Darf die ärztliche Leitung eines MVZ auch an der Nebenbetriebsstätte tätig sein?
Ja, meint das Sozialgericht (SG) Marburg (SG Marburg, Urt. v. 03.05.2023 – S 17 KA 642/22), sofern der Gesamtverantwortung im Einzelfall dadurch hinreichend Rechnung getragen wird. Die ärztliche Leitung eines MVZ muss jedoch stets faktisch in der Lage sein, von ihrem jeweiligen Standort aus die vollständige und umfassende Kontrolle und Steuerung des MVZ wahrzunehmen. Dies setzt voraus, dass die jeweilige Person, der die ärztliche Leitung übertragen wurde, jederzeit kurzfristig die persönliche Anwesenheit auch in der Hauptbetriebsstätte gewährleisten kann.
Zu dem umfassenden Aufgabenkatalog der ärztlichen Leitung gehören zum Beispiel die Steuerung des MVZ hinsichtlich des Personaleinsatzes, die sachlich und rechnerische Abrechnung in der Form der Dokumentation durch Unterschrift der Ärztlichen Leitung, die Einhaltung der Teilnahme des MVZ am Notdienst und die Einteilung der Ärzte/Ärztinnen hierfür sowie die Prüfung, ob die im MVZ angestellten Ärzte/Ärztinnen ihren vertragsärztlichen Verpflichtungen nachkommen und ob die Abrechnungsgenehmigungen für die von diesen erbrachten Leistungen vorliegen und ob die Vertretung abwesender Ärzte/Ärztinnen den rechtlichen Bedingungen entsprechend erfolgt, die Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots bei den ärztlichen Behandlungen einschließlich der Verordnung von Arzneimitteln, Heil- und Hilfsmitteln sowie Sprechstundenbedarf, die Einhaltung von Qualitätssicherungs-, Hygiene- und weiteren Vorschriften sowie die Sicherstellung der Nicht-Einflussnahme Dritter in die ärztliche Behandlung.
Im Leitsatz zu 1.) und 2.) heißt es:
„Der Tätigkeitsort einer ärztlichen Leitung eines MVZ kann auch eine Nebenbetriebsstätte des MVZ sein, sofern der Gesamtverantwortung im Einzelfall dadurch hinreichend Rechnung getragen werden.
Dies ist regelmäßig der Fall, wenn zwischen Nebenbetriebs- und Hauptbetriebsstätte eine Distanz liegt, die in weniger als 30 min zu überbrücken ist.“