Kindeswohl als maßgebliches Kriterium bei der Regelung des Umfangs
Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat zum Umgangsrecht entschieden (OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 06.07.2021 – 3 UF 144/20). In den Entscheidungsgründen heißt es
„Können sich Eltern über die Regelung des Umgangs nicht untereinander einigen, ist das Gericht gehalten, eine Umgangsregelung zu treffen, die dem Wohl der Kinder am besten entspricht. Es bestehen keine Zweifel daran, dass die vom Amtsgericht getroffene Regelung dem Wohl der Kinder am besten entspricht. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die vom Kindesvater mit der Beschwerde angestrebte Regelung dem Wohl der Kinder besser entspricht, als die vom Amtsgericht getroffene Regelung.
Im Gegenteil ist der Senat davon überzeugt, dass eine Ausweitung der seit geraumer Zeit praktizierten, von den Kindern gut angenommenen und von ihnen weiterhin gewünschten Regelung gegen den Willen von Y und Z ihrem Wohl widerspricht.
Dem Kindeswillen kommt – abhängig vom Alter und von der individuellen Reife des Kindes – im Umgangsverfahren eine hohe Bedeutung zu. Langzeitstudien deuten darauf hin, dass ein den Kindern „aufgedrängter“ Umgang von diesen als Belastung empfunden wird und das Verhältnis zum umgangsberechtigten Elternteil negativ beeinflusst.
Der Kindeswille hat eine doppelte Funktion. Zum einen ist er Ausdruck der empfundenen Personenbindung, die auch nonverbal, z.B. durch ein freudiges zu gehen auf den Umgangselternteil, zum Ausdruck gebracht werden kann und in dieser Funktion unabhängig vom Alter des Kindes ist. Zum anderen ist er Akt der Selbstbestimmung, wobei diese Funktion mit steigendem Alter an Bedeutung gewinnt. Damit korreliert die Bedeutung des Kindeswillens mit dem Alter des Kindes. Eine feste Altersgrenze für die Maßgeblichkeit des Kindeswillens in seiner Funktion als Ausdruck seiner Selbstbestimmung gibt es nicht. In der Regel wird bei Kindern ab dem 11.-13. Lebensjahr davon ausgegangen, dass sie zur Entwicklung eines selbstbestimmten Willens fähig sind. Beachtlich im rechtlichen Sinne ist der Kindeswille, wenn das Kind aufgrund seiner verstandesmäßigen Reife die Bedeutung des Umgangs versteht und es einen stabilen und autonomen Willen gebildet hat. Stabil ist der Wille, wenn er nachhaltig und gegenüber allen Verfahrensbeteiligten gleichen Inhalts geäußert wird. Von einem autonomen Willen kann ausgegangen werden, wenn er auf dem eigenen Erleben mit dem Elternteil beruht. Dann aber spielt es keine Rolle, ob er sich auch unter einer Beeinflussung des betreuenden Elternteils entwickelt hat. Die Nichtbeachtung des Kindeswillens ist nur dann gerechtfertigt, wenn er nicht die wirklichen Bindungsverhältnisse wiedergibt. Bei jüngeren Kindern kann hingegen eine Entscheidung auch gegen den geäußerten Willen ergehen, wenn er das Ergebnis einer illoyalen Einflussnahme eines Elternteils ist und/ oder der Umgang trotz des geäußerten Kindeswillens nach einer Gesamtabwägung der Kindeswohl relevanten Gesichtspunkt seinem Wohl entspricht (vgl. Gottschalk in Heilmann, Praxiskommentar Kindschaftsrecht, 2. Aufl., § 1684 BGB, Rn. 30 ff.).“