Anspruch auf Urlaubsabgeltung kann einer arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist unterfallen
Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung einer arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist unterfallen kann (BAG, Urt. v. 09.03.2021 – 9 AZR 323/20 m. Anm. Groffy/Dierks in DB 2021, 2562). Allerdings gilt dies nur dann, wenn die Ausschlussfrist wirksam formuliert und insbesondere einer Prüfung am Maßstab der §§ 305 ff. BGB stand halten kann.
In den Entscheidungsgründen des Urteils heißt es:
„I. Der Anspruch eines Arbeitnehmers auf Urlaubsabgeltung kann als reiner Geldanspruch Ausschlussfristen unterliegen. Dem steht weder der unabdingbare Schutz des gesetzlichen Mindesturlaubs nach §§ 1, 3 Abs. 1, § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG noch die vom Gerichtshof der Europäischen Union vorgenommene und für den Senat nach Art. 267 AEUV verbindliche Auslegung von Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG und Art. 31 Abs. 2 GRC entgegen (st. Rspr., vgl. zu tarifvertraglichen Ausschlussfristen BAG 27. Oktober 2020 – 9 AZR 531/19 – Rn. 17 ff.; 7. Juli 2020 – 9 AZR 323/19 – Rn. 25; 22. Januar 2019 – 9 AZR 149/17 – Rn. 33 mwN; zu arbeitsvertraglichen Ausschlussfristen BAG 18. September 2018 – 9 AZR 162/18 – Rn. 29, BAGE 163, 282).
II. § 12 Abs. 1 des Arbeitsvertrags sieht vor, dass die Vertragsparteien Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb von drei Monaten nach ihrer Fälligkeit schriftlich geltend machen und im Fall der Ablehnung durch die Gegenseite innerhalb von weiteren drei Monaten einklagen müssen. Zu den von dieser Regelung erfassten Ansprüchen ´aus dem Arbeitsverhältnis´ gehört ua. der Anspruch auf Urlaubsabgeltung. Finden sich keine sachlichen Einschränkungen, so fallen unter den Begriff der ´Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis´ alle gesetzlichen, tariflichen und vertraglichen Ansprüche, die Arbeitsvertragsparteien aufgrund ihrer durch den Arbeitsvertrag begründeten Rechtsstellung gegeneinander haben (BAG 17. Oktober 2017 – 9 AZR 80/17 – Rn. 12). Erfasst sind damit solche Ansprüche, welche die Arbeitsvertragsparteien aufgrund ihrer durch den Arbeitsvertrag begründeten Rechtsbeziehung gegeneinander haben (vgl. BAG 17. Oktober 2018 – 5 AZR 538/17 – Rn. 34; 13. März 2013 – 5 AZR 954/11 – Rn. 39, BAGE 144, 306). Maßgeblich für die Einordnung ist nicht die materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage, sondern der Entstehungsbereich des Anspruchs (BAG 17. Oktober 2018 – 5 AZR 538/17 – Rn. 34; 21. Januar 2010 – 6 AZR 556/07 – Rn. 19; 19. Januar 2011 – 10 AZR 873/08 – Rn. 20 f. mwN). Zu den Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis zählen nicht nur vertragliche Erfüllungs- und Schadensersatzansprüche, sondern auch solche aus unerlaubter Handlung (vgl. BAG 30. Oktober 2008 – 8 AZR 886/07 – Rn. 20). Von diesem weiten Anwendungsbereich nimmt § 12 Abs. 2 Satz 2 des Arbeitsvertrags allein ´Ansprüche aus unerlaubter Handlung´ aus, für die es bei der gesetzlichen Regelung verbleiben soll. Auf den Anspruch auf Urlaubsabgeltung bezieht sich § 12 Abs. 2 Satz 2 des Arbeitsvertrags nicht.
III. Der Kläger war entgegen der vom Landesarbeitsgericht vertretenen Auslegung nicht gehalten, den Anspruch auf Urlaubsabgeltung innerhalb der in § 12 Abs. 1 des Arbeitsvertrags gesetzten Frist schriftlich geltend zu machen.
1. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Anspruch auf Urlaubsabgeltung sei gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 des Arbeitsvertrags erloschen, weil der Kläger ihn nicht innerhalb der dreimonatigen Ausschlussfrist des § 12 Abs. 1 des Arbeitsvertrags geltend gemacht habe. Die Klausel sei nicht wegen eines Verstoßes gegen § 202 Abs. 1 BGB unwirksam. Die Auslegung von § 12 des Arbeitsvertrags ergebe, dass die Regelung Ansprüche aus Haftung wegen Vorsatzes iSv. § 202 Abs. 1 BGB insgesamt von ihrem Geltungsbereich ausnehme. Selbst wenn Ansprüche aus rein vertraglicher, nichtdeliktischer Haftung wegen vorsätzlicher Schädigung des Vertragspartners von der Verfallregelung erfasst würden, führte dies unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Arbeitsrechts gemäß § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB ausnahmsweise nicht zur Gesamtunwirksamkeit der Verfallklausel, sondern zu einer Teilunwirksamkeit wegen des Verstoßes gegen § 202 Abs. 1 BGB.
2. Diese Begründung hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Ausschlussfristenregelung ist insgesamt unwirksam, weil sie entgegen § 202 Abs. 1 BGB die Haftung wegen Vorsatzes begrenzt. Sie kann deshalb auch nicht für den Anspruch auf Urlaubsabgeltung aufrechterhalten werden. An die Stelle der vertraglichen Ausschlussfrist treten unter Aufrechterhaltung des Vertrags im Übrigen die gesetzlichen Bestimmungen (§ 306 Abs. 1 und Abs. 2 BGB).
a) Nach § 202 Abs. 1 BGB in der seit Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes geltenden Fassung kann die Verjährung bei Haftung wegen Vorsatzes nicht im Voraus durch Rechtsgeschäft erleichtert werden. Es handelt sich um eine Verbotsnorm iSv. § 134 BGB. Das Verbot des § 202 Abs. 1 BGB gilt für alle Schadensersatzansprüche aus Delikt und Vertrag (vgl. BAG 16. Mai 2007 – 8 AZR 709/06 – Rn. 42 ff., BAGE 122, 304). Das Gesetz bezweckt mit § 202 Abs. 1 BGB in Ergänzung von § 276 Abs. 3 BGB einen umfassenden Schutz gegen im Voraus vereinbarte Einschränkungen von Haftungsansprüchen aus vorsätzlichen Schädigungen. § 202 Abs. 1 BGB erfasst nicht nur Vereinbarungen über die Verjährung, sondern auch über Ausschlussfristen (st. Rspr., vgl. BAG 19. Dezember 2018 – 10 AZR 233/18 – Rn. 47 mwN, BAGE 165, 19). Infolge des gesetzlichen Verbots kann eine Haftung aus vorsätzlich begangener Vertragspflichtverletzung oder unerlaubter Handlung nicht mehr durch vertragliche Ausschlussfristen ausgeschlossen werden (BAG 24. September 2019 – 9 AZR 273/18 – Rn. 25, BAGE 168, 54; 16. Mai 2007 – 8 AZR 709/06 – Rn. 42 ff., BAGE 122, 304; zu tariflichen Ausschlussfristen vgl. BAG 23. Januar 2019 – 4 AZR 541/17 – Rn. 41).
b) § 12 Abs. 2 Satz 2 des Arbeitsvertrags der Parteien nimmt entgegen § 202 Abs. 1 BGB Haftungsansprüche aufgrund vorsätzlicher Schädigungen nicht umfassend aus dem Anwendungsbereich von § 12 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 des Arbeitsvertrags aus.“