Ergänzender Vortrag zu einer (hypothetischen) Sozialauswahl im Arbeitsgerichtsprozess
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat entschieden (BAG, Urt. v. 08.12.2022 – 6 AZR 32/22 [aus den Entscheidungsgründen]):
„Der Arbeitgeber, der bei einer durchgeführten Sozialauswahl bestimmte Arbeitnehmer übersehen oder für nicht vergleichbar gehalten und deshalb dem Betriebsrat die für die soziale Auswahl (objektiv) erheblichen Umstände nicht mitgeteilt hat, ist grundsätzlich berechtigt, seinen Vortrag auf entsprechende Rüge im Prozess zu ergänzen. Darin liegt kein nach § 102 BetrVG unzulässiges Nachschieben von Kündigungsgründen (vgl. BAG 26. März 2009 – 2 AZR 296/07 – Rn. 42, BAGE 130, 182; 21. September 2000 – 2 AZR 385/99 – zu B IV 3 b der Gründe mwN). Entsprechendes gilt, wenn der Arbeitgeber aus nachvollziehbaren Gründen bei Erklärung der Kündigung davon ausgegangen ist, eine Sozialauswahl sei insgesamt entbehrlich (BAG 9. September 2010 – 2 AZR 936/08 – Rn. 48). Da der Arbeitgeber bei der Betriebsratsanhörung regelmäßig noch nicht wissen kann, welche Unwirksamkeitsgründe der Arbeitnehmer gegenüber der Kündigung in einem etwaigen Kündigungsschutzprozess geltend machen will, wäre der Arbeitgeber weitgehend rechtlos gestellt, würde man ihm insoweit ergänzenden Sachvortrag abschneiden. Der vom Arbeitnehmer geltend gemachte Unwirksamkeitsgrund führte dann im Regelfall zu seinem Obsiegen, weil dem Arbeitgeber eine substantiierte Erwiderung zu dem vorgetragenen Sachverhalt aus betriebsverfassungsrechtlichen Gründen verwehrt wäre (vgl. BAG 7. November 1996 – 2 AZR 720/95 – zu B III 2 c der Gründe).“