Das Parlament lässt die Verfassungsmäßigkeit einer Vermögensabgabe zur Bekämpfung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie prüfen
Unter dem Aktenzeichen WD 4 – 3000 – 041/20 haben die wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages am 9. April 2020 das Ergebnis ihrer Prüfung vorgelegt, ob mit einer einmaligen Vermögensabgabe Wohlhabende zur Refinanzierung des Staates in der Corona-Krise herangezogen werden können.*
Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass die Vermögensabgabe grundsätzlich verfassungsrechtlich zulässig sei, da sie im Grundgesetz in Art. 106 Abs. 1 Nr. 5 ausdrücklich normiert wurde. Die Vermögensabgabe setze jedoch einen besonderen, außerordentlichen Finanzbedarf des Staates voraus. Ob dies schon bei dem Vorliegen einer staatlichen Ausnahmelage der Fall sei oder einer finanziellen Sonderlage bedürfe, die mit den üblichen Steuereinnahmen nicht oder nur schwer bewältigt werden könne sei nicht geklärt. Auch das Bundesverfassungsgericht gebe keinen hinreichenden Aufschluss darüber, ob eine Vermögensabgabe eine staatliche Ausnahmelage voraussetze oder nicht. Das Bundesverfassungsgericht habe in seiner Entscheidung vom 22.06.1995, Az.: 2 BvL 37/91 zwar erwähnt, dass die Verfassung unter besonderen Voraussetzungen
einen Zugriff auf die Vermögenssubstanz erlaube und dafür beispielhaft staatliche Ausnahmelagen
genannt. Allerdings lasse sich nicht mit Sicherheit feststellt, dass das Bundesverfassungsgericht bei der Erwähnung der staatlichen Ausnahmelage
als Rechtfertigung für den Eingriff in die Vermögenssubstanz an die Erhebung von einmaligen Vermögensabgaben i.S. von Art. 106 Abs. 1 Nr. 5 GG gedacht habe. Zudem sei möglich, dass mit der Zweckgebundenheit der Vermögensabgabe eine weitere Anforderung an die Vermögensabgabe zu stellen ist sei.
Die Vermögensabgabe müsse laut Verfassung eine einmalige Abgabe bleiben. Allerdings sei es zulässig, diese einmalige Abgabe über mehrere Jahre zu verteilen, wie es etwa bei den Lastenausgleichsabgaben im Rahmen des Lastenausgleichsgesetzes von 1952 praktiziert worden sei. Unzulässig wäre hingegen der Versuch, durch wiederholte Erhebung einer Vermögensabgabe kontinuierlichen Zugriff auf Vermögen zu nehmen, da dies dem verfassungsrechtlichen Postulat der Einmaligkeit zuwiderlaufen würde und zudem als falsch etikettierte Vermögensteuer die Zustimmung des Bundesrates nach Art. 105 Abs. 3 GG umgehen würde.
Ob die Corona-Krise ein derartiges außergewöhnliches Ereignis darstelle, welches mit seinen erheblichen Finanzauswirkungen vermutlich nicht nochmals auftreten werde, sei nach Ansicht der Autoren zur jetzigen Zeit nicht nur zweifelhaft, sondern lasse sich vor allem zu diesem frühen Zeitpunkt noch nicht abschätzen. Weder das Ende der Corona-Krise noch die letztendlich entstehenden Kosten, die den Staat treffen würden, seien derzeit absehbar und können nicht beziffert werden. Eine rechtliche Einschätzung über das Vorliegen der Voraussetzungen einer Vermögensabgabe könne somit nicht abschließend getroffen werden.
Auffällig sei, dass ein Vergleich mit den Ereignissen in der Historie zeige, dass die bisher erhobenen einmaligen Vermögensabgaben (Wehrbeitrag von 1913, das Reichsnotopfer von 1919 und im Rahmen des Lastenausgleichs von 1952) jeweils ein Versuch zur Deckung von Kriegskosten waren. Mit diesen historischen Ereignissen sei die Corona-Krise wohl nicht vergleichbar.
*Quelle: Wissenschaftliche Dienste Deutscher Bundestag