Entgeltfortzahlung während der Kündigungsfrist
Das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein hat zur Frage der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall entschieden (LAG Schleswig-Holstein v. 02.05.2023 – 2 Sa 203/22).
In der Pressemitteilung des Gerichts v. 23.06.2023 heißt es:
„Wer in unmittelbarem Zusammenhang mit seiner Kündigung während der gesamten Kündigungsfrist der Arbeit aufgrund eingereichter Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen fernbleibt, muss damit rechnen, dass er unter Umständen keine Entgeltfortzahlung beanspruchen kann. Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein (Urteil vom 2. Mai 2023, 2 Sa 203/22) hat in Auseinandersetzung mit der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 8. September 2021 (5 AZR 149/21) den Beweiswert der vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen in einer Gesamtbetrachtung aller Indizien als erschüttert angesehen. Im Rahmen der erforderlichen Beweisaufnahme konnte die Klägerin das Gericht nicht von ihrer Arbeitsunfähigkeit überzeugen.
Die als Pflegeassistentin beschäftigte Klägerin hatte am 4. Mai 2022 mit Datum 5. Mai 2022 ein Kündigungsschreiben zum 15. Juni 2022 verfasst und darin u.a. um die Zusendung einer Kündigungsbestätigung und der Arbeitspapiere an ihre Wohnanschrift gebeten. Sie bedankte sich für die bisherige Zusammenarbeit und wünschte dem Unternehmen alles Gute. Die Klägerin erschien ab dem 5. Mai 2022 nicht mehr zur Arbeit und reichte durchgehend bis zum 15. Juni 2022 und damit genau für sechs Wochen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ein. Die beklagte Arbeitgeberin zahlte keine Entgeltfortzahlung. Die Zahlungsklage blieb anders als beim Arbeitsgericht Lübeck (Urteil vom 23. November 2022, 5 Ca 973/22) vor dem Landesarbeitsgericht erfolglos.
Das Landesarbeitsgericht verweist zunächst auf den hohen Beweiswert von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen. Der Arbeitgeber kann diesen Beweiswert nur dadurch erschüttern, dass er tatsächliche Umstände darlegt und im Bestreitensfall beweist, die Zweifel an der Erkrankung des Arbeitnehmers ergeben mit der Folge, dass der ärztlichen Bescheinigung kein Beweiswert mehr zukommt. Eine Erschütterung kommt nicht nur dann in Betracht, wenn sich ein Arbeitnehmer in Zusammenhang mit seiner Kündigung einmal zeitlich passgenau bis zum Ablauf der Kündigungsfrist krankschreiben lässt. Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung ist der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auch erschüttert, wenn die Krankschreibung aufgrund mehrerer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen durchgehend bis zum Ende der Kündigungsfrist andauert, diese punktgenau den maximalen Entgeltfortzahlungszeitraum von sechs Wochen umfasst und sich aus dem Kündigungsschreiben ergibt, dass der Verfasser von vornherein nicht mehr mit seiner Anwesenheit rechnet.
Bei der Beweiswürdigung stellt das Landesarbeitsgericht entscheidend darauf ab, dass nach seiner Überzeugung die Klägerin ihrem Arzt Beschwerden vorgetragen hat, die tatsächlich nicht bestanden haben.
Die Revision ist nicht zugelassen worden.
Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.“