Was versteht man unter einem „Kettenbetriebsübergang“?
Siehe dazu etwa BAG, Urt. v. 15.12.2022 – 2 AZR 99/22 [aus den Entscheidungsgründen]:
„a) § 613a BGB setzt voraus, dass ein ´Betrieb´ oder ein ´Betriebsteil´ auf einen neuen Inhaber übergeht. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist darunter der Übergang einer ihre Identität bewahrenden wirtschaftlichen Einheit im Sinne einer organisierten Zusammenfassung von Ressourcen zur Verfolgung einer wirtschaftlichen Haupt- oder Nebentätigkeit zu verstehen (EuGH 27. Februar 2020 – C-298/18 – [Grafe und Pohle] Rn. 22; 13. Juni 2019 – C-664/17 – [Ellinika Nafpigeia] Rn. 36; vgl. auch BAG 22. Juli 2021 – 2 AZR 6/21 – Rn. 14). Der Übergang eines Betriebs – verstanden als wirtschaftliche Einheit – ist anhand einer Gesamtabwägung verschiedener Teilaspekte festzustellen (vgl. zuletzt EuGH 24. Juni 2021 – C-550/19 – [Obras y Servicios Públicos und Acciona Agua] Rn. 90; BAG 14. Mai 2020 – 6 AZR 235/19 – Rn. 61, BAGE 170, 244). Eine vorübergehende Unterbrechung der Betriebstätigkeit schließt einen Betriebsübergang nicht aus, solange sie nicht zur Annahme einer Betriebsstilllegung führt (vgl. EuGH 7. August 2018 – C-472/16 – [Colino Sigüenza] Rn. 42 ff.; 15. Juni 1988 – C-101/87 – [Bork International] Rn. 16).
b) Ein Betriebsübergang kann auch in der Form erfolgen, dass die Arbeitsverhältnisse der betreffenden Arbeitnehmer zunächst auf einen ersten Erwerber und dann auf einen zweiten oder weitere Erwerber übergehen (sog. Kettenbetriebsübergang, vgl. BAG 21. August 2014 – 8 AZR 619/13 – Rn. 29). In einer solchen Situation kann der Arbeitnehmer ein etwa noch bestehendes Recht, dem durch den vorangegangenen Betriebsübergang eingetretenen Übergang seines Arbeitsverhältnisses zu widersprechen, allerdings nur dann noch wirksam ausüben, wenn er erfolgreich dem mit dem weiteren Betriebsübergang verbundenen Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den neuen Inhaber iSv. § 613a Abs. 6 Satz 2 BGB widersprochen hat (vgl. BAG 19. November 2015 – 8 AZR 773/14 – Rn. 21 ff., BAGE 153, 296).
c) Der bloße Umstand, dass die P Immobilien das Möbelhaus zu keinem Zeitpunkt ´tatsächlich betrieben´ hat, genügt vorliegend nicht, um einen Übergang des Arbeitsverhältnisses des Klägers auf diese Gesellschaft – jedenfalls als Zwischenerwerberin – auszuschließen.
aa) Das Landesarbeitsgericht geht selbst davon aus, dass es bezüglich des Betriebs ´Möbelhaus´ nicht zu einer Stilllegung durch die Beklagte gekommen ist, die einen Betriebsübergang ausschlösse (vgl. BAG 14. Mai 2020 – 6 AZR 235/19 – Rn. 91, BAGE 170, 244), da es bei der Prüfung des vom Kläger erklärten Widerspruchs vom Vorliegen eines Betriebsübergangs ausgeht. Die – nicht eindeutig festgestellte – Unterbrechung der Betriebstätigkeit kann angesichts dessen nur ´vorübergehend´ gewesen sein.
bb) Das Landesarbeitsgericht lässt bei seiner Prüfung unberücksichtigt, dass während einer nur vorübergehenden Unterbrechung der Betriebstätigkeit dem Kriterium der ´tatsächlichen Führung´ des Betriebs für die Frage eines Betriebsübergangs nur nachrangige Bedeutung zukommen kann. Stattdessen hätte es eine Prüfung aller Gesamtumstände durchführen müssen, um festzustellen, ob, wann und auf wen ein Betriebsübergang stattgefunden hat. Dabei ist es nicht ausgeschlossen, dass auf die P Immobilien – als Zwischenerwerberin – zunächst ein Betriebsübergang stattgefunden hat und es in der Folgezeit – während der Unterbrechung der Betriebstätigkeit – zu einem weiteren Betriebsübergang auf die P Markt gekommen ist. Zu dieser nicht durchgeführten Prüfung bestand auch Veranlassung, da sich die Beklagte ausdrücklich auf einen ´Kettenbetriebsübergang´ zunächst auf die P Immobilien und dann auf die P Markt berufen hat.
cc) Weiter hätte das Landesarbeitsgericht in den Blick nehmen müssen, dass der Kläger mit Schreiben vom 23. Juli 2020 nur gegenüber der Beklagten – und nicht gegenüber der möglichen Zwischenerwerberin – dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die P Markt widersprochen hat.“