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Zur Reichweite eines Beweisverwertungsverbots

Zur Reichweite eines Beweisverwertungsverbots
Aktuelles
14.02.2024

Zur Reichweite eines Beweisverwertungsverbots

Das Landgericht (LG) Nürnberg-Fürth hat im Leitsatz wie folgt entschieden (LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 13.11.2023 – 12 Qs 72/23, NJW-Spezial 2024, 25):

„Ist die Durchsuchungsanordnung mangels ausreichender Begründung rechtwidrig, hindert das die spätere Beschlagnahme der bei der Durchsuchung sichergestellten Unterlagen nicht, wenn die Ermittlungsakte bei Erlass der Durchsuchungsanordnung einen hinreichenden Tatverdacht belegte. Insoweit besteht kein Beweisverwertungsverbot.“

In den Entscheidungsgründen heißt es weiter:

„Liegt der Mangel des Durchsuchungsbeschlusses – wie hier – in seiner unzureichenden Begründung, so wird im Schrifttum teils ein Verwertungsverbot angenommen, weil das Fehlen einer eigenverantwortlichen Prüfung des Ermittlungsrichters sich der Umgehung des Richtervorbehalts annähere (Schmidt, StraFo 2009, 448, 451; ähnlich Krekeler, NStZ 1993, 263, 265; abl. etwa Schoreit, NStZ 1999, 173, 174 f.; Überblick zum Streitstand bei Tsambikakis in Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Aufl., § 105 Rn. 145). Auch in der Rechtsprechung wird vereinzelt ein Verwertungsverbot bejaht, wenn feststehe, dass der Ermittlungsrichter keine objektiv hinreichende Prüfung der Maßnahme vorgenommen habe (LG Paderborn, Beschluss vom 12. Juli 2021 – 02 KLs 3/19, juris Rn. 38).

Dem folgt die Kammer nicht. Vielmehr ist im Einzelfall aufgrund einer Abwägung des Interesses der Allgemeinheit an der wirksamen Strafverfolgung mit dem Interesse des Betroffenen an der Einhaltung der Verfahrensvorschriften zu prüfen, ob der festgestellte Verfahrensmangel zur Annahme eines Verwertungsverbots nötigt (BGH, Urteil vom 17. Februar 2016 – 2 StR 25/15, juris Rn. 20; Menges in Löwe/Rosenberg, StPO, 27. Aufl., § 98 Rn. 77a; KK-StPO/Henrichs/Weingast, 9. Aufl., § 105 Rn. 21 f., alle m.w.N.). Die Abwägung ergibt, dass das Interesse an der Verwertung der sichergestellten Unterlagen überwiegt.

Zu berücksichtigen ist dabei, dass der Ermittlungsrichter hier ohne Weiteres einen ordnungsgemäßen Durchsuchungsbeschluss hätte erlassen können. Die Möglichkeit der hypothetisch rechtmäßigen Beweiserlangung ist im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Februar 2004 – 2 BvR 2009/03, juris Rn. 6), solange – wie hier – kein besonders schwerwiegender oder willkürlicher Verstoß vorliegt (KK-StPO/Henrichs/Weingast, 9. Aufl., § 105 Rn. 21; krit. SSW-StPO/Eschelbach, 5. Aufl., § 94 Rn. 49). So hat das LG Magdeburg, mit hiesigem Fall vergleichbar, eine Beschlagnahme bestätigt, obgleich der vorangehende Durchsuchungsbeschluss neben der Zitierung der Strafvorschrift keine Angaben zu dem diese ausfüllenden Lebenssachverhalt enthielt und der deshalb rechtswidrig war. Allerdings bestand dort, wie hier, nach Aktenlage ein ausreichender Anfangsverdacht (LG Magdeburg, Beschluss vom 14. November 2007 – 24 Qs 24/07, juris Rn. 4). Diese Entscheidung ist vom Bundesverfassungsgericht nicht beanstandet worden, weil das Landgericht dargelegt habe, dass die Rechtswidrigkeit des Durchsuchungsbeschlusses ausschließlich auf einem Begründungsfehler beruht habe und dass der Durchsuchungsbeschluss bei ausreichender Begründung den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt hätte. Hieraus habe es in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise den Schluss gezogen, dass der Durchsuchungsbeschluss nicht an einem schwerwiegenden Mangel gelitten habe und auch nicht willkürlich erlassen worden sei (BVerfG, Beschluss vom 18. Februar 2008 – 2 BvR 2697/07, juris Rn. 6). So liegen die Dinge auch hier.

Bei Erlass des Durchsuchungsbeschlusses lag der Verdachtprüfungsvermerk der Steufa vom 21. Dezember 2022 in der Ermittlungsakte vor. Hieraus ergibt sich, gestützt auf dort im Einzelnen aufgeführte Indizien, dass der Beschuldigte über mehrere Jahre, teils als Einzelkaufmann, teils im Rahmen seiner oHG, in erheblichem Umfang im grenzüberschreitenden Gebrauchtwagenhandel tätig war und dabei erhebliche Umsätze generierte. Diese stehen in deutlichem Kontrast zu den in den Steuererklärungen angegebenen, sehr niedrigen bzw. negativen Einkünften. Der Verdacht erheblicher Steuerhinterziehungen (ESt, USt und GewSt) ist danach hinreichend belegt. Das öffentliche Interesse an der Aufklärung der mutmaßlichen Steuerhinterziehungen ist hoch. Belegt ist weiterhin, dass der Beschuldigte in relevanter Zeit über ein Konto des Bf. verfügte und letzterer mindestens über zwei Jahre dafür zuständig war, für den Beschuldigten die Fahrzeugverkäufe über eine Online-Plattform abzuwickeln. Daher war nach kriminalistischer Erfahrung damit zu rechnen, dass sich beim Bf. fallbezogene Unterlagen finden lassen (vgl. bereits LG Nürnberg-Fürth, Beschluss vom 7. Juni 2023 – 12 Qs 24/23, juris Rn. 10). Der Ermittlungsrichter hat, anstatt diese Umstände in einem selbst formulierten Durchsuchungsbeschluss zu referieren, den von der Steufa vorgefertigten, unzulänglichen Beschlussentwurf unterschrieben. Das war fehlerhaft, aber nach Auffassung der Kammer nicht willkürlich. Eine bewusste Umgehung des Richtervorbehalts lag darin nicht, ebenso wenig ist dieser Fehler einer bewussten Umgehung wertungsmäßig gleichzusetzen.“

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Autor(en)

Dr. Uwe P. Schlegel
Rechtsanwalt

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