25 Fragen und Antworten zum IfSG
Nachfolgend beantworten wir wichtige Fragen zum IfSG soweit diese im Zusammenhang mit dem Coronavirus von Bedeutung sind. Wir starten mit einer verkürzt formulierten Fragenübersicht. Daran schließt sich die ausführliche Beantwortung einer jeden Frage an.
Infolge der Coronavirus-Krise ist es in vielen Unternehmen aus unterschiedlichen Gründen zum Ausfall von Arbeitnehmern gekommen, sei es wegen eines Corona-Verdachts und einer anschließenden Quarantäne, sei es wegen einer tatsächlichen Infektion mit dem Corona-Virus oder wegen der Schließung von Kindergärten und Schulen. In allen diesen Fällen haben betroffene Arbeitgeber und Arbeitnehmer möglicherweise Anspruch auf Entschädigungszahlungen nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG).
- 56 IFSG sieht vor, dass wer als
- Ausscheider,
- Ansteckungsverdächtiger,
- Krankheitsverdächtiger oder als
- sonstiger Träger von Krankheitserregern
einem Beschäftigungsverbot nach dem Infektionsschutzgesetz unterliegt und dadurch Verdienstausfall erleidet, eine Entschädigung erhält. Dies gilt auch für diejenigen, die sich in einer behördlich angeordneten Quarantäne befinden.
Die Entschädigung bemisst sich nach dem Verdienstausfall. Als Verdienstausfall der Arbeitnehmer gilt das (Netto-)Arbeitsentgelt. Die Entschädigungszahlung ist für Arbeitnehmer von dem Arbeitgeber längstens für die Dauer von zehn Wochen an Stelle der zuständigen Behörde auszuzahlen.
Achtung: Die bisherige Höchstdauer des Entschädigungsanspruches wurde für jeden Sorgeberechtigten von sechs auf zehn Wochen, bei Alleinerziehenden auf bis zu zwanzig Wochen verlängert. Verdienstausfälle können so abgemildert werden. Voraussetzung ist, dass die Betroffenen keine anderweitige zumutbare Betreuung realisieren können, beispielsweise durch einen anderen Elternteil oder eine Notbetreuung in den Einrichtungen. Die Regelung wird zudem flexibilisiert, indem die Inanspruchnahme auch tagesweise erfolgen kann.
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Fragen im Zusammenhang mit Reiserückkehrern haben wir in einem eigenen Beitrag zusammengefasst.
Achtung: Unsere Antworten erfolgen nach bestem Wissen. Eine Gewähr für die Richtigkeit übernehmen wir nicht. Zahlreiche Fragen im Zusammenhang mit dem Coronavirus und dem IfSG sind derzeit nicht geklärt. Unsere Aussagen sind daher grundsätzlich zu hinterfragen. Dieser Beitrag wird laufend aktualisiert.
Hinweis: Die mit NEU gekennzeichneten Fragen wurden entweder in den letzten 7 Tagen zusätzlich eingefügt oder in den letzten 7 Tagen wesentlich geändert bzw. ergänzt.
Zum IfSG und den Regelungen im Zusammenhang mit dem Coronavirus siehe auch den Beitrag von Rixen in NJW 2020, 1097 ff.
Zur Entschädigung von Verdienstausfall während der Corona-Pandemie siehe den Beitrag von Stöß/Putzer in NJW 2020, 1465 ff.
Eufinger untersucht die Voraussetzungen des Entschädigungsanspruch nach § 56 IfSG, die Rechtsfolgen und Prozessuales in DB 2020, 1121 ff.
Rinze/Schwab, NJW 2020, 1905 ff. befassen sich mit Staatshaftungsansprüchen in Coronazeiten.
Fragen und Antworten zum Corona-Konjunkturpaket erhalten Sie auf der Internetseite der ETL.
Letzte Aktualisierung: 15. März 2021
Wir beginnen mit einer Fragenübersicht:
- Wofür steht die Abkürzung IfSG?
- Wie lautet 56 IfSG?
- Was ist der durch den Gesetzgeber mit 56 IfSG verfolgte Zweck?
- Was sind die wesentlichen Voraussetzungen für einen Anspruch nach 56 IfSG?
- Stellen die durch die Bundesländer angeordneten Verbote, bestimmte Betriebe zu öffnen, Tätigkeitsverbote im Sinne von 31 IfSG dar?
- Was versteht man unter dem Begriff der Quarantäne?
- Worauf stützen sich die durch die Bundesländer im Zusammenhang mit dem IfSG erlassenen, Grundrechte einschränkenden Maßnahmen?
- Ist 28 IfSG verfassungsgemäß?
- Wann hat der Arbeitgeber nach 56 IfSG Anspruch auf eine Entschädigungszahlung?
- Von welchem Zeitpunkt an steht dem Arbeitgeber die Zahlung nach 56 IfSG zu?
- Wie hoch ist die Entschädigung nach 56 IfSG?
- Ist die Zeit eines Tätigkeitsverbots auf den Erholungsurlaub anzurechnen?
- Wie ist das Verhältnis von 56 IfSG und § 616 BGB?
- Was ist, wenn der Arbeitnehmer in Kurzarbeit ist?
- Wann muss die Entschädigungszahlung nach 56 IfSG beantragt werden?
- Können betroffene Arbeitgeber Vorschüsse beantragen?
- Was ist bei generellen Maßnahmen der Bundesländer zur Eindämmung der Epidemie?
- NEU Steht dem Arbeitnehmer ein Entschädigungsanspruch zu, wenn er sich um sein Kind kümmern muss?
- Was ist, wenn das nicht erkrankte Kind eines Arbeitnehmers unter Quarantäne gestellt wird und der Arbeitnehmer niemanden hat, der sich um das Kind kümmern kann?
- Was ist, wenn ein Arbeitnehmer in ein als solches ausgewiesenen Risikogebiet fährt und nach Rückkehr in Deutschland unter Quarantäne gestellt wird?
- Was gilt, wenn der Arbeitnehmer sich im Urlaub im Ausland aufhält und während des Aufenthaltes wird das Reisegebiet zum Risikogebiet erklärt?
- Welche Formulare/Muster/Dokumente sind im Zusammenhang mit dem IfSG hilfreich?
- Wo finden gerichtliche Auseinandersetzungen über Ansprüche nach dem IfSG statt?
- Können Anträge auf Entschädigung auch online gestellt werden?
- Fallen Auszubildende unter § 56 IfSG?
Nun zur ausführlichen Beantwortung der Fragen:
Frage 1: Wofür steht die Abkürzung IfSG?
Die Abkürzung steht für das Infektionsschutzgesetz vom 20.07.2000 (BGBl. I S. 1045), das zuletzt durch Art. 3 des Gesetzes v. 27.03.2020 (BGBl. I S. 587) geändert worden ist.
Den Wortlaut des Gesetzes finden Sie, wenn Sie den Link anklicken.
Zum IfSG und den Regelungen im Zusammenhang mit dem Coronavirus siehe auch den Beitrag von Rixen in NJW 2020, 1097 ff.; zur Entschädigung von Verdienstausfall währen der Corona-Pandemie siehe den Beitrag von Stöß/Putzer in NJW 2020, 1465 ff.
Frage 2: Wie lautet § 56 IfSG?
- 56 IfSG ist eine zentrale Vorschrift des IfSG. Sie befasst sich mit Ansprüchen auf Entschädigung. Nachfolgend § 56 IfSG im Wortlaut:
- 56 Entschädigung
(1) Wer auf Grund dieses Gesetzes als Ausscheider, Ansteckungsverdächtiger, Krankheitsverdächtiger oder als sonstiger Träger von Krankheitserregern im Sinne von § 31 Satz 2 Verboten in der Ausübung seiner bisherigen Erwerbstätigkeit unterliegt oder unterworfen wird und dadurch einen Verdienstausfall erleidet, erhält eine Entschädigung in Geld. Das Gleiche gilt für Personen, die als Ausscheider, Ansteckungsverdächtige oder Krankheitsverdächtige abgesondert wurden oder werden, bei Ausscheidern jedoch nur, wenn sie andere Schutzmaßnahmen nicht befolgen können. Eine Entschädigung nach den Sätzen 1 und 2 erhält nicht, wer durch Inanspruchnahme einer Schutzimpfung oder anderen Maßnahme der spezifischen Prophylaxe, die gesetzlich vorgeschrieben ist oder im Bereich des gewöhnlichen Aufenthaltsorts des Betroffenen öffentlich empfohlen wurde, ein Verbot in der Ausübung seiner bisherigen Tätigkeit oder eine Absonderung hätte vermeiden können.
(1a) Werden Einrichtungen zur Betreuung von Kindern oder Schulen von der zuständigen Behörde zur Verhinderung der Verbreitung von Infektionen oder übertragbaren Krankheiten auf Grund dieses Gesetzes vorübergehend geschlossen oder deren Betreten untersagt und müssen erwerbstätige Sorgeberechtigte von Kindern, die das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder behindert und auf Hilfe angewiesen sind, in diesem Zeitraum die Kinder selbst betreuen, weil sie keine anderweitige zumutbare Betreuungsmöglichkeit sicherstellen können, und erleiden sie dadurch einen Verdienstausfall, erhalten sie eine Entschädigung in Geld. Anspruchsberechtigte haben gegenüber der zuständigen Behörde, auf Verlangen des Arbeitgebers auch diesem gegenüber, darzulegen, dass sie in diesem Zeitraum keine zumutbare Betreuungsmöglichkeit für das Kind sicherstellen können. Ein Anspruch besteht nicht, soweit eine Schließung ohnehin wegen der Schulferien erfolgen würde. Im Fall, dass das Kind in Vollzeitpflege nach § 33 des Achten Buches Sozialgesetzbuch in den Haushalt aufgenommen wurde, steht der Anspruch auf Entschädigung anstelle der Sorgeberechtigten den Pflegeeltern zu.
(2) Die Entschädigung bemisst sich nach dem Verdienstausfall. Für die ersten sechs Wochen wird sie in Höhe des Verdienstausfalls gewährt. Vom Beginn der siebenten Woche an wird sie in Höhe des Krankengeldes nach § 47 Abs. 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch gewährt, soweit der Verdienstausfall die für die gesetzliche Krankenversicherungspflicht maßgebende Jahresarbeitsentgeltgrenze nicht übersteigt. Im Fall des Absatzes 1a wird die Entschädigung abweichend von den Sätzen 2 und 3 in Höhe von 67 Prozent des dem erwerbstätigen Sorgeberechtigten entstandenen Verdienstausfalls für längstens sechs Wochen gewährt; für einen vollen Monat wird höchstens ein Betrag von 2 016 Euro gewährt.
(3) Als Verdienstausfall gilt das Arbeitsentgelt (§ 14 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch), das dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit nach Abzug der Steuern und der Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung oder entsprechenden Aufwendungen zur sozialen Sicherung in angemessenem Umfang zusteht (Netto-Arbeitsentgelt). Der Betrag erhöht sich um das Kurzarbeitergeld und um das Zuschuss-Wintergeld, auf das der Arbeitnehmer Anspruch hätte, wenn er nicht aus den in Absatz 1 genannten Gründen an der Arbeitsleistung verhindert wäre. Verbleibt dem Arbeitnehmer nach Einstellung der verbotenen Tätigkeit oder bei Absonderung ein Teil des bisherigen Arbeitsentgelts, so gilt als Verdienstausfall der Unterschiedsbetrag zwischen dem in Satz 1 genannten Netto-Arbeitsentgelt und dem in dem auf die Einstellung der verbotenen Tätigkeit oder der Absonderung folgenden Kalendermonat erzielten Netto-Arbeitsentgelt aus dem bisherigen Arbeitsverhältnis. Die Sätze 1 und 3 gelten für die Berechnung des Verdienstausfalls bei den in Heimarbeit Beschäftigten und bei Selbständigen entsprechend mit der Maßgabe, dass bei den in Heimarbeit Beschäftigten das im Durchschnitt des letzten Jahres vor Einstellung der verbotenen Tätigkeit oder vor der Absonderung verdiente monatliche Arbeitsentgelt und bei Selbständigen ein Zwölftel des Arbeitseinkommens (§ 15 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch) aus der entschädigungspflichtigen Tätigkeit zugrunde zu legen ist.
(4) Bei einer Existenzgefährdung können den Entschädigungsberechtigten die während der Verdienstausfallzeiten entstehenden Mehraufwendungen auf Antrag in angemessenem Umfang von der zuständigen Behörde erstattet werden. Selbständige, deren Betrieb oder Praxis während der Dauer einer Maßnahme nach Absatz 1 ruht, erhalten neben der Entschädigung nach den Absätzen 2 und 3 auf Antrag von der zuständigen Behörde Ersatz der in dieser Zeit weiterlaufenden nicht gedeckten Betriebsausgaben in angemessenem Umfang.
(5) Bei Arbeitnehmern hat der Arbeitgeber für die Dauer des Arbeitsverhältnisses, längstens für sechs Wochen, die Entschädigung für die zuständige Behörde auszuzahlen. Die ausgezahlten Beträge werden dem Arbeitgeber auf Antrag von der zuständigen Behörde erstattet. Im Übrigen wird die Entschädigung von der zuständigen Behörde auf Antrag gewährt.
(6) Bei Arbeitnehmern richtet sich die Fälligkeit der Entschädigungsleistungen nach der Fälligkeit des aus der bisherigen Tätigkeit erzielten Arbeitsentgelts. Bei sonstigen Entschädigungsberechtigten ist die Entschädigung jeweils zum Ersten eines Monats für den abgelaufenen Monat zu gewähren.
(7) Wird der Entschädigungsberechtigte arbeitsunfähig, so bleibt der Entschädigungsanspruch in Höhe des Betrages, der bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit an den Berechtigten auszuzahlen war, bestehen. Ansprüche, die Entschädigungsberechtigten wegen des durch die Arbeitsunfähigkeit bedingten Verdienstausfalls auf Grund anderer gesetzlicher Vorschriften oder eines privaten Versicherungsverhältnisses zustehen, gehen insoweit auf das entschädigungspflichtige Land über.
(8) Auf die Entschädigung sind anzurechnen
- Zuschüsse des Arbeitgebers, soweit sie zusammen mit der Entschädigung den tatsächlichen Verdienstausfall übersteigen,
- das Netto-Arbeitsentgelt und das Arbeitseinkommen nach Absatz 3 aus einer Tätigkeit, die als Ersatz der verbotenen Tätigkeit ausgeübt wird, soweit es zusammen mit der Entschädigung den tatsächlichen Verdienstausfall übersteigt,
- der Wert desjenigen, das der Entschädigungsberechtigte durch Ausübung einer anderen als der verbotenen Tätigkeit zu erwerben böswillig unterlässt, soweit es zusammen mit der Entschädigung den tatsächlichen Verdienstausfall übersteigt,
- das Arbeitslosengeld in der Höhe, in der diese Leistung dem Entschädigungsberechtigten ohne Anwendung der Vorschriften über das Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld bei Sperrzeit nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch sowie des § 66 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch in der jeweils geltenden Fassung hätten gewährt werden müssen.
Liegen die Voraussetzungen für eine Anrechnung sowohl nach Nummer 3 als auch nach Nummer 4 vor, so ist der höhere Betrag anzurechnen.
(9) Der Anspruch auf Entschädigung geht insoweit, als dem Entschädigungsberechtigten Arbeitslosengeld oder Kurzarbeitergeld für die gleiche Zeit zu gewähren ist, auf die Bundesagentur für Arbeit über.
(10) Ein auf anderen gesetzlichen Vorschriften beruhender Anspruch auf Ersatz des Verdienstausfalls, der dem Entschädigungsberechtigten durch das Verbot der Ausübung seiner Erwerbstätigkeit oder durch die Absonderung erwachsen ist, geht insoweit auf das zur Gewährung der Entschädigung verpflichtete Land über, als dieses dem Entschädigungsberechtigten nach diesem Gesetz Leistungen zu gewähren hat.
(11) Die Anträge nach Absatz 5 sind innerhalb einer Frist von zwölf Monaten nach Einstellung der verbotenen Tätigkeit, dem Ende der Absonderung oder nach dem Ende der vorübergehenden Schließung oder der Untersagung des Betretens nach Absatz 1a Satz 1 bei der zuständigen Behörde zu stellen. Dem Antrag ist von Arbeitnehmern eine Bescheinigung des Arbeitgebers und von den in Heimarbeit Beschäftigten eine Bescheinigung des Auftraggebers über die Höhe des in dem nach Absatz 3 für sie maßgeblichen Zeitraum verdienten Arbeitsentgelts und der gesetzlichen Abzüge, von Selbständigen eine Bescheinigung des Finanzamtes über die Höhe des letzten beim Finanzamt nachgewiesenen Arbeitseinkommens beizufügen. Ist ein solches Arbeitseinkommen noch nicht nachgewiesen oder ist ein Unterschiedsbetrag nach Absatz 3 zu errechnen, so kann die zuständige Behörde die Vorlage anderer oder weiterer Nachweise verlangen.
(12) Die zuständige Behörde hat auf Antrag dem Arbeitgeber einen Vorschuss in der voraussichtlichen Höhe des Erstattungsbetrages, den in Heimarbeit Beschäftigten und Selbständigen in der voraussichtlichen Höhe der Entschädigung zu gewähren..
Bereits das dem IfSG vorangegangene Gesetz, das Bundesseuchengesetz (BSeuchG) enthielt eine Regelung wie wir sie heute in § 56 IfSG haben. Dabei handelte es sich um § 49 BSeuchG. Die Norm wies einen im Wesentlichen mit § 56 IfSG identischen Inhalt auf (Stöß/Putzer, NJW 2020, 1465 mit weiteren Ausführungen).
Frage 3: Was ist der durch den Gesetzgeber mit § 56 IfSG verfolgte Zweck?
Die Norm folgt nach herrschender Auffassung Billigkeitserwägungen (Stöß/Putzer, NJW 2020, 1465, 1466). Sie verfolgt aus diesem Grund keinen umfänglichen Ausgleich der infolge staatlicher Maßnahmen durch den Einzelnen erlittener Schäden; damit geht es der Vorschrift eher um sozialpolitische Zwecke (Stöß/Putzer, a.a.O.).
Achtung: Dieser Standpunkt ist freilich umstritten, insbesondere mit Blick auf die Schließung zahlreicher Betriebe, angeordnet durch die Bundesländer.
Frage 4: Was sind die wesentlichen Voraussetzungen für einen Anspruch nach § 56 IfSG?
- Vorliegen eines beruflichen Tätigkeitsverbotes oder eine Quarantäne
- Anordnung der Maßnahme durch die zuständige Stelle/Behörde (vgl. 54 IfSG)
- Eigenschaft als sog. infektionsschutzrechtlicher Störer (Erkrankte, welche i.d.R. Ansprüche nach dem EntgeltFG besitzen, unterfallen nicht 56 IfSG!); eine Ausdehnung auf die durch die Maßnahmen der Bundesländern betroffenen Unternehmen als Nichtstörer ist umstritten (Einzelheiten bei Stöß/Putzer, NJW 2020, 1465, 1466 f.)
- Verdienstausfall
Frage 5: Was versteht man unter dem Begriff der Quarantäne?
Quarantäne ist nach der Entstehungsgeschichte des Gesetzes die insbesondere an Kranke, Krankheits- oder Ansteckungsverdächtige gerichtete Anordnung, sich in einem Krankenhaus oder in sonstiger geeigneter Art und Weise abzusondern und dort freiwillig zu verbleiben (siehe auch Rixen, NJW 2020, 1097, 1097 f.).
Sollte sich eine Person, freiwillig in Quarantäne begeben, ist das keine Quarantäne im Sinne des IfSG und es besteht demzufolge auch kein Entschädigungsanspruch nach IfSG. Gleiches gilt auch dann, wenn eine sog. Selbstisolation etwa auf dringenden ärztlichen Rat hin geschieht (Stöß/Putzer, NJW 2020, 1465, 1466).
Auch diejenigen Personen, die aus dem Ausland nach Deutschland heimkehren und einer allgemeinen Quarantäne von 14 Tagen unterliegen, sind keine Personen, die § 56 IfSG unterliegen (Stöß/Putzer, NJW 2020, 1465, 1467 mit weiteren Ausführungen zu dieser Fragestellung).
- 30 IfSG lautet:
- 30 Quarantäne
(1) Die zuständige Behörde hat anzuordnen, dass Personen, die an Lungenpest oder an von Mensch zu Mensch übertragbarem hämorrhagischem Fieber erkrankt oder dessen verdächtig sind, unverzüglich in einem Krankenhaus oder einer für diese Krankheiten geeigneten Einrichtung abgesondert werden. Bei sonstigen Kranken sowie Krankheitsverdächtigen, Ansteckungsverdächtigen und Ausscheidern kann angeordnet werden, dass sie in einem geeigneten Krankenhaus oder in sonst geeigneter Weise abgesondert werden, bei Ausscheidern jedoch nur, wenn sie andere Schutzmaßnahmen nicht befolgen, befolgen können oder befolgen würden und dadurch ihre Umgebung gefährden.
(2) Kommt der Betroffene den seine Absonderung betreffenden Anordnungen nicht nach oder ist nach seinem bisherigen Verhalten anzunehmen, dass er solchen Anordnungen nicht ausreichend Folge leisten wird, so ist er zwangsweise durch Unterbringung in einem abgeschlossenen Krankenhaus oder einem abgeschlossenen Teil eines Krankenhauses abzusondern. Ansteckungsverdächtige und Ausscheider können auch in einer anderen geeigneten abgeschlossenen Einrichtung abgesondert werden. Das Grundrecht der Freiheit der Person (Artikel 2 Abs. 2 Satz 2 Grundgesetz) kann insoweit eingeschränkt werden. Buch 7 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit gilt entsprechend.
(3) Der Abgesonderte hat die Anordnungen des Krankenhauses oder der sonstigen Absonderungseinrichtung zu befolgen und die Maßnahmen zu dulden, die der Aufrechterhaltung eines ordnungsgemäßen Betriebs der Einrichtung oder der Sicherung des Unterbringungszwecks dienen. Insbesondere dürfen ihm Gegenstände, die unmittelbar oder mittelbar einem Entweichen dienen können, abgenommen und bis zu seiner Entlassung anderweitig verwahrt werden. Für ihn eingehende oder von ihm ausgehende Pakete und schriftliche Mitteilungen können in seinem Beisein geöffnet und zurückgehalten werden, soweit dies zur Sicherung des Unterbringungszwecks erforderlich ist. Die bei der Absonderung erhobenen personenbezogenen Daten sowie die über Pakete und schriftliche Mitteilungen gewonnenen Erkenntnisse dürfen nur für Zwecke dieses Gesetzes verarbeitet werden. Postsendungen von Gerichten, Behörden, gesetzlichen Vertretern, Rechtsanwälten, Notaren oder Seelsorgern dürfen weder geöffnet noch zurückgehalten werden; Postsendungen an solche Stellen oder Personen dürfen nur geöffnet und zurückgehalten werden, soweit dies zum Zwecke der Entseuchung notwendig ist. Die Grundrechte der körperlichen Unversehrtheit (Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz), der Freiheit der Person (Artikel 2 Abs. 2 Satz 2 Grundgesetz) und das Grundrecht des Brief- und Postgeheimnisses (Artikel 10 Grundgesetz) werden insoweit eingeschränkt.
(4) Der behandelnde Arzt und die zur Pflege bestimmten Personen haben freien Zutritt zu abgesonderten Personen. Dem Seelsorger oder Urkundspersonen muss, anderen Personen kann der behandelnde Arzt den Zutritt unter Auferlegung der erforderlichen Verhaltensmaßregeln gestatten.
(5) Die Träger der Einrichtungen haben dafür zu sorgen, dass das eingesetzte Personal sowie die weiteren gefährdeten Personen den erforderlichen Impfschutz oder eine spezifische Prophylaxe erhalten.
(6) Die Länder haben dafür Sorge zu tragen, dass die nach Absatz 1 Satz 1 notwendigen Räume, Einrichtungen und Transportmittel zur Verfügung stehen.
(7) Die zuständigen Gebietskörperschaften haben dafür zu sorgen, dass die nach Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 notwendigen Räume, Einrichtungen und Transportmittel sowie das erforderliche Personal zur Durchführung von Absonderungsmaßnahmen außerhalb der Wohnung zur Verfügung stehen. Die Räume und Einrichtungen zur Absonderung nach Absatz 2 sind nötigenfalls von den Ländern zu schaffen und zu unterhalten.
Frage 6: Stellen die durch die Bundesländer angeordneten Verbote, bestimmte Betriebe zu öffnen, entschädigungspflichtige Maßnahmen nach IfSG dar?
- 56 IfSG scheidet nach einer Auffassung als Rechtsgrundlage aus. Begründet wird das u.a. damit, dass Tätigkeitsverbote im Sinne vom § 56 IfSG letztlich immer gegen eine (bestimmte) Privatperson richten müsse (so Stöß/Putzer, NJW 2020, 1465, 1466; Erdle, IfSG, 7. Aufl. 2020, § 56, Rn. 1; Reschke, DÖV 2020, 423, 425 f.; anderer Auffassung ist u.a. Antweiler, NVwZ 2020, 584, 588 f.). Stöß/Putzer verweisen in diesem Zusammenhang weiterhin darauf, dass Voraussetzung für eine Entschädigung immer die Eigenschaft als infektionsschutzrechtlicher Störer sei (siehe dazu auch oben Frage 4, Voraussetzung c)). Die nach § 28 Abs. 1 IfSG betroffenen Nichtstörer unterfielen demzufolge nicht § 56 IfSG.
Die Frage muss letztlich vor Gericht entschieden werden, insbesondere auch die Frage, ob nicht eine analoge Anwendung von § 56 IfSG in diesen Fällen in Betracht kommt und möglicherweise verfassungsrechtlich geboten ist.
Frage 7: Worauf stützen sich die durch die Bundesländer im Zusammenhang mit dem IfSG erlassenen, Grundrechte einschränkenden Maßnahmen?
In erster Linie stützen sich die Maßnahmen auf § 28 IfSG (in Verbindung mit einer sog. Allgemeinverfügung) sowie auf § 32 IfSG (Möglichkeit des Erlasses einer sog. Rechtsverordnung).
- 28 IfSG lautet:
- 28 Schutzmaßnahmen
(1) Werden Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt oder ergibt sich, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, so trifft die zuständige Behörde die notwendigen Schutzmaßnahmen, insbesondere die in den §§ 29 bis 31 genannten, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist; sie kann insbesondere Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte oder öffentliche Orte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten. Unter den Voraussetzungen von Satz 1 kann die zuständige Behörde Veranstaltungen oder sonstige Ansammlungen von Menschen beschränken oder verbieten und Badeanstalten oder in § 33 genannte Gemeinschaftseinrichtungen oder Teile davon schließen. Eine Heilbehandlung darf nicht angeordnet werden. Die Grundrechte der Freiheit der Person (Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes), der Versammlungsfreiheit (Artikel 8 des Grundgesetzes), der Freizügigkeit (Artikel 11 Absatz 1 des Grundgesetzes) und der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 Absatz 1 des Grundgesetzes) werden insoweit eingeschränkt.
(2) Wird festgestellt, dass eine Person in einer Gemeinschaftseinrichtung an Masern erkrankt, dessen verdächtig oder ansteckungsverdächtig ist, kann die zuständige Behörde Personen, die weder einen Impfschutz, der den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission entspricht, noch eine Immunität gegen Masern durch ärztliches Zeugnis nachweisen können, die in § 34 Absatz 1 Satz 1 und 2 genannten Verbote erteilen, bis eine Weiterverbreitung der Krankheit in der Gemeinschaftseinrichtung nicht mehr zu befürchten ist.
(3) Für Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 2 gilt § 16 Abs. 5 bis 8, für ihre Überwachung außerdem § 16 Abs. 2 entsprechend.
- 32 IfSG lautet:
- 32 Erlass von Rechtsverordnungen
Die Landesregierungen werden ermächtigt, unter den Voraussetzungen, die für Maßnahmen nach den §§ 28 bis 31 maßgebend sind, auch durch Rechtsverordnungen entsprechende Gebote und Verbote zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten zu erlassen. Die Landesregierungen können die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf andere Stellen übertragen. Die Grundrechte der Freiheit der Person (Artikel 2 Abs. 2 Satz 2 Grundgesetz), der Freizügigkeit (Artikel 11 Abs. 1 Grundgesetz), der Versammlungsfreiheit (Artikel 8 Grundgesetz), der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 Abs. 1 Grundgesetz) und des Brief- und Postgeheimnisses (Artikel 10 Grundgesetz) können insoweit eingeschränkt werden.
Frage 8: Ist § 28 IfSG verfassungsgemäß?
Das ist eine Frage, deren Beantwortung den Umfang dieses Beitrags sprengen würde. Juristen sind sich in der Beurteilung der Frage nicht einig. Eine Gerichtentscheidung, die durchgreifende Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit äußert, ist uns aktuell nicht bekannt. Unter anderem Rixen sieht die Regelung des § 28 Abs. 1 Satz IfSG als derzeit verfassungsgemäß an (Rixen, NJW 2020, 1097, 1099; ebenso Häberle/Lutz, Infektionsschutzgesetz, Komm., 2020, § 28, Rn. 12).
Frage 9: Wann hat der Arbeitgeber nach § 56 IfSG Anspruch auf eine Entschädigungszahlung?
Der Arbeitgeber hat nach § 56 IfSG einen Anspruch auf eine Entschädigungszahlung,
– wenn für Arbeitnehmer wegen einer Corona-Infektion oder eines Corona-Verdachts Quarantäne angeordnet wird und der Arbeitgeber das Arbeitsentgelt während der Quarantäne fortgezahlt hat oder
– wenn der Kindergarten oder die Schule zur Eindämmung des Corona-Virus geschlossen war und der Ausfall der Arbeit ausschließlich auf der Schließung des Kindergartens oder der Schule beruhte (das hat zur Folge, dass für Ferienzeiten keine Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz verlangt werden kann).
Frage 10: Von welchem Zeitpunkt an steht dem Arbeitgeber die Entschädigungszahlung nach § 56 IfSG zu?
Für die Entschädigungen wegen angeordneter Quarantäne stehen die Entschädigungszahlungen dem Arbeitgeber für den gesamten Quarantänezeitraum zu.
Die Regelung, dass auch diejenigen Arbeitnehmer, die wegen der Betreuung von Kindern aufgrund von Kindergarten- und Schulschließungen (für Kinder bis zum 12. Lebensjahr) ihre Arbeit nicht ausführen können, einen Anspruch auf Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz haben, wurde erst am 30.03.2020 in das Infektionsschutzgesetz aufgenommen, so dass Entschädigungszahlungen für diese Arbeitnehmer frühestens ab dem 30.03.2020 beansprucht werden können.
Frage 11: Wie hoch ist die Entschädigung nach § 56 IfSG?
Diejenigen Arbeitnehmer, die sich in Quarantäne befanden, erhalten ihr volles Arbeitsentgelt. Der Arbeitgeber tritt hierfür in Vorleistung und erhält das von ihm an den Arbeitnehmer gezahlte Arbeitsentgelt, wie auch die gezahlten Sozialversicherungsbeiträge erstattet.
Diejenigen Arbeitnehmer, die wegen der Schließung von Kindergärten und Schulen ihre Tätigkeit nicht ausführen konnten, haben einen Anspruch auf Entschädigung i.H.v. 67 % des Nettoeinkommens für max. 6 Wochen (für einen vollen Monat wird maximal ein Betrag i.H.v. 2.016,00 EUR gewährt). Die Sozialversicherungsbeiträge werden in Höhe von 80% übernommen.
Frage 12: Ist die Zeit eines Tätigkeitsverbots auf den Erholungsurlaub des Arbeitnehmers anzurechnen?
Ein Entschädigungsanspruch nach § 56 IfSG scheidet aus, wenn der Betroffene keinen Verdienstausfall erleidet. Wenn also der vom Tätigkeitsverbot erfasste Zeitraum auf den Jahreserholungsurlaub in Gestalt des vierwöchigen Mindesturlaus angerechnet werden kann, ist ein Verdienstausfall mit Blick auf den Anspruch des Arbeitnehmers auf Urlaubsentgelt (§ 11 BUrlG) zu verneinen. Oder kurz gesagt: Urlaub schlägt Entschädigung. In diesem Sinne ist ältere Rechtsprechung des BGH (BGH, Urt. v. 30.11.1978 – III ZR 43/77) zu verstehen, die in Teilen des juristischen Schrifttums (z. B. Erdle, IfSG, 7. Aufl. 2020, S. 49) Zustimmung gefunden hat.
Wir sind anderer Auffassung. Trotz der ansonsten kaum bestehenden Möglichkeit analoger Anwendung von § 9 BUrlG dürfte der Analogie in dem hier beschriebenen Fall nichts entgegenstehen (so auch Eufinger, DB 2020, 1121, 1122 f.).
Frage 13: Wie ist das Verhältnis von § 56 IfSG und § 616 BGB?
Das Verhältnis zwischen dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) und § 616 BGB ist nicht vollständig geklärt. Es sieht so aus, dass die Behörden zum Teil für die Zeit einer Quarantäne, die unter das IfSG fällt, aber auch für die Fälle des neuen § 56 Abs. 1a IfSG (Kita und/oder Schule fallen aus) den Arbeitgeber der betroffenen Arbeitnehmer – zumindest zeitweise – für allein verantwortlich halten. Das jedenfalls dann, wenn der Arbeitgeber Ansprüche des Arbeitnehmers nach § 616 BGB nicht wirksam ausgeschlossen hat, vor allem durch entsprechende Festlegungen im Arbeitsvertrag.
Wir halten diese Sicht der Behörden für falsch. Wir sind der Auffassung, dass der Arbeitgeber während der ersten sechs Wochen der Quarantäne letztlich nur eine Pflicht der Behörde erfüllt. Der Arbeitgeber leistet mithin anstelle der Behörde. Damit kommt es unseres Erachtens auf § 616 BGB im Ergebnis nicht an (ebenso Eufinger, DB 2020, 1121, 1123 f.)..
Einzuräumen ist allerdings, dass für die Auffassung der Behörden eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) aus dem Jahr 1978 zu sprechen scheint. Seinerzeit hat der BGH zu der Vorgängervorschrift von § 56 IfSG, dem damaligen § 49 Bundesseuchengesetz, wie folgt entschieden (BGH, Urt. v. 30.11.1978 – III ZR 43/77 – BGHZ 73, 16 = NJW 1979, 422 = MDR 1979, 381 = DB 1979, 1367):
Steht einem Arbeitnehmer, gegen den ein seuchenpolizeiliches Tätigkeitsverbot verhängt worden ist, für den Verbotszeitraum ein Lohnfortzahlungsanspruch nach § 6l6 Abs. 1 BGB zu, so besteht ein Entschädigungsanspruch nach § 49 Abs. 1 BSeuchG nicht. Daher kann der Arbeitgeber eine Erstattung des fortgezahlten Arbeitslohns nach § 49 Abs. 4 Satz 2 BSeuchG nicht beanspruchen.
Uns überzeugt der Standpunkt der Behörden dennoch nicht. Hinsichtlich der Entscheidung des BGH ist zu bedenken, dass diese mehr als 40 Jahr zurückliegt und überdies im Ergebnis maximal einen Zeitraum von 10 Tagen bzw. 2 Wochen umfassen würde. D.h.: Würde § 616 BGB tatsächlich maßgeblich sein, hätte der Arbeitgeber höchstens für diesen Zeitraum die Last der Entgeltfortzahlung allein zu tragen. Danach kämen auf jeden Fall Entschädigungsansprüche des Arbeitgebers gegenüber den Behörden in Betracht.
Stöß/Putzer sprechen sich für eine Subsidiarität von § 56 Abs. 1 IfSG gegenüber § 616 BGB aus (Stöß/Putzer, NJW 2020, 1465, 1467 f.). Zugleich sprechen sie sich für eine Obergrenze von 6 Wochen aus (zu weiteren Einzelheiten s. Stöß/Putzer, a.a.O.).
Frage 14: Was ist, wenn der Arbeitnehmer in Kurzarbeit ist?
Wird im gleichen Zeitraum, für den ein Entschädigungsanspruch nach dem Infektionsschutzgesetz besteht, Kurzarbeitergeld bezogen, geht der Entschädigungsanspruch auf die Agentur für Arbeit über. Der Arbeitgeber dürfte in diesem Fall die Entschädigungszahlung nur unter Berücksichtigung des zugeflossenen Kurzarbeitergeldes beantragen.
Frage 15: Wann muss die Entschädigung nach § 56 IfSG beantragt werden?
In § 56 Abs. 11 IfSG neuer Fassung heißt es:
Die Anträge nach Absatz 5 sind innerhalb einer Frist von zwölf Monaten nach Einstellung der verbotenen Tätigkeit, dem Ende der Absonderung oder nach dem Ende der vorübergehenden Schließung oder der Untersagung des Betretens nach Absatz 1a Satz 1 bei der zuständigen Behörde zu stellen.
Frage 16: Können betroffene Arbeitgeber Vorschüsse beantragen?
Grundsätzlich können auch für die Entschädigungsleistungen nach dem Infektionsschutzgesetz bei der zuständigen Behörde Vorschüsse beantragt werden. Hierbei ist zu empfehlen, dass insbesondere für die Entschädigungszahlungen wegen der Schließung von Kindergärten und Schulen Vorschüsse beantragt werden.
Frage 17: Was ist bei generellen Maßnahmen der Bundesländer zur Eindämmung der COVID-19-Epidemie (Beispiele: Schließung von Gaststätten, Einzelhandelsgeschäften usw.)? Gibt es hier einen Entschädigungsanspruch nach dem IfSG?
Siehe dazu etwa das Merkblatt des Landesamtes für Gesundheit und Soziales, Versorgungsamt Schwerin, Friedrich-Engels-Str. 47, 19061 Schwerin:
„Entschädigungen nach dem Infektionsschutzgesetz
Nach § 56 Infektionsschutzgesetz können Menschen, die einem persönlichen amtlichen Tätigkeitsverbot unterliegen und dadurch einen Verdienstausfall erleiden, eine Entschädigung erhalten. Diese beträgt in den ersten sechs Wochen 100 Prozent des Verdienstausfalles. Der Arbeitgeber zahlt den Lohn in dieser Zeit fort. Das LAGuS ist zuständig für die Erstattung der Aufwendungen des Arbeitgebers in dieser Zeit.
Ab der 7. Woche entspricht die Entschädigung der Höhe des gesetzlichen Krankengeldes. Die Berechtigten müssen nun beim LAGuS einen eigenen Antrag stellen. Auch Selbstständige können beim LAGuS eine Entschädigung des Verdienstausfalles beantragen.
Einen Anspruch auf Entschädigung bei Verdienstausfall haben:
– Menschen, bei denen das Corona-Virus nachgewiesen wurde und die vom Gesundheitsamt daher unter Quarantäne gestellt werden
– Menschen, die aufgrund des Direktkontaktes mit nachweislich infizierten Menschen vom Gesundheitsamt unter Quarantäne gestellt werden (Ansteckungsverdächtige)
– Menschen, die aus Risikogebieten oder aus Gebieten mit COVID-19-Erkrankungen bzw. Ausbrüchen zurückkehren und vom Gesundheitsamt unter Quarantäne gestellt werden (Ansteckungsverdächtige)
Es besteht kein Anspruch auf Entschädigung von Verdienstausfällen bei generellen Maßnahmen der Bundesländer zur Eindämmung der COVID-19-Epidemie. Beispiele für solche Maßnahmen sind:
o Schließung von Schulen und Kindertagesstätten
o Absage oder Untersagung von Veranstaltungen aller Art
o Schließung von Betrieben und Geschäften
o Maßnahmen, die den Tourismus und damit das Beherbergungs- und Gaststättengewerbe betreffen
o Maßnahmen des eigenen Arbeitgebers, die zu Verdienstausfall führen
o andere präventive Maßnahmen
Entschädigungs- und Erstattungsanträge sind innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Eintritt des Tätigkeitsverbotes bzw. nach Ende der Quarantäne einzureichen beim:
(…).“
Achtung: Ob die Auffassung der Behörde richtig ist, kann heute niemand seriös sagen. Es spricht nach unserer Einschätzung allerdings einiges für die Richtigkeit der behördlichen Einschätzung. Es ist unter Juristen im Übrigen derzeit sehr umstritten, ob die Maßnahmen der Bundesländer, die mit Betriebsschließungen einhergehen, rechtlich wirksam sind. Soweit ersichtlich sind alle bislang angestrengten Gerichtsverfahren zugunsten der öffentlichen Hand ausgegangen. Dabei handelt es sich ausnahmslos um sog. Eilverfahren, die eine vertiefte rechtliche Prüfung durch die Gerichte nicht zulassen. Wir zweifeln, ob das IfSG oder andere rechtliche Regelungen eine ausreichende Handhabe dafür liefern, Betriebe wegen des Coronavirus bzw. der bestehenden Ansteckungsgefahren zu schließen. Lassen Sie sich gerne durch uns beraten. Wir helfen Ihnen – bundesweit!
Mit der Möglichkeit Staatshaftungsansprüche geltend zu machen, befassen sich auch Rinze/Schwab in NJW 2020, 1905 ff.
Das Landgericht Hannover lehnt eine Haftung des Bundeslandes Niedersachsen wegen einer auf § 28 IfSG gestützten, staatlichen Maßnahme ab (LG Hannover, Urt. v. 09.07.2020 – 8 O 2/20):
“1. Der Kläger hat gegen das beklagte Land keinen Zahlungsanspruch aus § 56 Abs. 1a IfSG.
Voraussetzung für einen Entschädigungsanspruch gem. § 56 Abs. 1 IfSG ist, dass der Anspruchsteller einen Verdienstausfall erlitten hat, weil er als Ausscheider, Ansteckungsverdächtiger, Krankheitsverdächtiger oder als sonstiger Träger von Krankheitserregern einem infektionsschutzrechtlichen Verbot in der Ausübung seiner bisherigen Erwerbstätigkeit unterliegt (…). Es ist unstreitig, dass der Kläger nicht zu diesem in § 2 IfSG definierten Personenkreis gehört, so dass § 56 Abs. 1 IfSG nicht einschlägig ist.
- 56 Abs. 1a IfSG gewährt einen Anspruch auf Erstattung von Verdienstausfall, der dadurch entsteht, dass aus Infektionsschutzgründen Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen geschlossen werden und die Sorgeberechtigten betreuungsbedürftiger Kinder daher nicht arbeiten können. Diese Tatbestandsvoraussetzungen liegen hier ersichtlich nicht vor.
- Auch ein Anspruch des Klägers auf Zahlung von Entschädigung aus § 65 Abs. 1 IfSG besteht nicht.
Voraussetzung für einen solchen Anspruch ist, dass aufgrund einer Maßnahme nach den §§ 16 und 17 IfSG ein Gegenstand vernichtet, beschädigt oder in sonstiger Weise in seinem Wert gemindert oder ein anderer nicht nur unwesentlicher Vermögensnachteil verursacht worden ist. Anspruchsberechtigt ist dabei gem. § 65 Abs. 1 Satz 1, 2. HS IfSG nur derjenige, der von der seuchenhygienischen Maßnahme als Nichtstörer betroffen ist (…).
- a) Diese Tatbestandsvoraussetzung ist vorliegend nicht gegeben. Anspruchsbegründende Maßnahmen sind nur solche gem. § 16 oder § 17 IfSG, während die streitgegenständlichen Verordnungen des beklagten Landes jeweils auf § 28 Abs. 1 IfSG gestützt worden sind, so dass § 65 Abs. 1 IfSG nach dem insoweit unzweideutigen Wortlaut auf die vorliegende Konstellation nicht anwendbar ist (…).
Die Heranziehung von § 28 IfSG als Rechtsgrundlage stellt dabei entgegen der Auffassung des Klägers auch keine rein redaktionelle Nennung des beklagten Landes dar, sondern entsprach der tatsächlichen Lage, da sich die Covid-19-Krankheit zum Zeitpunkt des Erlasses der streitgegenständlichen Rechtsverordnungen bereits in Deutschland ausgebreitet hatte. Die WHO hatte am 12.03.2020 den COVID-19-Ausbruch zur Pandemie erklärt und für Europa bereits mehr als 20.000 bestätigte Fälle mit knapp 1.000 Todesfällen gezählt (…).
Da Covid-19 eine übertragbare Krankheit im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 3 IFSG ist (…), waren damit zahlreiche Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider im Sinne von §§ 2 Nrn. 3 ff., 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG festgestellt, so dass das beklagte Land auf der Grundlage von § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG nicht nur zur Ergreifung von Schutzmaßnahmen berechtigt, sondern sogar verpflichtet war (…).
- b) Der Einwand, § 65 IfSG müsse erweiternd ausgelegt werden, da Verhütungsmaßnahmen nach § 16 IfSG und Bekämpfungsmaßnahmen nach § 28 IfSG nicht medizinisch exakt zu trennen seien und Maßnahmen der Infektionsprophylaxe oftmals zugleich auch der Bekämpfung der Weiterverbreitung des Virus dienten (…), greift angesichts von Wortlaut, Systematik und gesetzgeberischem Willen nicht durch.
Das Infektionsschutzgesetz unterscheidet wie schon das frühere Bundesseuchengesetz zwischen Maßnahmen zur Verhütung und Maßnahmen zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten. Diese Unterscheidung zeigt sich systematisch darin, dass der 4. Abschnitt des IfSG die Verhütung übertragbarer Krankheiten zum Gegenstand hat und der 5. Abschnitt des IfSG die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten regelt. § 16 IfSG stellt dabei die Generalklausel für Verhütungsmaßnahmen zur Verhütung übertragbarer Krankheiten dar, § 28 IfSG die Generalklausel für Bekämpfungsmaßnahmen (…).
Zwar ist richtig, dass Maßnahmen zur Bekämpfung von übertragbaren Krankheiten zugleich auch deren Weiterverbreitung verhindern. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers ändert dies jedoch nichts an der grundlegenden Unterscheidung beider Begriffe. Danach gehören zu den Bekämpfungsmaßnahmen solche, die an das Auftreten einer übertragbaren Krankheit, eines Krankheitsverdachts, eines Ansteckungsverdachts oder eines Ausscheidungsverdachts anknüpfen; für diese Fälle sollte ausschließlich der 5. Abschnitt gelten. Die im 4. Abschnitt geregelten Verhütungsmaßnahmen betrafen dagegen nur Maßnahmen zur Entstehung übertragbarer Krankheiten, nicht aber die Verhinderung der Verbreitung bereits aufgetretener Krankheiten (…).
Daraus folgt, dass die Rechtsgrundlagen des § 16 Abs. 1 IfSG einerseits und des § 28 Abs. 1 IfSG andererseits in einem Exklusivitätsverhältnis zueinander stehen (…).
Die Tatbestandsvoraussetzungen von § 65 IfSG sind somit nicht erfüllt.
- Der Kläger kann seinen Zahlungsanspruch auch nicht aus einer analogen Anwendung der im Infektionsschutzgesetz geregelten Entschädigungstatbestände gem. § 56 bzw. § 65 IfSG herleiten.
Voraussetzung für eine Analogie ist nach der ständigen Rechtsprechung des BGH, dass im Gesetz eine planwidrige Regelungslücke besteht. Diese Lücke muss sich aus dem unbeabsichtigten Abweichen des Gesetzgebers von seinem dem konkreten Gesetzgebungsverfahren zugrunde liegenden Regelungsplan ergeben. Darüber hinaus muss der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht soweit mit dem vom Gesetzgeber geregelten Tatbestand vergleichbar sein, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie beim Erlass der herangezogenen Norm, zum gleichen Abwägungsergebnis gekommen (…).
- a) In der Literatur wird teilweise eine derartige planwidrige Regelungslücke mit dem Argument bejaht, der Gesetzgeber sowohl des Bundesseuchengesetzes als auch des Infektionsschutzgesetzes habe bei der Schaffung der gesetzlichen Entschädigungstatbestände derartige auf § 28 IfSG gestützte kollektive Betriebs- bzw. Gewerbeuntersagungen im Rahmen einer Epidemie überhaupt nicht im Blick gehabt. Daher müsse im Wege eines Erst-Recht-Schlusses auch den von einer Bekämpfungsmaßnahme betroffenen Nichtstörern ein Ausgleich ihrer Vermögensnachteile gewährt werden, da sie keinen Anlass für die Infektionsschutzmaßnahmen gesetzt hätten und schicksalhaft zu Geschädigten geworden seien (…).
- b) Sowohl die historische Betrachtung des Gesetzgeberwillens als auch die Analyse der aktuellen gesetzgeberischen Tätigkeit stehen jedoch der Annahme einer planwidrigen Regelungslücke entgegen.
(…).
- Dem Kläger steht auch kein Zahlungsanspruch aus dem allgemeinen Polizeirecht gem. § 80 NPOG i.V.m. § 8 NPOG zu.
(…).
- Dem Kläger steht auch kein Zahlungsanspruch aus dem Rechtsinstitut des enteignenden Eingriffs zu.
(…).
- Weitere Anspruchsgrundlagen kommen nicht in Betracht. Der allgemeine Aufopferungsanspruch gilt nicht für hoheitliche Eingriffe in das Eigentum, sondern nur für Eingriffe in nichtvermögenswerte Rechtsgüter (…). Da die streitgegenständlichen Rechtsordnungen rechtmäßig waren, kann der Kläger schließlich auch keinen Amtshaftungsanspruch gem. § 839 BGB in Verbindung mit Artikel 34 Grundgesetz oder einen Anspruch aus enteignungsgleichem Eingriff geltend machen.“
Weiterhin hat das Landgericht Berlin die Klage eines Gastwirts gegen das Land Berlin auf finanzielle Entschädigung wegen der coronabedingten Schließung seiner Kneipe in erster Instanz abgewiesen (LG Berlin, Urt. v. 13.10.2020 – 2 O 247/20). In der Pressemitteilung Nr. 66/2020 des Gerichts v. 13.10.2020 heißt es:
„Die Zivilkammer 2 des Landgerichts Berlin hat aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22. September 2020 in dem heute in öffentlicher Sitzung verkündeten und dabei mündlich kurz begründeten Urteil die Klage eines Gastwirts gegen das Land Berlin auf finanzielle Entschädigung wegen der coronabedingten Schließung seiner in Berlin betriebenen Kneipe in erster Instanz abgewiesen.
Der Kläger hat dazu vorgetragen, ihm seien aufgrund von Maßnahmen des Landes Berlin nach dem Infektionsschutzgesetz und der „Verordnung über Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus Sars-CoV-2 in Berlin“ in Bezug auf die allgemeinen Einschränkungen bzw. Beschränkungen des Gaststättenbetriebes Gewinne entgangen. Der Kläger hat das Land Berlin dafür mit der vorliegenden Klage auf Zahlung eines Teilbetrages in Höhe von 5.001,00 EUR in Anspruch genommen.
Die Zivilkammer 2 des Landgerichts Berlin hat die Abweisung der Klage bei der heutigen mündlichen Urteilsverkündung damit begründet, dass der Kläger unter keinem rechtlichen oder tatsächlichen Aspekt einen Entschädigungsanspruch gegen das Land Berlin habe. Die Anordnung der Schließung von Gaststätten sei rechtmäßig gewesen. Die mit der Schließungsanordnung verbundene Einschränkung der Gaststättenbetreiber, über einen Außer-Haus-Verkauf hinaus Verkäufe tätigen zu können, sei unter besonderer Berücksichtigung der damaligen Erkenntnislage durch den damaligen „Lock-Down“ veranlasst und als verhältnismäßig anzusehen.
Zwar sei es grundsätzlich möglich, Gaststättenbetreibern auch für die Folgen einer rechtmäßigen Gaststättenschließung eine Entschädigung zu zahlen, wenn die erlittenen Beeinträchtigungen als sogenanntes unzumutbares „Sonderopfer“ anzusehen wären. Im konkreten Fall – so der Vorsitzende bei der heutigen Urteilsverkündung – seien aber die durch die vorübergehende Gaststättenschließung im Zeitraum vom 14. März 2020 bzw. 23. März 2020 bis zum 9. Mai 2020 erlittenen Nachteile regelmäßig nicht als ein solches unzumutbares Sonderopfer anzusehen und würden sich im Bereich eines tragbaren allgemeinen Lebens- und Unternehmerrisikos bewegen.
Dieses Urteil ist noch nicht rechtskräftig; es kann dagegen Berufung beim Kammergericht innerhalb von einem Monat nach Zustellung der schriftlichen Urteilsgründe eingelegt werden.“
Siehe auch die Corona-Hilfe der ETL Rechtsanwälte bei Betriebsschließungen.
NEU Frage 18: Steht dem Arbeitnehmer ein Entschädigungsanspruch zu, wenn er sich um sein Kind kümmern muss?
Ja, das kann unter bestimmten Voraussetzungen der Fall sein. Maßgeblich ist zunächst § 56 Abs. 1a IfSG. Die Bestimmung lautet:
„Eine erwerbstätige Person erhält eine Entschädigung in Geld, wenn
- Einrichtungen zur Betreuung von Kindern, Schulen oder Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen von der zuständigen Behörde zur Verhinderung der Verbreitung von Infektionen oder übertragbaren Krankheiten auf Grund dieses Gesetzes vorübergehend geschlossen werden oder deren Betreten, auch aufgrund einer Absonderung, untersagt wird,
- die erwerbstätige Person ihr Kind, das das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder behindert und auf Hilfe angewiesen ist, in diesem Zeitraum selbst beaufsichtigt, betreut oder pflegt, weil sie keine anderweitige zumutbare Betreuungsmöglichkeit sicherstellen kann, und
- die erwerbstätige Person dadurch einen Verdienstausfall erleidet.
Anspruchsberechtigte haben gegenüber der zuständigen Behörde, auf Verlangen des Arbeitgebers auch diesem gegenüber, darzulegen, dass sie in diesem Zeitraum keine zumutbare Betreuungsmöglichkeit für das Kind sicherstellen können. Ein Anspruch besteht nicht, soweit eine Schließung ohnehin wegen der Schul- oder Betriebsferien erfolgen würde. Im Fall, dass das Kind in Vollzeitpflege nach § 33 des Achten Buches Sozialgesetzbuch in den Haushalt aufgenommen wurde, steht der Anspruch auf Entschädigung den Pflegeeltern zu.“
Die Voraussetzungen des Anspruchs sind unter anderem:
- Zeitliche vorübergehende Schließung einer Schule oder Einrichtung zur Betreuung von Kindern (Kita u.a.); Ausnahme: die Einrichtung wäre wegen Schulferien ohnehin geschlossen worden
- Sorgeberechtigung für Kinder, die das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder wegen einer Behinderung auf Hilfe angewiesen sind (zum Teil wird auch im Falle einer Behinderung Minderjährigkeit des Kindes verlangt!)
- Erwerbstätigkeit des Sorgeberechtigten + Verdienstausfall aufgrund der notwendigen Betreuung (zu weiteren Einzelheiten siehe Stöß/Putzer, NJW 2020, 1465, 1469)
- Fehlen einer anderweitigen Betreuungsmöglichkeit
- Fehlen eines Anspruchs auf Kinderkrankengeld gemäß § 45 Abs. 1 SGB V (vgl. § 45 Abs. 2b SGB V: „Für die Zeit des Bezugs von Krankengeld nach Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2a Satz 3 ruht für beide Elternteile der Anspruch nach § 56 Absatz 1a des Infektionsschutzgesetzes“)
Zu weiteren Einzelheiten der befristet bis 31.12.2021 geltenden Regelung siehe § 56 IfSG sowie den Beitrag von Kleinebrink in DB 2020, 952, 955 sowie den Aufsatz von Stöß/Putzer, NJW 2020, 1465, 1468 ff.
Frage 19: Was ist, wenn das nicht erkrankte Kind eines Arbeitnehmers unter Quarantäne gestellt wird und der Arbeitnehmer niemanden hat, der sich um das Kind kümmern kann?
Diese Frage ist bislang nicht abschließend geklärt. Da das Kind nicht erkrankt ist, scheitert der ansonsten ggf. bestehende Anspruch des Arbeitnehmers gegenüber seinem Arbeitgeber (§ 616 BGB) bzw. der Anspruch des Arbeitnehmers gegenüber der Krankenkasse gerichtet auf Krankengeld.
Denkbar ist ein Anspruch des Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber nach § 56 Abs. 1a Nr. 1 IfSG. Dazu hat Bundesministerium für Gesundheit Folgendes veröffentlicht:
„In Fällen, in denen das Gesundheitsamt ein Kind unter Quarantäne stellt, nicht aber die Eltern, könnte ein Anspruch für die Eltern nach § 56 Absatz 1a IfSG in Betracht kommen, wenn man davon ausgeht, dass insoweit das Betreten untersagt wird.“
Anders sieht das aber beispielsweise der Landschaftsverband Rheinland (LVR). Der LVR als zuständige Behörde in NRW lehnt einen Anspruch aus § 56 IfSG ab. Wörtlich steht auf der Internetseite des LVR:
Haben Eltern einen Anspruch auf Leistungen nach dem IfSG, wenn ihr minderjähriges Kind unter Quarantäne steht?
Nein. Es besteht wegen der notwendigen Betreuung des Kindes kein Anspruch auf Entschädigung nach § 56 Abs. 1 IfSG.
Frage 20: Was ist, wenn ein Arbeitnehmer in ein als solches ausgewiesenen Risikogebiet fährt und nach Rückkehr in Deutschland unter Quarantäne gestellt wird?
Hier dürfte § 56 Abs. 1 Satz 3 IfSG maßgeblich sein. Demnach besteht in einem solchen Fall kein Anspruch auf Entschädigung. Weder kann der Arbeitnehmer einen solchen Anspruch gegenüber seinem Arbeitgeber mit Erfolg geltend machen, noch besteht ein Erstattungsanspruch des Arbeitgebers gegenüber den Behörden.
Zu Fragen im Zusammenhang mit Reisen ins Ausland siehe auch unseren gesonderten Beitrag Reiserückkehrer.
Frage 21: Was gilt, wenn der Arbeitnehmer sich im Urlaub im Ausland aufhält und während des Aufenthaltes wird das Reisegebiet zum Risikogebiet erklärt?
Dieser Fall dürfte anders zu beurteilen sein als der Fall in Frage 19. Hier kann man dem Arbeitnehmer keinen Vorwurf im Sinne von § 56 Abs. 1 Satz 3 IfSG machen. Die Quarantäneentscheidung nach dem IfSG ist zwar durch den Urlaub im Risikogebiet ausgelöst worden. Die urlaubsbedingte Abreise ins Ausland ist dem Arbeitnehmer aber nicht vorzuwerfen, denn zum Zeitpunkt der Abreise war das Reiseland bzw. das Reisegebiet noch kein Risikogebiet.
Zu Fragen im Zusammenhang mit Reisen ins Ausland siehe auch unseren gesonderten Beitrag Reiserückkehrer.
Frage 22: Welche Formulare/Muster/Dokumente sind im Zusammenhang mit dem IfSG hilfreich?
Hier finden Sie Informationen des zuständigen Bundesministeriums zum IfSG.
Nachfolgend Links für Antragsformulare/Infos für eine IfSG-Entschädigung nach Bundesländern geordnet
- Baden-Württemberg
- Bayern
- Berlin
- Brandenburg
- Bremen
- Hamburg
- Hessen
- Mecklenburg-Vorpommern
- Nordrhein-Westfalen (Info) / Antrag
- Niedersachsen
- Rheinland-Pfalz
- Saarland
- Sachsen
- Sachsen-Anhalt
- Schleswig-Holstein
- Thüringen
Frage 23: Wo finden gerichtliche Auseinandersetzungen über Ansprüche nach dem IfSG statt?
Für Streitigkeiten über Entschädigungsansprüche nach dem IfSG ist der ordentliche Rechtsweg eröffnet (vgl. § 68 Abs. 1 IfSG)
Zu weiteren prozessualen Fragen siehe auch den Beitrag von Eufinger, DB 2020, 1121, 1124.
Frage 24: Können Anträge auf Entschädigung auch online gestellt werden?
Ja es gibt diese Möglichkeit über eine Internetseite des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat.
Frage 25: Fallen Auszubildende unter § 56 IfSG? Kann der Ausbilder Ansprüche auf Entschädigung gegenüber den Behörden mit Erfolg geltend machen?
Beide Fragen sind mit hoher Wahrscheinlichkeit mit nein zu beantworten. Das liegt an § 19 Abs. 1 Nr. 2 b) BBiG. Eine gerichtliche Entscheidung zu dieser Frage ist uns derzeit aber nicht bekannt.
In den Hinweisen des Bundesministeriums für Gesundheit heißt es dazu:
„Umfasst der Entschädigungsanspruch nach § 56 Absatz 1 oder Absatz 1a IfSG auch die Ausbildungsvergütung?
Ja, der Entschädigungsanspruch nach § 56 Absatz 1 und 1a IfSG umfasst auch die Ausbildungsvergütung als Verdienstausfall. Allerdings hat die oder der Auszubildende nach § 19 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe b Berufsbildungsgesetz (BBiG) einen sechswöchigen Fortzahlungsanspruch gegen den Ausbildungsbetrieb. Die Anwendung der Vorschrift des § 19 BBiG kann im Ausbildungsvertrag nicht ausgeschlossen werden. Auszubildenden ist die Vergütung insofern auch zu zahlen, wenn sie aus einem sonstigen, in ihrer Person liegenden Grund unverschuldet verhindert sind, ihre Pflichten aus dem Berufsausbildungsverhältnis zu erfüllen. Die Kollision mit seiner Pflicht zur Betreuung oder Pflege des eigenen Kindes, solange z.B. die Kindertageseinrichtung, Schule oder Einrichtung für Menschen mit Behinderungen aufgrund behördlicher Anordnungen geschlossen ist, ist ein solcher, in der Person der oder des Auszubildender liegender Hinderungsgrund. In diesem Fall hat die oder der Auszubildende für Ausbildungen auf Grundlage des BBiG weiterhin einen Anspruch auf seine Ausbildungsvergütung für die Dauer von sechs Wochen, ein Anspruch nach § 56 IfSG besteht solange nicht. Jeweilige Besonderheiten von Ausbildungen außerhalb des Geltungsbereichs des BBiG sind entsprechend zu berücksichtigen (…).“
Der Landkreis Deggendorf etwa hat im Netz Folgendes veröffentlicht:
„Die in einem Beschäftigungsverhältnis Stehenden können in der Regel nach wie vor einen Gehalts- oder Lohnanspruch gegenüber dem Arbeitgeber geltend machen, so dass insoweit die Zahlung einer Entschädigung nach § 56 IfSG entfällt. Das Gleiche gilt für einen Anspruch auf Krankengeld ab der 7. Woche im Krankheitsfall gegenüber der zuständigen Krankenkasse. Bei Erstattungsanträgen ist deshalb in jedem Fall vom Antragsteller nachzuweisen, dass vom Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber oder anderen Stellen (z. B. Krankenkasse) kein Anspruch auf Weiterzahlung des Arbeitsentgeltes auf Grund anderer Rechtsnormen besteht. Unter anderem sind folgende Gesichtspunkte zu berücksichtigen:
Für Auszubildende gilt die Regelung des § 19 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b des Berufsbildungsgesetzes. (…).“
Im Merkblatt für die Zahlung von Verdienstausfallentschädigung nach den §§ 56 ff. Infektionsschutzgesetz (IfSG) des Landes Niedersachsen heißt es:
„Ein Entschädigungsanspruch ist grundsätzlich nur in Zusammenhang mit einem Verdienstausfall gegeben. Ein Verdienstausfall liegt nicht vor, wenn
- die Arbeitnehmerin bzw. der Arbeitnehmer zu Beginn des Tätigkeitsverbots bzw. der Absonderung bereits arbeitsunfähig war oder einen sonstigen Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach dem Gesetz über die Zahlung des Arbeitsentgelts an Feiertagen und im Krankheitsfall (EntgFG), dem Mindesturlaubsgesetz für Arbeitnehmer (BurlG), dem Gesetz zum Schutz von Müttern bei der Arbeit, in der Ausbildung und im Studium (MuSchG) oder nach § 616 BGB hat oder
• es sich um ein Ausbildungsverhältnis handelt. Nach § 19 Abs. 1 Nr. 2 b des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) steht Auszubildenden ein Fortzahlungsanspruch hinsichtlich ihrer Ausbildungsvergütung gegenüber der Arbeitgeberin bzw. dem Arbeitgeber zu.“