Beklagten ist begründet. Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist nicht eröffnet.
1.) Denn der Kläger war kein Arbeitnehmer iSd. § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG.
a) Nach dieser Vorschrift sind die Gerichte für Arbeitssachen ua. ausschließlich zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG sind Arbeitnehmer Arbeiter und Angestellte sowie die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten. Auszugehen ist dabei nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vom allgemeinen nationalen und nicht von einem unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff (BAG, Beschluss vom 08. September 2015 – 9 AZB 21/15 -, Rn. 13, juris). Die Frage des Zugangs zu den Gerichten für Arbeitssachen und der Abgrenzung der Zuständigkeitsbereiche der nationalen Gerichte fällt nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts. Das Arbeitsgerichtsgesetz basiert nicht auf Unionsrecht und setzt dieses nicht um.§ 5 ArbGG liegt keine unionsrechtliche Bestimmung zugrunde. Durch dieses Verständnis wird dem Dienstverpflichteten ein ggf. unionsrechtlich vermittelter Schutz nicht versagt. Der unionsrechtliche Arbeitnehmerbegriff ist in Bereichen, in denen Unionsrecht anzuwenden ist, das nicht auf den Arbeitnehmerbegriff des nationalen Rechts verweist, unabhängig davon zu beachten, ob der Rechtsstreit vor den Gerichten für Arbeitssachen oder den ordentlichen Gerichten geführt wird (BAG, Beschluss vom 21. Januar 2019 – 9 AZB 23/18 -, Rn. 13 – 14, juris).
b) Der Kläger war als Geschäftsführer der Beklagten seit dem 15.06.2016 nicht mehr auf der Grundlage eines Arbeitsvertrages für sie tätig.
aa) Denn die Parteien hatten das zuvor bestehende Arbeitsverhältnis im Geschäftsführervertrag ausdrücklich aufgelöst. Der Kläger war nicht mehr iSd. § 611a Abs. 1 Satz 1 BGB im Dienste der Beklagten zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet. Sein Geschäftsführervertrag war vielmehr ein auf die Ausübung des Geschäftsführeramts gerichteter Dienstvertrag (vgl. BAG, Beschluss vom 21. Januar 2019 – 9 AZB 23/18 -, Rn. 24, juris; BAG, Beschluss vom 15. November 2013 – 10 AZB 28/13 -, Rn. 18, juris), der diejenigen Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien regelte, die nicht bereits durch die organschaftliche Stellung des Klägers als Geschäftsführer vorgegeben waren (vgl. BGH, Urteil vom 10. Mai 2010 – II ZR 70/09 -, Rn. 7, juris). Unerheblich ist, dass der Kläger mit Herrn Dr. Steinmann einen starken Anteilseigner und weiteren Geschäftsführer neben – und ausweislich des von ihm vorgelegten Organigramms sogar über – sich hatte, von dem die konkrete Geschäftstätigkeit bestimmend mitgestaltet wurde. Es kommt nämlich nicht entscheidend darauf an, welchen Gebrauch der GmbH-Geschäftsführer im Innenverhältnis nach § 37 Abs. 1 GmbHG von seiner im Außenverhältnis wegen §§ 35, 37 Abs. 2 GmbHG unbeschränkten Vertretungsbefugnis machen darf. § 37 Abs. 1 GmbHG ist eine Norm zur Abgrenzung der Kompetenzen der Gesellschaftsorgane untereinander. Auch gegenüber einem Geschäftsführer als freiem Dienstnehmer steht der Gesellschaft ein unternehmerisches Weisungsrecht zu. Berücksichtigt man dies, kann eine Weisungsgebundenheit des GmbH-Geschäftsführers, die so stark ist, dass sie darüber hinaus auf einen Status des betroffenen GmbH-Geschäftsführers als Arbeitnehmer schließen lässt, nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts allenfalls in extremen Ausnahmefällen in Betracht kommen. Ein Arbeitsverhältnis setzt voraus, dass die Gesellschaft eine – über ihr gesellschaftsrechtliches Weisungsrecht hinausgehende – Weisungsbefugnis auch bezüglich der Umstände hat, unter denen der Geschäftsführer seine Leistung zu erbringen hat, und die konkreten Modalitäten der Leistungserbringung durch arbeitsbegleitende und verfahrensorientierte Weisungen bestimmen kann (BAG, Beschluss vom 21. Januar 2019 – 9 AZB 23/18 -, Rn. 24, juris).
bb) Ein solcher extremer Ausnahmefall
liegt hier nicht vor.
(1) Der Geschäftsführervertrag weist das Vertragsverhältnis nicht als Arbeitsverhältnis aus und begründet kein Weisungsrecht der Beklagten, das über ein gesellschaftsrechtliches hinausgeht. Ebenso wenig rechtfertigen die einzelnen von dem Kläger aufgestellten Behauptungen, mit denen er eine persönliche Abhängigkeit von Herrn Dr. S , dem Mehrheitsgesellschafter der Beklagten, begründet, die Annahme eines Ausnahmefalls iSd. der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Dies gilt auch bei einer Gesamtbetrachtung dieser Umstände. Beschränkungen der Geschäftsführerbefugnis sind dem GmbH-Recht immanent und können per se keine persönliche Abhängigkeit des Geschäftsführers begründen. Dies ergibt sich schon aus § 37 Abs. 1 GmbHG, wonach ein Geschäftsführer gegenüber der Gesellschaft verpflichtet ist, die Beschränkungen einzuhalten, die für den Umfang seiner Vertretungsbefugnis durch den Gesellschaftsvertrag oder durch die Beschlüsse der Gesellschafter festgesetzt sind. Die Gesellschafter können grds. jede Geschäftsführungsmaßnahme an sich ziehen. Eine Reihe von Entscheidungen behält § 46 GmbHG den Gesellschaftern sogar ausdrücklich vor. Sind Weisungen der Gesellschaft oder vertraglich vereinbarte Einschränkungen der Vertretungsbefugnis unzulässig, weil sie gegen das gesetzliche Leitbild der §§ 35, 37 GmbHG verstoßen, ist der Geschäftsführer nicht verpflichtet, sie zu beachten (BAG, Urteil vom 21. September 2017 – 2 AZR 865/16 -, Rn. 26, juris).
(2) Die Weisungsbefugnis der Gesellschafter haben die Parteien im Geschäftsführervertrag ausdrücklich klargestellt. So heißt es unter § 1 Abs. 4, dass der Geschäftsführer die Beschränkungen einhalten muss, die der Gesellschaftsvertrag, die Geschäftsordnung für die Geschäftsführung sowie die Beschlüsse und Weisungen der Gesellschafterversammlung getroffen haben. § 2Abs. 1 bestimmt, dass sich das Aufgabengebiet des Geschäftsführers ungeachtet der Gesamtverantwortung aller Geschäftsführer ua. auch aus den Weisungen der Gesellschafterversammlung ergibt. Für die gesetzliche Vertretung im Außenverhältnis sind Beschränkungen der Vertretungsmacht im Innenverhältnis ohnehin gem. § 37 Abs. 2 GmbHG ohne rechtliche Wirkung (BAG, Urteil vom 21. September 2017 – 2 AZR 865/16 -, Rn. 24, juris).
(3) Auch aus der tatsächlichen Handhabung des Geschäftsführervertrags ergibt sich nicht, dass der Kläger nach seiner Bestellung zum Geschäftsführer nach wie vor als Arbeitnehmer für die Beklagte tätig war. Davon kann selbst unter Zugrundelegung des – streitigen – Vortrags des Klägers nicht ausgegangen werden:
(3.1) Dass die Beklagte in Person von Herrn Dr. S dem Kläger nach seinem streitigen Vortrag konkrete Arbeitszeiten vorgegeben und seinen Wunsch, im Homeoffice zu arbeiten, abgelehnt hat, folgt nicht aus einer vertraglich begründeten Weisungsabhängigkeit des Klägers und belegt demgemäß keine persönliche Abhängigkeit, sondern bedeutet nur, dass sich der Kläger in diesem für die Ausführung der Geschäftsführeraufgaben nicht unwesentlichen Punkt mit seinen Wünschen nicht innerhalb der Geschäftsführung und gegenüber dem Mehrheitsgesellschafter hat durchsetzen können. Dass die Entscheidung über die Gehälter der übrigen Geschäftsführer und Arbeitnehmer ebenfalls bei Herrn Dr. S gelegen hat und dass Herr Dr. S den Kläger angewiesen hat, den Auftritt der Beklagten auf Messen und anderen Veranstaltung zu organisieren, dass EDV-System der Beklagten einzurichten und zu administrieren sowie das Mahnwesen zu unterhalten, das Büro aufzuräumen und das Lager sauber zu halten, spiegelt ebenfalls dessen Doppelstellung als Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter wider.
(3.2) Dass der Kläger Urlaubsanträge bei Herrn Dr. S einreichen und von diesem hat genehmigen lassen müssen, war für die Tätigkeit des Klägers nicht prägend und ist im Übrigen auch im Rahmen eines freien Dienstvertrages im Hinblick auf die Kontroll- und Informationsbedürfnisse der Gesellschafter sinnvoll und geboten (LAG Köln, Beschluss vom 30. August 2018 – 9 Ta 143/18 -, Rn. 17, juris). Der Umstand, dass der Kläger Spesenabrechnungen erstellen und Dienstreisen abrechnen musste, beruht ebenfalls nicht auf einer für ein Arbeitsverhältnis typischen persönlichen Abhängigkeit, sondern ist maßgeblich darauf zurückzuführen, dass nicht vermeidbare Kosten, die auf einer Dienstreise entstehen, entweder gegenüber der Beklagten oder über die Steuererklärung geltend gemacht machen werden können. In beiden Fällen ist bei der Spesenabrechnung exakt zu arbeiten. Sowohl unter buchhalterischen Gesichtspunkten als auch im Interesse einer Compliancekultur ist dementsprechend eine genaue Kontrolle angezeigt. Wie der Kläger selbst vorträgt, hat er für den Zahlungsverkehr den Zugang zu dem Zahlungssystem ProfiCash gehabt. Dass Zahlungen nur auf Anweisung von Herrn Dr. S vorgenommen wurden, ist dem Umstand geschuldet, dass der Kläger nicht alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer war und dass er seinen Aufgabenbereich als Geschäftsführer nicht ohne die Mitwirkung anderer Geschäftsführer bzw. Prokuristen hat ausfüllen können. Ein extremer Ausnahmefall, dass die Beklagte eine – über ihr gesellschaftsrechtliches Weisungsrecht hinausgehende – Weisungsbefugnis auch bezüglich der Umstände hat, unter denen der Kläger seine Leistung zu erbringen hatte, liegt insoweit nicht vor.
2.) Die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen lässt sich auch nicht damit begründen, dass die geltend gemachten Ansprüche lediglich auf eine arbeitsrechtliche Anspruchsgrundlage gestützt werden können (sog. sic-non-Fall).
a) Ein sog. sic-non-Fall liegt vor, wenn die Klage nur dann begründet sein kann, wenn das Rechtsverhältnis als Arbeitsverhältnis einzuordnen ist. In diesem Fall eröffnet bei streitiger Tatsachengrundlage die bloße Rechtsansicht der Klagepartei, es handele sich um ein Arbeitsverhältnis, den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen (BAG, Beschluss vom 21. Januar 2019 – 9 AZB 23/18 -, Rn. 20, juris). Die entsprechenden Tatsachenbehauptungen des Klägers sind in einem solchen Fall „doppelrelevant“, nämlich sowohl für die Rechtswegzuständigkeit, als auch für die Begründetheit der Klage (grundlegend BAG, Beschluss vom 24. April 1996 – 5 AZB 25/95 -, BAGE 83, 40-52, Rn. 34). Mit der Verneinung der Zuständigkeit wäre der Rechtsstreit auch in der Sache praktisch entschieden. Würde der Rechtsstreit verwiesen, so müsste das Gericht, wenn es der Begründung folgt, die zur Verweisung geführt hat, die Klage als unbegründet abweisen (BAG, Beschluss vom 3. Dezember 2014 – 10 AZB 98/14 -, Rn. 17, juris; BAG, Beschluss vom 24. April 1996 – 5 AZB 25/95 -, BAGE 83, 40-52, Rn. 37).
b) Zwar ist in allen Klageanträgen von einem Arbeitsverhältnis
die Rede. Jedoch ist bei lebensnaher Betrachtung und Auslegung der Anträge davon auszugehen, dass der Kläger über den engen Wortlaut der Anträge das Fortbestehen des Geschäftsführervertrags unabhängig davon geltend macht, ob das zwischen den Parteien bestehende Anstellungsverhältnis als Arbeitsverhältnis oder als freies Dienstverhältnis einzuordnen ist. Andernfalls wären die Anträge auch dann unbegründet, wenn kein Arbeitsvertrag vorliegt und das Vertragsverhältnis der Parteien gleichwohl fortbestehen würde. Im Hinblick auf diese weitreichende Rechtsfolge müsste der Kläger seinen Willen, sich gegen eine Beendigung des Geschäftsführervertrags nur dann zur Wehr zu setzen, wenn dieses Rechtsverhältnis ein Arbeitsverhältnis ist, klar artikulieren (vgl. Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 15. Mai 2018 – 9 Ta 16/17 -, Rn. 36 – 37, juris; insoweit ausdrücklich bestätigt durch BAG, Beschluss vom 21. Januar 2019 – 9 AZB 23/18 -, Rn. 19, juris). Das hat der Kläger jedoch nicht getan und würde wegen des Zeitverlusts auch nicht vor dem Hintergrund vernünftig erscheinen, dass er nach Klageabweisung nicht daran gehindert wäre, erneut vor dem zuständigen Landgericht Klage mit dem Ziel zu erheben, dass der Geschäftsführeranstellungsvertrag nicht aufgelöst wurde, sondern fortbesteht. (Gravenhorst, Anm. zu BAG, Beschluss vom 21. Januar 2019 – 9 AZB 23, jurisPR-ArbR 21/2019 Anm. 1).
c) Im vorliegenden Fall kann die Klage nicht nur dann begründet sein, wenn das Rechtsverhältnis der Parteien als Arbeitsverhältnis einzuordnen ist.