Kann der Anspruch auf Versorgungsausgleich wegen langer Trennungszeit gekürzt werden?
Ja, das ist denkbar. So jedenfalls hat es das Oberlandesgericht (OLG) Dresden entschieden (OLG Dresden, Beschl. v. 17.12.2020 – 18 UF 371/20, NJW-RR 2021, 582).
In den Entscheidungsgründen heißt es:
„II. (…) Der Versorgungsausgleich bezweckt die gleiche – im Regelfall hälftige – Teilhabe beider Ehegatten an dem in der Ehe erworbenen Altersvorsorgevermögen und stellt eine gesetzlich geregelte Weitergeltung der ehelichen Solidarität auch nach Trennung und Scheidung dar. Er findet gem. § 27 VersAusglG nur dann ausnahmsweise nicht statt, soweit er grob unbillig wäre. Die an eine grobe Unbilligkeit zu stellenden Anforderungen sind hoch; sie liegen regelmäßig nur dann vor, wenn die gesamten Umstände des Einzelfalls es nicht nur rechtfertigen, sondern gar gebieten, von der Halbteilung abzusehen. Insoweit stellt § 27 VersAusglG das Gerechtigkeitskorrektiv für die Fälle dar, in denen die starre Durchführung des Versorgungsausgleichs dem Grundgedanken, eine dauerhaft gleichmäßige Teilhabe beider Ehegatten an den in der Ehezeit insgesamt erworbenen Versorgungsanwartschaften zu gewähren, in unerträglicher Weise widerspräche.
Zwar führt eine lange Trennungsdauer nicht notwendig dazu, dass der Versorgungsausgleich im Hinblick auf die nach der Trennung erworbenen Anteile von Anrechten unbillig ist. Allerdings kommt bei einer außergewöhnlich langen Trennungszeit auch dann, wenn außer der langen Trennungszeit keine Härtegründe vorhanden sind, eine Ausklammerung der auf die Trennungszeit entfallenden Anwartschaften beider Ehegatten in Betracht. Bei einer im Verhältnis zur Ehezeit langen Trennungszeit und einer fehlenden Versorgungsgemeinschaft nach der Trennung kann der Versorgungsausgleich unter Billigkeitsgesichtspunkten für während der Trennungszeit erworbene Versorgungsanwartschaften ausgeschlossen werden (…). Dem Versorgungsausgleich kann die rechtfertigende Grundlage fehlen, wenn und solange die Versorgungsgemeinschaft infolge der Trennung aufgehoben ist.
Dies ist vorliegend der Fall. Ast. und Ag. waren knapp 32 Jahre verheiratet. Hierbei steht ein eheliches Zusammenleben von elf Jahren (Eheschließung 1987 bis Trennung 1998) einem Getrenntleben von 21 Jahren gegenüber. Bei einer Trennungszeit von 2/3 der Ehezeit kann von einer Versorgungsgemeinschaft der Ehegatten, die Grundlage des Gedankens des Versorgungsausgleichs ist, nicht mehr ausgegangen werden; vielmehr ist, sofern konkrete Anhaltspunkte nicht entgegenstehen, ohne Weiteres anzunehmen, dass die Eheleute ihre Versorgungsgemeinschaft endgültig und nachhaltig aufgehoben und sich wirtschaftlich verselbstständigt haben. Dass es während der Trennungszeit beide Beteiligten in der Hand hatten, die Ehezeit durch Stellung eines Scheidungsantrags zu beenden, ändert nichts daran, dass mit der Trennung die Versorgungsgemeinschaft der Beteiligten aufgehoben war (…).
Eine Beschränkung des Versorgungsausgleichs kommt allerdings nur in Betracht für seit Volljährigkeit des gemeinsamen Kindes erworbene Anrechte. Der Senat schließt sich insoweit der Rechtsprechung des BGH an (…), wonach im Falle einer langen Trennungszeit im Rahmen der Abwägung nach § 27 VersAusglG grundsätzlich die Zeiten nicht ausgeschieden werden sollen, in denen der ausgleichsberechtigte Ehegatte gemeinschaftliche minderjährige Kinder betreut hat. In diesen Fällen findet der Versorgungsausgleich seine Legitimation nicht in dem gemeinsamen Streben nach dem Aufbau einer Alterssicherung als Lebensleistung der ehelichen Gemeinschaft, sondern darin, dass der ausgleichsberechtigte Ehegatte mit der Pflege und Erziehung gemeinschaftlicher Kinder auch ohne gemeinsame Lebensführung mit dem anderen Ehegatten eine aus der Ehe herrührende Aufgabe allein übernimmt. Dabei kommt es nicht entscheidend darauf an, ob und inwiefern der kinderbetreuende Ehegatte durch die Kindererziehung im Trennungszeitraum tatsächliche Nachteile beim Aufbau einer eigenen Altersversorgung hinnehmen musste (…).“