Abgrenzung von mittelbarer Täterschaft und versuchter Anstiftung
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat einen spannenden Fall entschieden. Es geht um die Abgrenzung von Anstiftung und mittelbarer Täterschaft (BGH, Beschl. v. 13.09.2023 – 5 StR 200/23). Hintergrund: Der Angeklagte hatte seinen minderjährigen, strafunmündigen Neffen aufgefordert, die eigene Mutter, die Mutter des Neffen, zu töten. Die Vorinstanz hatte auf versuchten Mord in mittelbarer Täterschaft erkannt, der BGH hat das in der zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen Entscheidung anders gesehen. Der BGH spricht sich aufgrund der Umstände des konkreten Falles für eine versuchte Anstiftung aus. Für diese ist die Strafunmündigkeit des Neffen ohne Bedeutung, denn es gelte bei der Anstiftung der Grundsatz der limitierten Akzessorietät (vgl. § 26 StGB).
In den Entscheidungsgründen heißt es auszugsweise:
„ (…) In der Literatur ist die Frage umstritten, ob die Einflussnahme auf einen Strafunmündigen mit dem Ziel, ihn zur Begehung einer Straftat zu bewegen, nur in der Form der mittelbaren Täterschaft oder auch als Anstiftung möglich ist.
(…) Verbreitet wird vertreten, dass der die Tat eines Strafunmündigen veranlassende Hintermann stets und ausschließlich als mittelbarer Täter anzusehen sei (…).
(…) Dieses Ergebnis wird teilweise aus einer rein normativen Abgrenzung zwischen mittelbarer Täterschaft und Anstiftung hergeleitet und etwa Tatherrschaft aufgrund rechtlicher Überlegenheit (Jescheck/Weigend, Lehrbuch des Strafrechts Allgemeiner Teil, 5. Aufl., S. 668; MüKo-StGB/Joecks/Scheinfeld, 4. Aufl., § 25 Rn. 108) oder aufgrund von „Verantwortlichkeitsherrschaft“ angenommen (Herzberg in Amelung , Individuelle Verantwortung und Beteiligungsverhältnisse, S. 33, 40 ff.; dazu auch Hoyer, Festschrift für Herzberg, 2008, S. 379, 383 f. mwN). Vertreter dieser Ansichten sehen damit jeden, der ohne deliktisch verantwortliches Dazwischentreten eines anderen einen Taterfolg herbeiführt, als Täter an, so dass auch die gesetzlich angeordnete Straflosigkeit nach § 19 StGB notwendig zur mittelbaren Täterschaft des Hintermanns führt. Bei tatsächlicher Betrachtung seien die Übergänge zwischen dem voll verantwortlich handelnden Täter und dem unverantwortlichen Werkzeug fließend, im Interesse einer trennscharfen Abgrenzung müsse die Unterscheidung daher an normativen Kriterien ausgerichtet werden (Puppe, GA 2013, 514, 527 f.; ähnlich LK/Schünemann/Greco, StGB, 13. Aufl., § 25 Rn. 135).
(…) Andere Autoren begründen dieses Ergebnis insbesondere für Kinder mit einer dem § 19 StGB entnommenen Wertung des Gesetzgebers. Als Folge der gesetzlich angeordneten Strafunmündigkeit treffe die Verantwortung für das Tun von Kindern den tatveranlassenden Hintermann (SSW-StGB/Murmann, 5. Aufl., § 25 Rn. 18; BeckOK StGB/Kudlich, 58. Ed., § 25 Rn. 27.1). Zwar enthalte § 19 StGB lediglich einen generalisierenden Maßstab, der alle Kinder unabhängig von ihrer individuellen Konstitution und den Tatumständen für schlechthin schuldunfähig erklärt. Eine solche pauschale Grenzziehung sei aber unerlässlich, um sichere Ergebnisse zu ermöglichen (Hilgendorf/Kudlich/Valerius/Roxin, Handbuch des Strafrechts Band 3, § 52 Rn. 160). Es sei der Strafjustiz nach der Wertung des § 19 StGB untersagt, danach zu fragen, ob der kindliche Täter im konkreten Fall in der Lage war, das Unrecht der Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln (MüKo-StGB/Joecks/Scheinfeld, 4. Aufl., § 25 Rn. 109).
(…) Die Gegenansicht nimmt eine mittelbare Täterschaft nur dann an, wenn das Kind im Einzelfall tatsächlich ohne Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit handelte und sieht andernfalls lediglich eine Teilnahmestrafbarkeit des Hintermanns (vgl. etwa Matt/Renzikowski/Haas, StGB, 2. Aufl., § 25 Rn. 34; Jakobs, Strafrecht Allgemeiner Teil, 2. Aufl., 21. Abschnitt Rn. 96; Bockelmann/Volk, Strafrecht, Allgemeiner Teil, 4. Aufl., S. 194 f.; Welzel, Strafrecht, 11. Aufl., S. 103; so auch noch MüKo-StGB/Joecks, 3. Aufl., § 25 Rn. 104).
(…) Nach Auffassung des Senats ist das Veranlassen der Tat eines Kindes nur dann als mittelbare Täterschaft anzusehen, wenn dem Veranlassenden die vom Täterwillen getragene objektive Tatherrschaft zukommt, er das Geschehen also in tatsächlicher Hinsicht steuernd in den Händen hält. Ob dies der Fall ist, richtet sich nicht nach starren Regeln, sondern ist im Einzelfall durch wertende Betrachtung des Gesamtgeschehens zu ermitteln. Von besonderer Bedeutung ist dabei, inwieweit der Strafunmündige nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung reif genug ist, das Unrecht der ihm angetragenen Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Ein dahingehendes Defizit begründet regelmäßig Steuerungsmacht und damit Tatherrschaft des Bestimmenden. Das Bestehen eines solchen Defizits mag zwar durch das kindliche Alter indiziert sein. Im Einzelfall ist allerdings, etwa aufgrund der Reife des Kindes, der Modalitäten seiner Beeinflussung oder der Offenkundigkeit des Tatunrechts, eine andere Bewertung möglich. Dies ergibt sich aus Folgendem:
(…) Dass das Veranlassen der Tat eines schuldlos Handelnden sowohl als mittelbare Täterschaft als auch als Anstiftung zu bewerten sein kann, ergibt eine an Wortlaut, Systematik und Entstehungsgeschichte orientierte Gesetzesauslegung. Diese grundsätzliche Anwendbarkeit beider Beteiligungsformen spricht entscheidend gegen eine rein normative Abgrenzung der Täterschaft von der Teilnahme, weil eine solche stets zur Annahme von Täterschaft führen würde und für die Teilnahme kein Anwendungsraum verbliebe.
(…) Wortlaut und Systematik der zugrunde liegenden gesetzlichen Regelungen lassen die Anstiftung Schuldunfähiger zu. Die Regelung des § 26 StGB setzt lediglich eine vorsätzliche rechtswidrige, nicht aber eine schuldhafte Haupttat voraus („limitierte Akzessorietät“). Dies entspricht auch der gesetzlichen Grundregel, wonach jeder Beteiligte nach seiner Schuld bestraft wird (§ 29 StGB).
(…) Die historische Entwicklung der gesetzlichen Regelungen von Täterschaft und Teilnahme und die zugrunde liegenden Gesetzesmaterialien bestätigen, dass der Gesetzgeber das Bestimmen eines schuldlos Handelnden nicht in jedem Fall als (mittelbare) Täterschaft angesehen wissen wollte und gerade deshalb durch die Limitierung der Akzessorietät Raum für eine Teilnahmestrafbarkeit geschaffen hat.
(…) Bei Einführung des Reichsstrafgesetzbuchs zum 1. Januar 1872 war die Strafbarkeit eines Teilnehmers von der Strafbarkeit des Haupttäters abhängig; als Anstifter wurde nach § 48 RStGB bestraft, wer einen anderen zu einer „strafbaren Handlung“ bestimmt hatte. Diese „strenge Akzessorietät“ wurde bald aus Sorge vor einer ungerechtfertigten Straflosigkeit des Teilnehmers Gegenstand verschiedener Reformvorschläge (vgl. Vormbaum, Die Strafrechtsangleichungsverordnung vom 29. Mai 1943, S. 29 ff.). Diese Bestrebungen griffen schließlich die Strafrechtsangleichungsverordnung und deren Durchführungsverordnung vom 29. Mai 1943 (RGBl. I S. 339, 341) auf und ließen für die Teilnahmestrafbarkeit auch eine schuldlos begangene Haupttat genügen. Als Anstiftung wurde fortan das Bestimmen zu einer „mit Strafe bedrohten Handlung“ bewertet. Die Begründung verwies dabei ausdrücklich auf die andernfalls mögliche Straflosigkeit bei der Unterstützung der Tat eines „Geisteskranken“ (vgl. Vormbaum, Die Strafrechtsangleichungsverordnung vom 29. Mai 1943, S. 32 f. und 77).
Zu der Aufgabe der strengen Akzessorietät (auch) für die Anstiftung hätte indes kein Anlass bestanden, wenn der Gesetzgeber der Ansicht gewesen wäre, dass das Strafbarkeitsdefizit des unmittelbar Handelnden notwendig die (mittelbare) Täterschaft des Bestimmenden begründe. Die Figur der mittelbaren Täterschaft war nämlich – wenn auch noch nicht ausdrücklich geregelt – in Rechtsprechung und Strafrechtswissenschaft bereits zu jener Zeit fest etabliert, und zwar insbesondere auch für Fälle eines schuldunfähigen Tatmittlers (vgl. schon RGSt 1, 146, 148; zu den historischen Ursprüngen Hruschka, ZStW 1998, 581, 595 ff.).
(…) An dem so geschaffenen Nebeneinander der möglichen Beteiligungsformen an schuldlos begangenen Taten hat der Gesetzgeber später bewusst festgehalten. Der „Entwurf eines Strafgesetzbuches (StGB) E 1962“ vom 4. Oktober 1962 sah in § 29 Abs. 1 StGB-E die gesetzliche Anerkennung der Tatbegehung „durch einen anderen“ vor (BT-Drucks. IV/650, S. 15) und führte in der Begründung hierzu aus, mittelbare Täterschaft „kann in verschiedenen Erscheinungsformen auftreten“, beispielsweise, wenn der Tatmittler schuldlos sei (BT-Drucks. IV/650, S. 149). Gleichzeitig hielt der Entwurf – unter ausdrücklichem Verweis auf die mit der Strafrechtsangleichungsverordnung bezweckte Strafbarkeit für die Beteiligung an der Tat eines Zurechnungsunfähigen – an der limitierten Akzessorietät der Teilnahme fest (BT-Drucks. IV/650, S. 148). Für die Abgrenzung zwischen den beiden Beteiligungsformen wird auf das Kriterium der Tatherrschaft verwiesen, die entweder dem Täter der Haupttat (Anstiftung) oder dem Hintermann (mittelbare Täterschaft) zukomme (BT-Drucks. IV/650, S. 150). Diese Vorschläge sind mit dem 2. Strafrechtsreformgesetz vom 4. Juli 1969 (BGBl. I S. 717) ohne insoweit relevante Änderungen (vgl. Zweiter Schriftlicher Bericht des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform, BT-Drucks. V/4095, S. 12 f.) in geltendes Recht umgesetzt worden.
Für die Beteiligung an der Tat eines strafunmündigen Kindes gelten insoweit keine Besonderheiten; auch hier ist eine Anstiftung möglich. Soweit sich Teile des Schrifttums auf eine entgegenstehende gesetzgeberische Wertung des § 19 StGB berufen, findet dies weder im Gesetz noch in den Gesetzesmaterialien eine Stütze.
(…) Das Gesetz begründet in § 19 StGB eine unwiderlegbare Vermutung der Schuldunfähigkeit (vgl. BT-Drucks. IV/650, S. 137). Indem es ausdrücklich an die Deliktsstufe der Schuld anknüpft, lässt es angesichts der limitierten Akzessorietät eine strafbare Anstiftung grundsätzlich zu. Der Normzweck – das Festlegen einer pauschalen Grenze für die Strafmündigkeit – gebietet es ebenfalls nicht, dem § 19 StGB Auswirkungen auf die Strafbarkeit eines Hintermanns zuzuerkennen. Aus den Gesetzesmaterialien ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber bei der Regelung der Strafmündigkeit mögliche Auswirkungen auf die Strafbarkeit von Beteiligten überhaupt in den Blick genommen hat (vgl. BT-Drucks. I/3264, S. 39; BT-Drucks. IV/650, S. 137; BT-Drucks. 7/1261, S. 4). Das Schweigen der Gesetzesmaterialien zu dieser Frage legt vielmehr nahe, dass es insoweit bei den allgemeinen Regeln bleiben sollte.
(…) Dafür spricht auch, dass der Gesetzgeber die Regelung in der Form einer gesetzlichen Vermutung getroffen hat. Diese leitet aus dem Alter das Fehlen der Schuldfähigkeit her. Sie zwingt den Rechtsanwender bei Kindern mithin – anders als bei Jugendlichen gemäß § 3 Satz 1 JGG – ohne Rücksicht auf die tatsächlichen Verhältnisse der Reife und der Kompetenzentwicklung zu einer bestimmten rechtlichen Bewertung. Sie trifft damit aber keine Aussage über die tatsächlichen Verhältnisse. Da für die Frage der Steuerungsmacht des Tatveranlassers aber ausschließlich die tatsächlichen Verhältnisse Relevanz haben, kommt § 19 StGB insoweit kein Bedeutungsgehalt zu.
Schließlich spricht angesichts der Vorschrift des § 3 Satz 1 JGG nichts dafür, dass der Gesetzgeber eine Feststellung der Schuldfähigkeit im Einzelfall für undurchführbar gehalten hätte. Allerdings wird angesichts der empirischen Erkenntnisse, die der Festsetzung der Altersgrenze in § 19 StGB zugrunde liegen (vgl. dazu Eisenberg/Kölbel, JGG, 24. Aufl., § 3 Rn. 8; LK/Verrel/Linke/Koranyi, StGB, 13. Aufl., § 19 Vor Rn. 1), in aller Regel davon auszugehen sein, dass bei Kindern tatsächlich ein Defizit vorliegt, das die Tatherrschaft des Hintermanns begründet; unausweichlich ist dies indes nicht.
(…) Das Abstellen auf eine als tatsächliche Steuerungsmacht verstandene Tatherrschaft zur Abgrenzung der Anwendungsbereiche beider Beteiligungsformen entspricht schließlich auch der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Unterscheidung von mittelbarer Täterschaft und Anstiftung in anderen Fallkonstellationen. So ist anerkannt, dass auch ein strafrechtlich voll Verantwortlicher nach den Umständen des Einzelfalls als Werkzeug eines anderen anzusehen sein kann (vgl. etwa BGH, Urteile vom 15. September 1988 – 4 StR 352/88, BGHSt 35, 347, 352 ff.; vom 26. Juli 1994 – 5 StR 98/94, BGHSt 40, 218, 232 ff.; vom 13. September 1994 – 1 StR 357/94, BGHSt 40, 257, 266 ff.; vom 8. November 1999 – 5 StR 632/98, BGHSt 45, 270, 296). Auch hier hängt die Frage der Täterschaft des Veranlassenden mithin nicht abstrakt von der Beurteilung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit des unmittelbar Handelnden ab.
(…) Bei Anwendung dieses Maßstabs kam dem Angeklagten in dem von ihm vorgestellten Tatablauf keine Tatherrschaft zu. Aus den vom Landgericht getroffenen Feststellungen ergibt sich, dass er an der Reife des T. H. zur Einsicht in das augenfällige Unrecht der Tat – Tötung der eigenen Mutter – nicht zweifelte. Denn er versuchte nicht, dem Kind das Unrecht der Tat zu verschleiern oder sich sonst ein altersbedingtes Reifedefizit zunutze zu machen. Er legte das Unrecht seines Ansinnens vielmehr offen, indem er erklärte, dass er selbst – würde er die Tat begehen – ins Gefängnis käme. Auch sonst begründete der kurze Kontakt mit dem Kind keinen steuernden Einfluss des Angeklagten auf das weitere Geschehen. Er gab die Wahl des in ungewisser Zukunft liegenden Tatzeitpunkts und die Einzelheiten der Tatausführung aus der Hand und überantwortete beides gänzlich dem Kind. Die Tat sollte nach seiner Vorstellung zudem nach dessen Rückkehr in das Frauenhaus begangen werden, mithin an einem ihm unbekannten Ort, an dem er – wie er wusste – keinerlei Einfluss ausüben konnte. Nach alldem kam dem Angeklagten nach seiner Vorstellung ein bestimmender Einfluss auf die Tatbegehung nicht zu.
(…) Die Feststellungen belegen zudem nicht, dass der Angeklagte zur Tötung seiner Schwägerin unmittelbar angesetzt hat.
(…) Unmittelbares Ansetzen (§ 22 StGB) erfordert, dass der Täter eine Handlung vornimmt, die nach dem Tatplan in ungestörtem Fortgang ohne Zwischenschritte unmittelbar in die Tatbestandsverwirklichung einmünden oder in einem unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit ihr stehen soll; dies kann schon gegeben sein, bevor der Täter eine der Beschreibung des gesetzlichen Tatbestandes entsprechende Handlung vornimmt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 8. Dezember 2021 – 5 StR 236/21, NStZ 2022, 409, 412; vom 20. März 2014 – 3 StR 424/13, NStZ 2014, 447, 448 mwN).
Bezieht der Täter notwendige Beiträge eines Tatmittlers in seinen Plan ein, kann bereits dessen Beeinflussung ein unmittelbares Ansetzen zur Verwirklichung des Tatbestandes sein. Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn der Täter seine Einwirkung auf den Tatmittler abgeschlossen hat und ihn in der Vorstellung entlässt, dieser werde die tatbestandsmäßige Handlung nunmehr in engem zeitlichen Zusammenhang vornehmen. Die Einwirkung auf den Tatmittler ist hingegen bloße Vorbereitungshandlung, wenn sie erst nach längerer Zeit zur Tatbegehung führen soll oder wenn ungewiss bleibt, ob und wann sie Wirkung entfaltet. In diesen Fällen der Verzögerung oder Ungewissheit der Tatausführung durch den Tatmittler beginnt der Versuch erst, wenn der Tatmittler seinerseits unmittelbar zur Erfüllung des Tatbestands ansetzt. Entscheidend für die Abgrenzung ist mithin, ob nach dem Tatplan die Handlungen des Täters schon einen derartigen Angriff auf das geschützte Rechtsgut enthalten, dass es bereits gefährdet ist und der Schaden sich unmittelbar anschließen kann, oder ob die Begründung einer solchen Gefahr dem noch ungewissen späteren Handeln des Tatmittlers überlassen bleibt (vgl. BGH, Urteil vom 23. Oktober 2019 – 2 StR 139/19, NJW 2020, 559, 560; Beschluss vom 6. Februar 2014 – 1 StR 577/13, NZWiSt 2014, 432, 436; Urteil vom 12. August 1997 – 1 StR 234/97, BGHSt 43, 177, 179 f.).
(…) An diesen Maßstäben gemessen setzte der Angeklagte durch die Beeinflussung seines Neffen noch nicht zur Tötung unmittelbar an. Nach seinem Tatplan sollte der Junge erst in einigen Tagen zu seiner Mutter zurückkehren und die Tat auch dann nicht notwendig sogleich begehen; die Wahl des Tatzeitpunkts überließ er vielmehr dem Kind. Wann es zur Tatbegehung kommen würde, war daher ungewiss. Bei objektiver Bewertung des vom Angeklagten vorgestellten Geschehensablaufs hatte sich die Gefahr für das geschützte Rechtsgut zum Zeitpunkt der Beendigung der Einwirkung auf das Kind noch nicht in einer Weise konkretisiert, dass sich ein Schaden unmittelbar anschließen konnte.
Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen indes die vom Landgericht hilfsweise erwogene Verurteilung wegen versuchter Anstiftung zum Mord (§ 30 Abs. 1 StGB). Da die Tat – wäre sie zur Vollendung gelangt – als Anstiftung anzusehen wäre, kommt es nicht darauf an, ob § 30 Abs. 1 StGB auf die nicht ins Versuchsstadium gelangte mittelbare Täterschaft Anwendung finden kann (vgl. dazu LK/Schünemann/Greco, 13. Aufl., § 30 Rn. 24; MüKo-StGB/Joecks/Scheinfeld, 4. Aufl., § 30 Rn. 13; SK-StGB/Hoyer, 9. Aufl., § 30 Rn. 5 ff.).“