Das kommt davon!
Wir leben in einem Rechtsstaat. Und wir leben in einer Demokratie. Wer das in Abrede stellt, mag mit seiner Auffassung vereinsamen. Ganz sicher steht im dabei aber Art. 5 unseres Grundgesetzes zur Seite, die Meinungsfreiheit. Grundrechte stehen nämlich grundsätzlich auch denen zu, die sie nicht würdigen oder – noch schlimmer – anderen nicht zubilligen. Wieso muss darüber gesprochen werden?
Die Zahl, der Menschen, die vollständig gegen das Coronavirus geimpft wurden, nimmt jeden Tag zu. Der Gesetz- bzw. Verordnungsgeber hat darauf vorausschauend reagiert und den Geimpften sowie den Genesen, zum Teil auch den auf das Virus frisch negativ Getesteten Rechte zurückgegeben, die sie pandemiebedingt verloren hatten. Und das ist richtig. Denn die Einschränkung verfassungsrechtlich garantierter Freiheiten ist nur solange gerechtfertigt, wie das durch die Pandemie bzw. die von dem Coronavirus ausgehenden Gefahren sachlich begründbar ist. Fehlt dem Genesenen und dem Geimpften die Eigenschaft Virusüberträger zu sein oder ist die Gefahr, das Virus anderen Menschen zu vermitteln vernachlässigenswert gering, dürfen freiheitsbeschränkende Maßnahmen nicht länger aufrecht erhalten werden. Die für die Geschicke des Landes verantwortliche Politik hat somit etwas getan, was selbstverständlich ist. Hätte sie nicht so gehandelt, wäre sie aller Voraussicht nach innerhalb weniger Tage durch die Gerichte zurückgepfiffen worden. Das nennt man übrigens Gewaltenteilung und die ist Teil des Rechtsstaatsprinzips. Die rechtsprechende Gewalt kontrolliert Exekutive und Legislative. Letztere wird vor allem dort in ihre Schranken verwiesen, wo sie ungerechtfertigt verfassungsrechtlich garantierte Freiheitsrechte der Menschen einschränkt. Mit anderen Worten: Die Rückgabe von Freiheitsrechten an Geimpfte, Genesene und teils auch an Geteste war und ist alternativlos. Das ist, wenn man es denn so ausdrücken möchte, gerecht, keinesfalls unfair. Und eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung ist es auch nicht. Zugegeben, eine ungleiche Behandlung liegt vor. Diese ist aber durch einen sachlichen Grund, nämlich das deutlich verminderte Infektionsrisiko, welches von bestimmten Menschen ausgeht, gerechtfertigt. Man muss es immer wieder betonen: Der Gleichbehandlungsgrundsatz verlangt keine bedingungslose Gleichmacherei. Gleiches muss gleich behandelt werden, Ungleiches eben gerade nicht.
Nun wird berichtet, dass sich eine Mehrheit gegen „Sonderrechte“ für Geimpfte und Genesene ausspricht. Eine Mehrheit soll das „unfair“ und nicht gerecht finden. Ändert das etwas an dem, was unsere Verfassung gebietet? Nein, ganz und gar nicht. Aber ein Zeichen ist es doch. Und zwar ein schlechtes Zeichen. Die beschriebene Mehrheit zeigt ein gutes Gefühl dafür, ob Politik gut oder weniger gut erklärt wird. Leider lassen verantwortliche Politiker auch in Pandemiezeiten große kommunikative Defizite erkennen. Das kann man selbst in einem Jahr, in dem ein neuer Bundestag gewählt wird, nicht entschuldigen. Und die Folge: Eine Mehrheit, die verfassungsrechtlich auf Abwege gerät. Das kommt davon. Schade!
P.S. Es verstößt auch nicht gegen das Demokratieprinzip, wenn sich eine Mehrheit gegen die Einräumung von Freiheitsrechten für andere ausspricht und diese Rechte dennoch eingeräumt werden. Denn darüber kann nicht abgestimmt werden. Nach der Verfassung garantierte Freiheitsrechte können und dürfen nicht zum Gegenstand einer Wahl werden.