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Bedarf es eines Ergänzungspflegers für die Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen der Kinder nach dem Tod des Vaters?

Bedarf es eines Ergänzungspflegers für die Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen der Kinder nach dem Tod des Vaters?
Frage des Tages
25.06.2024

Bedarf es eines Ergänzungspflegers für die Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen der Kinder nach dem Tod des Vaters?

Grundsätzlich nein, meint das Oberlandesgericht (OLG) Köln (OLG Köln, Beschl. v. 17.04.2024 – 10 WF 16/24). In den Entscheidungsgründen heißt es:

„Die Einsetzung eines Ergänzungspflegers für den Bereich der Pflichtteilsansprüche der Kinder ist vorliegend nicht geboten.

(…) Zu Recht hat das Amtsgericht zunächst festgehalten, dass der allein eingesetzte Ehegatte nicht schon kraft Gesetzes nach §§ 1629 Abs. 2 S. 1, 1824 Abs. 2, 181 BGB von der gesetzlichen Vertretung der Kinder ausgeschlossen ist, wenn er entscheiden soll, ob die beim Tod des anderen Ehegatten entstandenen Pflichtteilsansprüche der Kinder geltend gemacht werden. Denn die Entscheidung, ob der Pflichtteil geltend gemacht werden soll, ist nicht Teil eines Rechtsgeschäfts (Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, Beck-online Großkommentar (Stand: 01.03.2024), § 2317, Rn. 74). Der Elternteil kann vielmehr grundsätzlich selbst entscheiden, ob die Pflichtteilsansprüche der Kinder geltend gemacht werden sollen (Müko-Lange, 9. Aufl. (2022), § 2317, Rn. 14).

(…) Wegen der möglicherweise gegenläufigen Interessen von Erbe und Pflichtteilsberechtigtem, auf die das Amtsgericht auch zur Begründung abgestellt hat, kann zwar das Familiengericht nach §§ 1629 Abs. 2 S. 3, 1789 Abs. 2 S. 3 BGB dem Elternteil in dieser Angelegenheit die Vertretungsmacht entziehen und insoweit eine Pflegschaft anordnen. Die hierin liegende Teilentziehung der elterlichen Gewalt ist jedoch nicht ohne Weiteres gerechtfertigt (vgl. Bergschneider-Weisbrodt, Familienvermögensrecht, 3. Aufl. (2016), Rn. Rn. 8.119) und noch nicht einmal dann geboten, wenn der überlebende Ehegatte etwa die Pflichtteilsansprüche der Kinder weder erfüllt noch sicherstellt (vgl. Müko-Lange, 9. Aufl. (2022), § 2317, Rn. 14). Vielmehr bedarf es Anhaltspunkten für einen konkreten, erheblichen Interessengegensatz (so bereits Senat, Beschl. v. 19.07.2018 – 10 WF 172/17, FamRZ 2019, 704, ferner Bergschneider-Weisbrodt, a.a.O.; Grziwotz/Fröhler in: Groll/Steiner, Praxis-Handbuch Erbrechtsberatung, 6. Aufl. (2024), Rn. 14.187), da die Entziehung der Vermögenssorge nur erforderlich ist, wenn sie dem Wohl der Kinder dient. Dabei ist die mögliche Gefährdung des Pflichtteils insbesondere gegen die Wahrung des Familienfriedens abzuwägen (vgl. Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, Beck-online Großkommentar (Stand: 01.03.2024), § 2317, Rn. 74, 75). Weder für die Anspruchsberechnung (hinsichtlich deren das vom gesetzlichen Vertreter beim Familiengericht einzureichende Vermögensverzeichnis Aufschluss geben kann, § 1640 BGB) noch für die Entscheidung, ob der Anspruch geltend gemacht wird, bedarf es daher eines Pflegers, es sei denn, dass der erbende Elternteil den Pflichtteilsanspruch des Kindes gefährdet (vgl. Grüneberg-Weidlich, 83. Aufl. (2024), § 2317, Rn. 4).

(…) Für eine solche Gefährdung ist vorliegend nichts ersichtlich. Die Kindesmutter hat bislang mit dem Gericht kooperiert und den Nachlass (überschlägig) mitgeteilt. Anhaltspunkte, dass sie mit dessen Verwaltung überfordert wäre oder danach strebt, ihre Kinder zu benachteiligen, bestehen nicht. Weil – worauf die Beschwerde zu Recht verweist – die Verjährung etwaiger Pflichtteilsansprüche ohnehin nach § 207 Abs. 1 S. 2 Nr. 2a BGB bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres gehemmt ist, hätte eine solche Ergänzungspflegschaft ohnehin allenfalls Sicherungsaufgaben, während die eigentliche Geltendmachung dem Kind nach Erreichen der Volljährigkeit vorbehalten bliebe (Grziwotz/Fröhler in: Groll/Steiner, Praxis-Handbuch Erbrechtsberatung, 6. Aufl. (2024), Rn. 14.187).

Auch solche Sicherungsaufgaben sind vorliegend indes nicht geboten. Hierbei spielt es, anders als das Amtsgericht meint, auch keine Rolle, ob die Kinder (wie beim sog. „Berliner Testament“) eine (Schluss-)Erbenstellung innehaben oder nicht. Selbst eine Schlusserbenstellung würde die Kinder nicht vor benachteiligenden Zwischenverfügungen des Erben schützen, da die Bindungswirkung des Berliner Testaments eine rein erbrechtliche ist (vgl. § 2270 Abs. 1, 2 BGB) und Verfügungen unter Lebenden nicht verbietet (Müko-Musielak, 9. Aufl. (2022), § 2269, Rn. 34); die Kinder wären insoweit ebenso auf Ersatzansprüche angewiesen (§§ 2287, 2288 BGB), wie sie es vorliegend – im Falle von den Pflichtteil schädigenden Handlungen – ebenfalls sind. Beide Situationen sind also in diesem Punkte rechtlich vergleichbar. Insbesondere bietet das Pflichtteilsrecht – selbst, wenn es über den Ergänzungspfleger ausgeübt würde – keine rechtliche Handhabe, den Erben zu einer bestimmten Verwaltung des Nachlassvermögens zu zwingen.“

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Pia Roggendorff-Jentsch
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Erbrecht

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Daniela Wackerbarth
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Familienrecht

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