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Falsche Selbstbezichtigung

Die Angabe einer nichtexistenten Person ist falsch, aber nicht strafbar
Falsche Selbstbezichtigung
Aktuelles
30.03.2020

Falsche Selbstbezichtigung

Die Angabe einer nichtexistenten Person ist falsch, aber nicht strafbar

LG Dresden, Urt. v. 11.07.2019 – 8 Ns 301 Js 18519/18 (2):

Der Angeklagte  (A)  hatte den Anhörungsbogen wegen einer Ordnungswidrigkeit einem Dritten zur Verfügung gestellt. Dieser trug eine nichtexistierende Person (C) als Fahrer ein und sandte diesen an die Verwaltungsbehörde zurück. Zu einem späteren Zeitpunkt, stellte sich heraus, dass C nicht existierte. Die Verfolgung der Tat gegenüber A war verjährt.

Der Landgericht Dresden bestätigt den Freispruch des A. Eine nicht existierende Person könne nicht verdächtigt werden. Auch war ein wenigstens bedingter Tatvorsatz des A für das LG Dresden nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit (§ 261 StPO) feststellbar. Strafbarkeiten nach §§ 145d Abs. 2, 258 Abs. 1, 271 Abs. 1, Abs. 4, 22, 23 StGB kommen ebenfalls nicht in Betracht.

Siehe auch OLG Stuttgart, Urt. v. 20.02.2018 – 4 Rv 25 Ss 982/17:

Der Angeklagte  (A)  hatte den Anhörungsbogen wegen einer Ordnungswidrigkeit einem Dritten zur Verfügung gestellt. Dieser trug eine nichtexistierende Person als Fahrer (C) ein und sandte diesen an die Verwaltungsbehörde zurück. Zu einem späteren Zeitpunkt, stellte sich heraus, dass C nicht existierte. Die Verfolgung der Tat gegenüber A war verjährt.

Der 4. Strafsenat des OLG Stuttgart bestätigt den Freispruch des Angeklagten (A). Eine nicht existierende Person könne nicht verdächtigt werden. Strafbarkeiten nach §§ 145d Abs. 2, 258 Abs. 1, 271 Abs. 1, Abs. 4, 22, 23 StGB kamen nicht in Betracht. Eine Ordnungswidrigkeit nach § 111 Abs.1 OWiG scheiterte im Revisionsverfahren am Verfolgungshindernis der Verjährung.

Die Behörde muss (…) unschwer ermitteln können, gegen wen sich der Verdacht nach dem Willen des Täters richten soll (…). Nach den Feststellungen hat die unbekannte Person, die den Anhörungsbogen ausgefüllt hat, als Fahrer eine fiktive Person benannt. Diese Benennung sollte es der Behörde gerade erschweren, jedenfalls innerhalb der Verjährungsfrist zu ermitteln, welche reale Person als Ausfüllender – insoweit ggf. als Tatmittler – oder als Fahrer hier zu verfolgen ist. Damit lässt sich der zu Verdächtigende gerade nicht unschwer ermitteln.(…) Jedoch wird das Normverständnis auch wesentlich durch die gesetzlichen Norm- und Abschnittsüberschriften, in denen jeweils von Verdächtigung die Rede ist, geprägt. Dieses Argument führt zusammen mit dem eindeutigen Ergebnis der historischen Auslegung sowie dem Ergebnis der systematischen Auslegung der Norm dazu, dass der Begriff des anderen in § 164 StGB nur eine existente Person sein kann.(…) Aus diesem Grund kommt es nicht mehr entscheidend darauf an, dass dem Angeklagten das Ausfüllen des Anhörungsbogens hier nicht nach den Grundsätzen der mittelbaren Täterschaft zugerechnet werden kann.

OLG Stuttgart, Beschl. v. 07.04.2017 – 1 Ws 42/17:

Der 1. Strafsenat des OLG Stuttgart bestätigt den Nichteröffnungsbeschluss zur Hauptverhandlung des Landgerichts Heilbronn. Die Veranlassung zur Tat eines verantwortlich Handelnden begründe keine Tatherrschaft.

In der Tat handelt auch dort der Vordermann grundsätzlich voll verantwortlich, wenngleich ihm die erforderliche Tätereigenschaft bzw. Sonderqualifikation oder eine besondere Absicht fehlt. Beim Fall des § 164 Abs. 2 StGB handelt es sich jedoch – so der zutreffende Einwand der Verteidigung – nicht um ein Sonderdelikt wie in den Fällen des qualifikationslosen dolosen Werkzeugs, sondern um ein von jedermann begehbares Allgemeindelikt. (…) Allem nach erscheint dem Senat angesichts des Umstands, dass der Vordermann in den vorliegenden Fällen die Sachlage voll überblickt und eigenverantwortlich gehandelt hat, also keinen Defekt aufweist, die Verneinung einer Tatherrschaft des Hintermanns und das Vorliegen einer Anstiftungssituation als überzeugender. (…) Der Senat hält jedoch letztlich unabhängig von der Frage der Tatherrschaft die im Übrigen gegen die Konstruktion einer mittelbaren Täterschaft vorgebrachten weiteren Argumente für ausschlaggebend, insbesondere den Umstand, dass der sich selbst zu Unrecht gegenüber der Bußgeldbehörde als Fahrer Bezeichnende nicht Täter des § 145d Abs. 2 StGB und auch nicht des § 164 Abs. 2 StGB sein kann. Gleiches gilt auch vor dem Hintergrund, dass er aus der Motivation heraus handelt, letztlich den wirklichen Fahrer vor einer Ahndung zu bewahren, was aber in § 258 Abs. 1 StGB im Bereich einer Ordnungswidrigkeit ebenfalls nicht mit Strafe bedroht ist. Über den Umweg bzw. durch die Schaffung einer neuen Fallgruppe der mittelbaren Täterschaft und der Bestrafung des sich zu Unrecht als Fahrer Bezichtigenden als Gehilfen kann diese gesetzgeberische Entscheidung nicht ohne Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG unterlaufen werden.

OLG Stuttgart, Urt. v. 23.07.2015 – 2 Ss 94/15: 

Der tatsächliche Fahrer A verabredete mit seinem Kollegen B, dass dieser den Namen und Anschrift des B als Fahrerdaten der Verwaltungsbehörde wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit benenne. Später stellte sich die Fahrereigenschaft das A heraus. Das Verfahren gegen B wurde eingestellt. Die Verfolgung des A war verjährt.

Dem Angeklagten [A] sind diese Tathandlungen indes nach den Grundsätzen über die mittelbare Täterschaft gemäß § 25 Abs. 1, 2. Alt. StGB zuzurechnen. Dafür spricht zunächst das sog. Verantwortungsprinzip, denn der Angeklagte [B] ist nicht als Täter nach § 164 Abs. 2 StGB verantwortlich, weil er nicht einen anderen, sondern sich selbst bei der Behörde angezeigt hat (vgl. Schünemann in Leipziger Kommentar, StGB, 12. Auflage, § 25, Rn. 62). Entscheidend kommt es aber darauf an, ob der Hintermann die Tatherrschaft im Sinne der Herrschaft über das Ob und Wie der Tatbestandsverwirklichung, unter Umständen auch nur den Willen zur Tatherrschaft, sowie ein eigenes Tatinteresse hatte (BGHSt 35, 347ff., Rn 14ff. bei juris; Schünemann, a.a.O., § 25, Rn. 65; Fischer, StGB, 62. Auflage, § 25, Rn. 6). Die Tatherrschaft des Hintermanns [A]kann  auch im Fall eines objektiv tatbestandslos handelnden Tatmittlers wie hier gegeben sein. Der Angeklagte [A] ist im vorliegenden Fall mittelbarer Täter, weil er im Wege einer wertenden Zuschreibung Tatherrschaft und Wille zur Tatherrschaft hatte und die Tat allein in seinem Interesse begangen wurde. Er nahm auf die Tatbegehung dadurch Einfluss, dass er dem Angeklagten [B] die an ihn gelangten Schreiben der Bußgeldbehörde mit den Daten zur Ordnungswidrigkeit übergab, nachdem er den Tatplan mit ihm vereinbart hatte. Obwohl [B] die Schriftstücke alleine ausfüllte und an die Bußgeldbehörde übersandte, hielt der Angeklagte [A] die Herrschaft über den Geschehensablauf gleichwohl weiter auch selbst in der Hand, weil er sich zu jedem Zeitpunkt an die Bußgeldbehörde wenden und den wahren Sachverhalt offenbaren konnte. Da die Tat allein seinem Interesse diente, den Rechtsfolgen der von ihm begangenen Verkehrsordnungswidrigkeit zu entgehen, beherrschte er auch das Handeln des Angeklagten [B] . Denn die Annahme, dass [B] ihm bei einer Aufgabe des Tatvorhabens Widerstand entgegengesetzt hätte, liegt mangels irgendeines eigenen Interesses von [B] an der Tatbegehung fern. Bei wertender Betrachtung weist der vorliegende Fall Ähnlichkeit zur mittelbaren Täterschaft bei Sonderdelikten wie etwa der Untreue in § 266 Abs. 1 StGB beim Einsatz eines qualifikationslosen dolosen Werkzeugs durch den Hintermann auf, die in der Literatur (Schünemann, a.a.O., § 25, Rn. 133; Fischer, a.a.O., § 266, Rn. 185; Lackner/Kühl, StGB, 28. Aufl., § 25, Rn. 4; Heine/Weißer in Schönke/Schröder, StGB, § 25, Rn. 19f.; Kudlich in BeckOK StGB, § 25, Rn. 22) – ohne Einwände der Rechtsprechung – im Grundsatz einhellig anekannt ist.

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