Zu den Anforderungen an einen bedingten Tötungsvorsatz
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich zu den Anforderungen an einen bedingten Tötungsvorsatz geäußert (BGH, Urt. v. 14.02.2024 – 5 StR 215/23). In der Pressemitteilung Nr. 27/2024 des Gerichts v. 14.02.2024 heißt es:
„Revision der Staatsanwaltschaft führt zur Aufhebung des Urteils wegen Inbrandsetzung eines Neubauernhauses bei Torgau
(…)
Der in Leipzig ansässige 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat heute über die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten gegen das am 7. Oktober 2022 ergangene Urteil des Landgerichts Leipzig verhandelt und entschieden.
Nach den Urteilsfeststellungen zerstörte der zur Tatzeit 69 Jahre alte Angeklagte das mit seiner Lebensgefährtin und deren 47 Jahre alten Sohn bewohnte Neubauernhaus in einem Dorf bei Torgau am 21. Juni 2020 durch Brandlegung, indem er in der Scheune und im Carport ausgebrachten Kraftstoff entzündete. Er wollte hierdurch die ihn überfordernde ´Wohnsituation´ mit dem Sohn seiner Lebensgefährtin, der infolge zahlreicher Erkrankungen der Mitversorgung bedurfte, ´auflösen´ und mit dieser ´einen Neuanfang beginnen´. Ihm war bewusst, dass er dieses Ziel nur durch die Herbeiführung der Unbewohnbarkeit des Hauses würde erreichen können. Die Scheune und das Wohnhaus brannten ab. Der Sohn verstarb in seinem Bett liegend an einer Kohlenmonoxidvergiftung.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Brandstiftung mit Todesfolge (§ 306c StGB) zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt. Eine Verurteilung wegen eines vorsätzlichen Tötungsdelikts hat es abgelehnt, weil der Angeklagte den Tod des Sohnes seiner Lebensgefährtin nicht wenigstens bedingt vorsätzlich herbeigeführt habe. Die Strafkammer hat sich zwar davon überzeugt, dass dem Angeklagten die objektive Gefährlichkeit des absichtlich gelegten Hausbrands für das Leben des Sohnes bewusst war, es hat den Tötungsvorsatz aber verneint, weil es gemeint hat, nicht ausschließen zu können, dass der Angeklagte auf das Ausbleiben des Todes ernsthaft vertraut habe.
Hierfür hat es sich insbesondere darauf gestützt, dass er seine Lebensgefährtin ´sofort´ nach der Brandlegung informiert habe. Diese Annahme hat die Strafkammer indes nicht beweiswürdigend unterlegt. Der Brandsachverständige hatte vielmehr angegeben, dass zwischen der Inbrandsetzung der Scheune und dem Übergriff auf den Dachstuhl etwa 20 Minuten vergangen seien. Auch hatte die Lebensgefährtin, als der Angeklagte sie benachrichtigte, bereits herabfallende Ziegelbrocken, Staub und Bauschutt wahrgenommen.
Das Vorliegen des Tötungsvorsatzes bedarf deshalb neuer tatrichterlicher Prüfung. Der Bundesgerichtshof hat die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts Leipzig zurückverwiesen. Die Revision des Angeklagten hat er verworfen, weil die Verfahrensbeanstandung erfolglos geblieben ist und die Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge keinen Rechtsfehler zu seinem Nachteil ergeben hat.“