Arbeitnehmerüberlassung statt Werkvertrag!
Das Landesarbeitsgericht München (LAG) hat entschieden, dass in einem Fall einer mehr als 30jährigen Beschäftigung in einem Kraftwerk unter Beachtung der konkreten Umstände des Falles eine Arbeitnehmerüberlassung und kein Werkvertrag vorgelegen habe (LAG München, Urt. v. 29.04.2020 – 11 Sa 106/20). In der Pressemitteilung v. 29.04.2020 heißt es:
Das LAG München hat heute entschieden, dass zwischen der Klägerin und der Betreibergesellschaft eines AKW seit mehr als 30 Jahren ein Arbeitsverhältnis besteht. Frau X. arbeitete seit Frühjahr 1985 bei dem AKW als Hilfskraft in der Mikroverfilmung. Eingestellt wurde sie von der für das beklagte AKW damals tätigen Gebäudereinigerfirma, die ihrerseits 11 Tage später von der Beklagten mit der Erbringung der entsprechenden Leistungen beauftragt wurde. Seit Frühjahr 1987 hat der Vertragsarbeitgeber gewechselt; Frau X. war aber weiterhin auf der Grundlage von Vereinbarungen für das AKW tätig, die als Werkvertrag ausgestaltet waren.
Das Landesarbeitsgericht hat – nachdem ein erstes Berufungsurteil vom 30.04.2019 aufgrund eines Formfehlers vom BAG aufgehoben worden war, erneut festgestellt, dass es sich bei dem Vertrag entgegen dessen Ausgestaltung tatsächlich nicht um einen Werkvertrag, sondern um Arbeitnehmerüberlassung gehandelt hat. Das ist nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) dann der Fall, wenn Arbeitskräfte zur Verfügung gestellt werden, die in den Betrieb des Entleihers eingegliedert sind und ihre Arbeit nach dessen Weisungen ausführen. Anders bei einem Werkvertrag: hier verpflichtet sich der Vertragspartner, ein sogenanntes Werk herzustellen, also einen bestimmten Erfolg herbeizuführen. Maßgeblich ist, wie der Vertrag tatsächlich gelebt wird.
Im vorliegenden Fall war Frau X. der Beklagten zur Arbeitsleistung überlassen. Nach einer Beweis-aufnahme steht für das Landesarbeitsgericht fest, dass Frau X., die seit ihrem ersten Arbeitstag am 15.04.1985 im AKW arbeitete, jedenfalls gerade zu Beginn ihrer Tätigkeit weisungsabhängig in den Betrieb eingegliedert war. Sie wurde von der Beklagten eingearbeitet, musste später Urlaub zumindest abstimmen und hat die gleichen Tätigkeiten in der Mikroverfilmung verrichtet, wie andere bei der Beklagten angestellte Mitarbeiter.
Wegen der fehlenden Erlaubnis des Verleihers zur Arbeitnehmerüberlassung und Überschreitung der damals geltenden Überlassungshöchstdauer war deshalb rückwirkend zum 15.04.1985 festzustellen, dass kraft gesetzlicher Fiktion ein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zustande gekommen ist und der Klägerin die damit zusammenhängenden Rechte aus einer betrieblichen Altersversorgung zustehen. Ansprüche auf Jubiläumszuwendungen wurden als verjährt zurückgewiesen.
Das Urteil vom 29.04.2020, Az. 11 Sa 106/20 ist nicht rechtskräftig. Revision ist nicht zugelassen.