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Ist eine Flamencotänzerin nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) versicherungspflichtig?

Ist eine Flamencotänzerin nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) versicherungspflichtig?
Frage der Woche
13.07.2024

Ist eine Flamencotänzerin nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) versicherungspflichtig?

Ja, meint das Bundessozialgericht (BSG, Urt. v. 27.06.2024 – B 3 KS 1/22 R). Im Terminbericht des BSG v. 27.06.2024 heißt es:

„Die Revision der Klägerin war erfolgreich. Sie ist als Flamencotanzlehrerin seit Januar 2018 versicherungspflichtig nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG).

Der Versicherungspflicht in der Künstlersozialversicherung unterliegen unter anderem selbständige Künstler. Künstler in diesem Sinne ist, wer Musik, darstellende oder bildende Kunst schafft, ausübt oder lehrt. Die Klägerin, die den überwiegenden Anteil ihrer Einnahmen aus dem selbständigen Betrieb ihrer Flamenco-Schule erzielt, lehrt als Flamencotanzlehrerin darstellende Kunst.

Zunächst ist der Flamencotanz als Kunst anzuerkennen. Tanz ist als darstellende Kunst nach der Rechtsprechung des Senats mehr als nur Ballett, bedarf aber als Tanzkunst der Abgrenzung zum Tanzsport. Bei diesem steht typischerweise für die Akteure der Wettkampfgedanke im Vordergrund und bestehen Regeln und Wertmaßstäbe aus dem Bereich des Sports. Demgegenüber ist die Tanzkunst vom künstlerischen Anspruch ihrer Akteure geprägt. Auch unterscheiden sich Tanzkunst und Tanzsport regelmäßig nach der Art der Veranstaltung, dem Veranstaltungsort und der Zugehörigkeit der Akteure zu einschlägigen Interessengruppen. Ausgehend hiervon ist Flamenco als ein Bühnentanz Tanzkunst und nicht Tanzsport und auch nicht bloße Traditions- und Brauchtumspflege (Folklore).

Indes liegt der wirtschaftliche Schwerpunkt der Tätigkeit der Klägerin nicht im Bereich der Ausübung von Tanzkunst als Flamencotänzerin, sondern in der Lehre. Auch für das Unterrichten von Flamenco als Lehre von Kunst bedarf es nach der Rechtsprechung des Senats einer Abgrenzung, hier der von Tanzunterricht und Sporttraining. Nur weil die Ausübung von Flamenco Kunst sein kann, muss es nicht auch stets dessen Lehre sein. Abzugrenzen ist danach, ob es im Schwerpunkt um auf sportliche Fitness zielendes Training oder um die Vermittlung von Fähigkeiten zur eigenen Präsentation von Bühnentanz geht. Um Lehre von Tanzkunst handelt es sich zudem dann nicht, wenn statt der aktiven Kunstausübung der Schülerinnen und Schüler vorrangig auf diese bezogene pädagogische, psycho- oder soziotherapeutische Ziele verfolgt werden.

Nach diesen Maßstäben lehrt die Klägerin als erfahrene Bühnentänzerin in ihrer Tanzschule darstellende Kunst. Bei seiner hiervon abweichenden Würdigung der für den Senat bindend festgestellten Tatsachen hat das Landessozialgericht die Anforderungen an die professionelle Ausrichtung der Lehre und der Ausübung des Gelernten anders gewichtet und so den Anwendungsbereich der Lehre von Kunst an Laien zur Ausübung zu Freizeitzwecken geschmälert. Unerheblich ist nach den Maßstäben der Rechtsprechung des Senats, ob angehende Berufstänzer oder Laien unterrichtet werden, die nur in ihrer Freizeit am Unterricht teilnehmen und das Gelernte auch nur für Freizeitzwecke verwenden wollen. Eine Ausübung des Flamenco durch die Schülerinnen der Klägerin im professionellen Bereich ist danach nicht Voraussetzung dafür, dass sie als Lehrende darstellender Kunst Zugang zur Künstlersozialversicherung hat. Diesem Zugang steht auch nicht entgegen, dass die Klägerin in untergeordnetem Umfang neben der Vermittlung der Befähigung zum Bühnentanz an Laien zeitweise auch mehr sportlich oder pädagogisch ausgerichtete Kurse angeboten hat.“

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Autor(en)


Steffen Pasler
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

Mail: rostock@etl-rechtsanwaelte.de


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