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Testamentsauslegung

Testamentsauslegung
Aktuelles
03.11.2022

Testamentsauslegung

Das Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg hat zur Frage der Testamentsauslegung wie folgt entschieden (OLG Brandenburg, Beschl. v. 09.08.2022 – 3 W 67/22, NJW-Spezial 2022, 616 [aus den Entscheidungsgründen])

„Bei einer Testamentsauslegung gemäß § 133 BGB kommt es auf den wirklichen Willen des Erblassers an, ohne am buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften (BGH, ZEV 1997, 376; FamRZ 2012, 26; MünchKomm-BGB/Leipold, 8. Aufl. 2020, § 2084 Rdnr. 1; Burandt/Rojahn/Czubayko, Erbrecht, 4. Aufl. 2022, § 2084 Rdnr. 9). Eine Erbeinsetzung, die in dem Testament nicht enthalten und nicht einmal angedeutet ist, kann den Formzwecken allerdings nicht gerecht werden. Sie ermangelt der gesetzlich vorgeschriebenen Form und ist daher gemäß § 125 Satz 1 BGB nichtig (BGH, NJW 1981, 1737; OLG München, FGPrax 2013, 72).

Auch wenn Ehegatten sich üblicherweise gegenseitig selbst bedenken, stellt diese Tatsache keinen ausreichenden Anhalt für eine gegenseitige Erbeinsetzung dar. Die gegenseitige Erbeinsetzung kann daher nicht allein aufgrund der Errichtung eines gemeinschaftlichen Testamentes angenommen werden (BGH, a. a. O., 1738; Firsching/Graf/Krätzschel, Nachlassrecht, 11. Aufl. 2019, § 9 Rdnr. 17 „Fehlende Alleinerbeneinsetzung“).

Ob ausnahmsweise etwas anderes gelten kann, wenn die Erblasser in ihrem gemeinschaftlichen Testament Schlusserben eingesetzt haben und die testierte Schlusserbeneinsetzung ohne die für den ersten Erbfall erfolgte Erbeinsetzung des überlebenden Ehegatten rechtlich ausschiede (vom Senat bejaht im Beschluss vom 20.03.2021, 3 W 38/21; Bestelmeyer, FGPrax 2019, 280; dagegen OLG München Beschluss vom 12.11.2019, 31 Wx 183/19), kann hier dahinstehen.

Denn es fehlt bereits an einer Einsetzung der Tochter und des Enkels der Erblasser als Schlusserben. Fehlt es aber an einer Erbeinsetzung für den zweiten Erbfall, d.h. enthält das Testament überhaupt keine Erbeinsetzung, ist auch kein Anhaltspunkt für eine gegenseitige Erbeinsetzung für den ersten Todesfall enthalten und diese nicht einmal angedeutet.

Bei der Zuwendung des Hausgrundstücks an die Tochter und den Enkel der Erblasser handelt es sich nicht um eine Erbeinsetzung, § 2087 Abs. 2 BGB.

Ob eine Erbeinsetzung erfolgt ist, hängt vom Inhalt der Verfügung ab und ist durch Auslegung zu ermitteln (§ 2084 BGB). Die gesetzliche Auslegungsregel des § 2087 Abs. 2 BGB, wonach im Zweifel keine Erbeinsetzung vorliegt, wenn dem Bedachten nur einzelne Gegenstände zugewendet wurden, kommt nur mangels anderer Anhaltspunkte zum Zuge und greift nicht ein, wenn durch die – vorrangige – Auslegung die Zweifel überwunden sind, die zur gegenteiligen Auslegung als Vermächtnis durchgreifen müssten (OLG Saarbrücken, Urteil vom 13.02.2019 – 5 U 57/18; BGH, Urteil vom 22. März 1972 – IV ZR 134/70, FamRZ 1972, 561; Beschluss vom 12. Juli 2017 – IV ZB 15/16, NJW-RR 2017, 1035; Rudy, in: MünchKommBGB 8. Aufl., § 2087 Rn. 1). Für die Annahme einer Erbeinsetzung kann trotz Zuwendung nur einzelner Gegenstände sprechen, wenn der Erblasser sein Vermögen vollständig den einzelnen Vermögensgegenständen nach verteilt hat, wenn er dem Bedachten die Gegenstände zugewendet hat, die nach seiner Vorstellung das Hauptvermögen bilden, oder nur Vermächtnisnehmer vorhanden wären und nicht anzunehmen ist, dass der Erblasser überhaupt keine Erben berufen und seine Verwandten oder seinen Ehegatten als gesetzliche Erben ausschließen wollte. Entsprechendes kann gelten, wenn der Nachlass durch die Zuwendung des wertmäßigen Hauptnachlassgegenstands, etwa eines Hausgrundstücks, im Wesentlichen erschöpft wird oder der objektive Wert das übrige Vermögen an Wert so erheblich übertrifft, dass der Erblasser ihn als seinen wesentlichen Nachlass angesehen hat (BGH, Beschluss vom 12. Juli 2017 – IV ZB 15/16, NJW-RR 2017, 1035; vgl. BayObLG, NJW-RR 2003, 150; FamRZ 2005, 1202). Mithin ist zu fragen, ob der Erblasser bei Errichtung des Testaments in den zugewendeten Gegenständen im Wesentlichen seinen Nachlass erblickt hat, ihn also durch die Zuwendung hat erschöpfen wollen (OLG Saarbrücken (5. Zivilsenat), Urteil vom 13.02.2019 – 5 U 57/18 m.w.N.). Dies lässt sich nicht feststellen.

Gegen eine Erbeinsetzung spricht hier schon der Wortlaut der letztwilligen Verfügung.

Schon nach der Überschrift des Testamentes sollte dieses nur das Wohnhaus Grundstück …-straße betreffen und nur eine Regelung über dieses Grundstück getroffen werden. Schon dies spricht dafür, dass die genannten Personen nicht Gesamtrechtsnachfolger des zuletzt versterbenden Erblassers werden sollten, sondern ihnen nur das Hausgrundstück zugewendet werden sollte. Den Eheleuten war, wie sich aus der Überschrift ergibt, klar, dass die Verfügung nur einen Teil ihres Vermögens betraf und haben sich bewusst dafür entschieden, eine Regelung nur hinsichtlich des Grundstückes zu treffen. Sie wussten auch, dass sie noch erhebliches weiteres Vermögen hatten. Dies spricht dafür, dass sie keine Verfügung über die Erbfolge insgesamt treffen wollten.

Dagegen spricht auch nicht die Bezeichnung der genannten Personen als Erben.

Es ist anerkannt, dass die bloße Bezeichnung des testamentarisch Bedachten als „Erben“ nicht maßgebend für die Beantwortung der Frage ist, ob eine Erbeinsetzung (§ 1937 BGB) oder ein Vermächtnis (§ 1939 BGB) vorliegt, sondern gerade bei Laientexten höchstens ein Indiz für die beabsichtigten Rechtsfolgen darstellt; vielmehr beurteilt sich auch in diesem Fall nach dem auszulegenden Inhalt der letztwilligen Verfügung, ob ein Bedachter Erbe oder Vermächtnisnehmer ist (OLG Köln, RPfleger 1992, 199; BayObLG, FGPrax 2005, 126; OLG Karlsruhe, FamRZ 2015, 1929). Nicht die vom Erblasser gewählten Worte, sondern der sachliche Inhalt der letztwilligen Verfügung ist entscheidend, zumal im allgemeinen Sprachgebrauch zwischen den Worten „erben“ und „vermachen“ häufig nicht im Sinne der Terminologie des Bürgerlichen Gesetzbuches unterschieden wird (OLG Köln, RPfleger 1992, 199; OLG Karlsruhe, FamRZ 2015, 1929; Weidlich, in Grüneberg, BGB, 81. Aufl., § 2087 Rn. 2).

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Wertverhältnissen. So kann die Zuwendung eines Gegenstandes, namentlich einer Immobilie, wie dem Hausgrundstück des Erblassers und seiner Ehefrau, zwar Erbeinsetzung sein, wenn entweder der Nachlass dadurch erschöpft wird oder wenn sein objektiver Wert das übrige Vermögen an Wert so erheblich übertrifft, dass der Erblasser ihn offensichtlich als seinen wesentlichen Nachlass angesehen hat (Grüneberg/Weidlich, BGB, 81. Auf., § 2087 Rn. 5). Auszugehen ist von den Vorstellungen des Erblassers im Zeitpunkt der Testamentserrichtung über die voraussichtliche Zusammensetzung seines Nachlasses und den Wert der in diesen fallenden Gegenstände (Grüneberg/Weidlich, BGB, 81. Aufl., § 2087 Rn. 7 mwN).

Nach den zur Zeit der Testamentserrichtung vorliegenden Gegebenheiten kann weder davon ausgegangen werden, dass der Nachlass durch die Zuwendung des Hausgrundstücks an die genannten Personen erschöpft worden ist noch, dass der objektive Wert des Grundstücks das übrige Vermögen der Eheleute an Wert so erheblich übertroffen hat, dass sie es offensichtlich als ihren wesentlichen Nachlass angesehen haben.

Die Eheleute hatten gemeinsam neben dem Grundstück, dessen Wert sie mit 500.000 € eingeschätzt hatten, Barvermögen in Höhe von 250.000 €, was insgesamt im Verhältnis zum Hausgrundstück einen erheblichen und damit nicht zu vernachlässigenden Vermögenswert darstellt. Das Barvermögen machte einen Anteil von ca. 1/3 des gesamten Vermögens der Eheleute und ebenso des Erblassers, der an diesem Vermögen die Hälfte innehatte, aus. Es spricht auch nichts dafür, dass die Eheleute das Hausgrundstück offensichtlich als ihren wesentlichen Nachlass angesehen haben. Wie bereits ausgeführt, haben sie bewusst eine Verfügung nur für das Grundstück getroffen und war ihnen bekannt, dass darüber hinaus erhebliches Barvermögen vorhanden war. Dies lässt den Rückschluss zu, dass sie auch dem übrigen Teil ihres Vermögens einen nicht zu vernachlässigenden Wert beigemessen haben und keine umfassende Erbeinsetzung vornehmen wollten. Es spricht auch nichts dafür, dass nach dem Tod des Längstlebenden nur die genannten Personen (Schluss)erben sein sollten und die weiteren Kinder von der Erbfolge ausgeschlossen werden sollten.

Insofern ist nach der Auslegungsregelung des § 2087 Abs. 2 BGB bereits nicht von einer Einsetzung der Tochter und des Enkels als Schlusserben auszugehen.

Eine Andeutung, dass sich die Eheleute bereits gegenseitig für den ersten Erbfall als Alleinerben einsetzen wollten, findet sich damit im Testament unter keinen Umständen.

Gewollt war offenbar, ohne dass eine Erbeinsetzung festgestellt werden kann, beschränkt auf das Grundstück, dass zunächst der überlebende Ehegatte den Miteigentumsanteil des zuerst versterbenden Ehegatten erhält und das Grundstück dann nach dem Tod des Längerlebenden auf die im Testament genannten Personen übergeht. Einer einvernehmlichen Durchsetzung dieses Erblasserwillens steht nichts im Wege.“

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Pia Roggendorff-Jentsch
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Erbrecht

Mail: koeln@etl-rechtsanwaelte.de


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