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Zur Wirksamkeit einer vertraglichen Erbeinsetzung, wenn es anschließend zur Heirat und sodann zur Scheidung kommt

Zur Wirksamkeit einer vertraglichen Erbeinsetzung, wenn es anschließend zur Heirat und sodann zur Scheidung kommt
Aktuelles
17.07.2024

Zur Wirksamkeit einer vertraglichen Erbeinsetzung, wenn es anschließend zur Heirat und sodann zur Scheidung kommt

Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte sich mit einer Fallkonstellation zu befassen, die vielleicht nicht ganz gewöhnlich ist (BGH, Beschl. v. 22.05.2024 – IV ZB 26/23). Nach Einschätzung des BGH verbleibt es grundsätzlich bei der vertraglichen Erbeinsetzung zugunsten des Lebensgefährten auch dann, wenn die Parteien des Erbvertrages nach Abschluss des Erbvertrages geheiratet haben und später geschieden wurden. Insbesondere verneint der BGH eine analoge Anwendung von § 2077 Abs. 1 und 2 BGB.

In den Entscheidungsgründen heißt es:

„Die Erbeinsetzung des Beteiligten zu 1 ist nicht gemäß § 2077 Abs. 1 oder Abs. 2 i.V.m. § 2279 BGB unwirksam.

„Nach § 2077 Abs. 1 BGB ist eine letztwillige Verfügung, durch die der Erblasser seinen Ehegatten bedacht hat, unwirksam, wenn die Ehe vor dem Tod des Erblassers aufgelöst worden ist. Die Regelung soll einer nachträglich eintretenden wesentlichen Veränderung in den Beziehungen von Erblasser und Bedachten mit Rücksicht auf die allgemeine Lebenserfahrung Rechnung tragen. Das Gesetz gibt mit der Norm eine dispositive Auslegungsregel entsprechend dem vermuteten wirklichen Willen des Erblassers, der auf Hinfälligkeit des Testamentes unter anderem im Scheidungsfall gerichtet ist. Für den Regelfall misst § 2077 Abs. 1 BGB einer solchen letztwilligen Zuwendung den Inhalt zu, nur für den Fall des Bestehens der Ehe getroffen zu sein (Senatsbeschluss vom 2. April 2003 – IV ZB 28/02, BGHZ 154, 336, 340 [juris Rn. 17] m.w.N.; BGH, Urteil vom 6. Mai 1959 – V ZR 97/58, FamRZ 1960, 28 unter II.2.a). Das Gleiche gilt gemäß § 2077 Abs. 2 BGB, wenn der Erblasser seine letztwillige Verfügung zu Gunsten seines Verlobten getroffen hat, das Verlöbnis aber vor dem Eintritt des Todesfalls aufgelöst worden ist.

Diese Voraussetzungen liegen hier jedoch nicht vor. § 2077 Abs. 1 bzw. Abs. 2 BGB in direkter Anwendung setzen das Bestehen einer Ehe bzw. eines Verlöbnisses im Zeitpunkt der letztwilligen Verfügung voraus (vgl. Senatsbeschluss vom 10. Juli 2019 – IV ZB 22/18, BGHZ 222, 365 Rn. 15 f. m.w.N.).

Das Beschwerdegericht ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die Vertragsparteien, die zum Zeitpunkt des Abschlusses des Erbvertrages nicht miteinander verheiratet waren, auch nicht im Rechtssinne miteinander verlobt waren (vgl. §§ 1297 ff. BGB). Die nach Auffassung des Beschwerdegerichts nachvollziehbare Einlassung des Beteiligten zu 1, es sei damals im Hinblick auf die beiderseitigen Scheidungen nicht an eine Eheschließung gedacht worden, wird zum einen dadurch bestätigt, dass diese erst viereinhalb Jahre nach Abschluss des Erbvertrages erfolgte, und zum anderen durch die Formulierung in dem notariellen Vertrag, wo lediglich eine „etwa nachfolgende Ehe“ erwähnt ist. Für ein Verlöbnis als gegenseitiges ernstliches Eheversprechen (vgl. BGH, Urteil vom 26. Mai 1982 – IVb ZR 711/80, MDR 1982, 834 [juris Rn. 13]; BayObLG NJWE-FER 2001, 261 [juris Rn. 22]; jeweils m.w.N.) fehlt es damit, wie das Beschwerdegericht zutreffend angenommen hat, an Anhaltspunkten.

  • 2077 Abs. 1 Satz 1 BGB ist jedenfalls dann auch nicht analog anwendbar, wenn der Erblasser und der Bedachte im Zeitpunkt der Errichtung der letztwilligen Verfügung nicht verheiratet oder verlobt waren und auch kein hinreichender Bezug der Verfügung zu einer späteren Eheschließung vorliegt.

(…) Teilweise wird es für gerechtfertigt gehalten, bei Errichtung eines Testaments im Rahmen einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft § 2077 Abs. 1 BGB generell (Röthel, Erbrecht 18. Aufl. § 19 Rn. 27; vgl. auch MünchKomm-BGB/Wellenhofer, 9. Aufl. Anh. § 1302 Rn. 89; Meier-Scherling, DRiZ 1979, 296, 299), jedenfalls aber bei späterer Eheschließung analog anzuwenden (Horn in Horn/Kroiß, Testamentsauslegung 2. Aufl. § 8 Rn. 96; Krauß in Groll/Steiner, Praxis-Handbuch Erbrechtsberatung, 6. Aufl. § 13 Nichteheliche Partner im Erbrecht Rn. 62; MünchKomm-BGB/Leipold, 9. Aufl. § 2077 Rn. 7, 16; M. Schmidt/Nobis in Erman, BGB 17. Aufl. § 2077 Rn. 5; Grüneberg/Weidlich, BGB, 83. Aufl. § 2077 Rn. 1; Grziwotz, FamRZ 2018, 480, 486; Koutses, FPR 2001, 41, 42; Selbherr, MittBayNot 2022, 254, 255 f.; vgl. auch Staudinger/Kanzleiter, BGB (2019) § 2279 Rn. 12). Die Interessenlage bzw. die Motive von Ehegatten und nichtehelichen Lebensgefährten bei einer Begünstigung des Partners stimmten in der Regel überein (vgl. Röthel, Erbrecht 18. Aufl. § 19 Rn. 27; Meier-Scherling, DRiZ 1979, 296, 299).

(…) Die überwiegende Auffassung in der obergerichtlichen Rechtsprechung (OLG Schleswig ZEV 2023, 741 Rn. 39; OLG Rostock NJW 2021, 3665 Rn. 24; OLG Frankfurt ErbR 2016, 276 [juris Rn. 19] und ErbR 2016, 453 [juris Rn. 12]; KG ErbR 2016, 449 [juris Rn. 23]; OLG Schleswig, Beschluss vom 9. April 2009 – 3 U 43/08, juris Rn. 10, 13; vgl. auch BayObLG NJWE-FER 2001, 261 [juris Rn. 22 f.] und MDR 1984, 145 [juris Rn. 44 ff.]; OLG Celle ZEV 2003, 328 [juris Rn. 3 ff.]) und in der Literatur (Czubayko in Burandt/Rojahn, Erbrecht 4. Aufl. § 2077 BGB Rn. 2; jurisPK-BGB/B. Hamdan/M. Hamdan, 10. Aufl. § 2279 Rn. 11 [Stand: 1. Juli 2023]; BeckOGK/Harke, § 2077 BGB Rn. 8 [Stand: 1. April 2024]; HK-BGB/Hoeren, BGB 12. Aufl. § 2077 Rn. 10; jurisPK-BGB/Lehrmann, 10. Aufl. § 2077 Rn. 47, 70, 87 [Stand: 1. Juli 2023]; BeckOK-BGB/Litzenburger, § 2077 Rn. 1 [Stand: 1. Februar 2024]; Loritz/Uffmann in Soergel, BGB 14. Aufl. § 2077 Rn. 14; Staudinger/Otte, BGB (2019) § 2077 Rn. 11; Staudinger/Raff, BGB (2022) § 2279 Rn. 23; Seiler-Schopp/Rudolf in PK Erbrecht4. Aufl. § 2077 BGB Rn. 1 f., 12; Jauernig/Stürner, BGB 19. Aufl. § 2077 Rn. 7) verneint die analoge Anwendung von § 2077 Abs. 1 BGB auf nichteheliche Lebensgemeinschaften, auch wenn später die Ehe geschlossen wird, generell oder jedenfalls für den Fall, dass die Verfügung nicht zumindest in Erwartung einer Eheschließung erfolgt (KG ErbR 2016, 449 [juris Rn. 21]; vgl. OLG Frankfurt ErbR 2016, 276 [juris Rn. 20]). Die Bestimmung beruhe auf der Annahme, dass ein Erblasser regelmäßig seinen Ehegatten nur aufgrund der in der Regel lebenslangen familienrechtlichen Bindung bedenken wolle, woran es fehle, wenn die Partner weder verheiratet noch verlobt seien (vgl. OLG Schleswig ZEV 2023, 741 Rn. 40; OLG Rostock NJW 2021, 3665 Rn. 24; OLG Celle ZEV 2003, 328 [juris Rn. 4]).

(…) § 2077 Abs. 1 und Abs. 2 BGB ist jedenfalls in der hier zu beurteilenden Fallkonstellation auf letztwillige Verfügungen zugunsten des nichtehelichen Lebensgefährten des Erblassers, die keinen Bezug zu ihrer späteren Eheschließung aufweisen, nicht analog anwendbar. Es fehlt an einer mit der allgemeinen Lebenserfahrung begründbaren dahingehenden Vermutung, wie sie der Regelung des § 2077 BGB für den Fall einer nachträglich eintretenden wesentlichen Veränderung in den Beziehungen von Erblasser und Bedachtem zugrunde liegt (vgl. Senatsbeschluss vom 2. April 2003 – IV ZB 28/02, BGHZ 154, 336, 340 [juris Rn. 17] m.w.N.). Zwar kann der Gedanke der dauerhaften Versorgung des Lebensgefährten, etwa durch eine Erbeinsetzung, für den Erblasser ebenso bedeutsam sein wie im Falle einer Ehe. Gleichfalls mögen Erblasser mit ihren letztwilligen Zuwendungen an nichteheliche Lebensgefährten gedanklich das (Fort-)Bestehen der partnerschaftlichen Verbindung verknüpfen (vgl. Leipold, ZEV 2003, 330). Der Vielgestaltigkeit nichtehelicher Lebensgemeinschaften hinsichtlich ihrer Ausgestaltung lässt sich aber kein Regelfall einer solchen Motivation des Erblassers für eine letztwillige Verfügung zugunsten seines nichtehelichen Lebensgefährten entnehmen (vgl. KG ErbR 2016, 449 [juris Rn. 22]; OLG Celle ZEV 2003, 328 [juris Rn. 4]; DNotI-Report 2018, 57, 58 m.w.N.). Die nichtehelichen Lebensgefährten unterlassen eine rechtliche Bindung ihrer Beziehung bewusst und verknüpfen daher – jedenfalls in der Regel – mit dem Ende ihrer Beziehung gerade keine Rechtsfolgen. Sie gehen daher auch nicht von einer „automatischen“ Unwirksamkeit einer letztwilligen Verfügung zugunsten ihres Lebensgefährten aus (vgl. Leipold, ZEV 2003, 330). Die Regelung kann folglich auch nicht durch richterliche Rechtsfortbildung im Wege der Analogie zum allgemeinen Prinzip für letztwillige Zuwendungen an nichteheliche Lebensgefährten erhoben werden (vgl. Senatsbeschluss vom 2. April 2003 aaO [juris Rn. 19] zu Zuwendungen an Schwiegerkinder).

Auch eine spätere Eheschließung rechtfertigt nicht grundsätzlich den Schluss auf einen auf den Wegfall der letztwilligen Verfügung im Scheidungsfall gerichteten Willen des Erblassers, der seinen nichtehelichen Lebensgefährten bedacht hat, jedenfalls dann nicht, wenn – wie hier – ein Bezug der Verfügung zur Eheschließung fehlt (insoweit anders BGH, Urteil vom 3. Mai 1961 – V ZR 154/59, FamRZ 1961, 364). Bejahte man eine analoge Anwendung des § 2077 BGB stets, wenn ein nichtehelicher Lebensgefährte seinen Partner bedenkt und ihn später heiratet, würde aus der späteren Eheschließung in unzulässiger Weise nachträglich auf eine Willensrichtung des Erblassers im Zeitpunkt seiner letztwilligen Verfügung geschlossen (vgl. OLG Schleswig ZEV 2023, 741 Rn. 40; OLG Celle ZEV 2003, 328 [juris Rn. 7 f.]; jurisPK-BGB/Lehrmann, 10. Aufl. § 2077 Rn. 47 [Stand: 1. Juli 2023]). Eine solche Willensrichtung kann zwar im Einzelfall vorliegen und ist im Rahmen der vorrangigen individuellen Testamentsauslegung zu berücksichtigen. Eine allgemeine Veränderung der Feststellungs- und Beweislast über eine Analogie zu § 2077 Abs. 1 und 2 BGB ist aber nicht gerechtfertigt (vgl. Senatsbeschluss vom 2. April 2003 – IV ZB 28/02, BGHZ 154, 336, 341 [juris Rn. 21]; NK-BGB/Hölscher/Kornexl, 6. Aufl. § 2079 Rn. 38).“

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Pia Roggendorff-Jentsch
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Erbrecht

Mail: koeln@etl-rechtsanwaelte.de


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