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Gegnerische Haftpflichtversicherung muss die Kosten einer pandemiebedingten Desinfektion des beschädigten Kfz zum Schutz vor dem Coronavirus tragen

Gegnerische Haftpflichtversicherung muss die Kosten einer pandemiebedingten Desinfektion des beschädigten Kfz zum Schutz vor dem Coronavirus tragen
Aktuelles
20.05.2021

Gegnerische Haftpflichtversicherung muss die Kosten einer pandemiebedingten Desinfektion des beschädigten Kfz zum Schutz vor dem Coronavirus tragen

Das Amtsgericht (AG) Frankenthal hat entschieden (AG Frankenthal, Urt. v. 09.04.2021 – 3a C 253/20):

„Lässt der Geschädigte sein verunfalltes Fahrzeug instand setzen, so kann er die angefallenen Kosten durch Vorlage der Reparaturrechnung wie vorliegend gegenüber dem Haftpflichtversicherer des Schädigers real abrechnen. Die durch das Autohaus (…) in Rechnung gestellten Reinigungskosten für die Desinfektion des Klägerfahrzeuges sind gem. § 249 Abs. 1 BGB erstattungsfähig. Gem. § 249 Abs. 1 BGB hat derjenige, der zum Schadensersatz verpflichtet ist, den Zustand herzustellen, der bestünde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Dabei kann der Geschädigte von der Ersetzungsbefugnis des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB Gebrauch machen und die Reparatur seines Fahrzeuges selbst veranlassen. Er kann danach, wenn bei der Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten ist, den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Nach einer unfallbedingten Reparatur sieht sich der Geschädigte regelmäßig einer Rechnung der Werkstatt ausgesetzt. Unerheblich erscheint in diesem Zusammenhang, ob er jene bereits ausgeglichen hat. Denn auch die Belastung mit einer Verbindlichkeit stellt einen ersatzfähigen Schaden dar, die mangelnde ausdrückliche Vereinbarung zwischen dem Geschädigten und der Werkstatt steht der Annahme eines Schadens ebenso wenig entgegen. Vielmehr sind die Desinfektionsmaßnahmen Teil der infolge des Unfalls in Auftrag gegebenen Reparatur und damit im Rahmen der Schadensregulierung konkludent vereinbart worden. Insofern hat der Geschädigte objektiv betrachtet einen Schaden, welchen er auf der Grundlage des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB geltend machen kann. Die seitens der Werkstatt vorgenommene und in Rechnung gestellte Desinfektionsmaßnahme ist für die Reparatur des klägerischen Fahrzeuges auch erforderlich gewesen. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH orientiert sich die Schadensbetrachtung nicht nur an objektiven Kriterien. Der Begriff der ´Erforderlichkeit´ Im Sinne des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB erweitert den Schadensbegriff um eine subjektive Komponente hinsichtlich der Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Geschädigten (BGH Urteil vom 26.05.1970 – VI ZR 168/68). Danach darf der Geschädigte diejenigen Kosten ersetzt verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und notwendig erscheinen (BGH Urteil vom 15.10.1991 – XI ZR 314/90). In diesem Zusammenhang wird auf die Hinweise des Robert-Koch-Instituts (https://www.rki.de/DE/content/InfAZ/N/neuartiges_coronavirus/steckbrief.html) verwiesen, wonach ´eine Übertragung durch kontaminierte Oberflächen (…) insbesondere in der unmittelbaren Umgebung der infektiösen Person nicht auszuschließen sei, da vermehrungsfähige SARS-COV-2-Viren unter Laborbedingungen auf Flächen einige Zeit infektiös bleiben´. Da im Rahmen der Reparatur das Fahrzeug des Geschädigten durch Dritte berührt wird, stellt die Desinfektion eine durchaus erforderliche Maßnahme dar, Corona-Viren auf den vermeintlich kontaminierten Oberflächen des Fahrzeuges unschädlich zu machen. Dabei gewährleistet das bloße Tragen von Schutzbekleidung keinen ausreichenden Schutz vor dem hochinfektiösen Corona-Virus. Wenngleich auch die teils ausufernden Empfehlungen der Bundes- und Landesregierung zur Vermeidung der Ausbreitung des Virus vermehrt Schutzmaßnahmen zeitigen, unterliegen Kfz-Werkstätten darüber hinaus ordnungsbehördlich überwachten Auflagen, wie der Desinfektion von Kundenfahrzeugen. Angesichts dieser Verpflichtung sind diese Schutzmaßnahmen bereits zur Aufrechterhaltung ihres Geschäftsbetriebes erforderlich. Unabhängig davon trägt der Schädiger auch das Werkstatt- und Prognose-Risiko, sodass sich die Werkstatt vielmehr als Erfüllungsgehilfe, § 278 BGB, des Schädigers erweist, dessen Haftpflichtversicherung für die Kosten der Schadensbehebung aufkommen muss. Dabei können dem Geschädigten, der regelmäßig Laie ist, keine Kenntnisse hinsichtlich betriebswirtschaftlicher Kalkulation von Reparaturwerkstätten unterstellt werden. Sofern die Reparaturrechnung mit dem eingeholten Sachverständigengutachten wie vorliegend im Wesentlichen übereinstimmt, besteht auch kein Anlass, jene anzuzweifeln. Von dem Geschädigten würde andernfalls in überzogener Form Expertenwissen verlangt, sodass in Folge dessen die Einholung eines Sachverständigengutachtens überflüssig wäre. Denn durch die Einholung eines solchen Schadensgutachtens soll dem Geschädigten überhaupt erst das notwendige Wissen über die erforderlichen Reparaturarbeiten verschafft werden (AG Landshut, Urteil vom 16.12.2020 – 4 C 1638/20). Anhaltspunkte für ein Auswahlverschulden des Klägers gem. § 254 BGB hinsichtlich der Werkstatt sind weder substantiiert dargetan noch ersichtlich. Die berechneten Desinfektionskosten sind auch kausal auf den Unfall zurückzuführen, denn nach der Äquivalenztheorie ist jede Handlung ursächlich, die nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass der Schaden in seiner konkreten Gestalt entfiele. Der Verkehrsunfall kann indes nicht gedanklich eliminiert werden, ohne dass die Reparatur und damit verbundenen Desinfektionsmaßnahmen, einschließlich deren Kosten wegfielen. Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass eine Pandemie ein außergewöhnliches Ereignis sei, denn der Zurechnungszusammenhang nach der Adäquanztheorie entfällt nur bei gänzlich unwahrscheinlichen Ereignissen. Dabei liegt es bei nunmehr ohne wesentliche, konzeptionell begründete Gegenmaßnahmen bestehender Pandemie nicht außerhalb aller Lebenswahrscheinlichkeit, dass es zu entsprechenden Schutzmaßnahmen kommt und angesichts der aktuell empfohlenen Hygienemaßnahmen der Geschädigte die Desinfektion seines Fahrzeuges nach einer Reparatur berechtigterweise erwarten kann. Die Reinigungskosten sind vorliegend auch in voller Höhe erstattungsfähig, denn eine Differenzierung von Kostenpositionen im Zuge der Instandsetzung sind mit dem Grundgedanken des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB nicht zu vereinbaren. Nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB soll den Geschädigten bei voller Haftung des Schädigers ein möglichst umfänglicher Schadensausgleich zukommen. Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich bei den Desinfektionskosten auch nicht um Gemeinkosten, denn in den Arbeitswerten und Stundensätzen für die Reparatur sind allenfalls die Kosten für die übliche Reinigung des Fahrzeuges inbegriffen. Anders als bei einfachen Reinigungsarbeiten verlangt die Desinfektion den Einsatz spezieller Mittel und hohe Sorgfalt. Zudem sind jene gerade aufgrund des Unfalls angefallen, da das Fahrzeug des Geschädigten ansonsten nicht in eine Werkstatt hätte verbracht werden müssen. Die vorgenannten Gründe rechtfertigen auch die durch den Sachverständigen in Rechnung gestellte Desinfektionspauschale in Höhe von € 5,80.“

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