Ist die Möglichkeit der privaten Nutzung eines Dienstwagens durch ein Betriebsratsmitglied eine unzulässige Begünstigung nach § 78 Satz 2 BetrVG?
Das Landesarbeitsgericht (LAG) Sachsen hat die eingangs gestellte Frage bejaht (LAG Sachsen, Urt. v. 02.08.2021 – 1 Sa 321/20 m. Anm. Ittman/Henseler, DB 2022, 813). In den Entscheidungsgründen heißt es:
„aa) Der Kläger hat keinen auf individueller Vereinbarung beruhenden Anspruch auf die Überlassung eines Dienstwagens zur Privatnutzung. Zwar haben Kläger und die … R. GmbH als Rechtsvorgängerin der Beklagten in Nr. 3 der am 20.09.2011/11.10.2011 unterzeichneten Vertragsänderung festgehalten, dem Kläger werde ein Dienstfahrzeug auch zur angemessenen privaten Nutzung zur Verfügung gestellt. Diese Abrede ist freilich – wie das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt hat – nach den § 134 BGB i.V.m. § 78 Satz 2 BetrVG wegen eines Verstoßes gegen das gesetzliche Begünstigungsverbot nichtig.
Nach § 78 Satz 2 BetrVG darf ein Mitglied des Betriebsrats wegen seiner Tätigkeit u.a. nicht begünstigt werden. Dies zielt darauf ab, die innere und äußere Unabhängigkeit von Betriebsratsmitgliedern zu wahren (…). Eine nach § 78 Satz 2 BetrVG untersagte Begünstigung ist jede Besserstellung m Vergleich zu anderen Arbeitnehmern, die nicht auf sachlichen Gründen, sondern auf der Tätigkeit als Betriebsratsmitglied beruht (…).
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Kläger als Filialleiter keinen Anspruch auf Nutzung eines Dienstwagens zu privaten Zwecken hatte. Die Vertragsänderung vom 20.09.2011/11.10.2011 wurde ihrem Wortlaut nach gerade wegen der Freistellung des Klägers für die Betriebsratstätigkeit ab 1.5.2011 vereinbart. Zweifel daran, dass allein die Freistellung Anlass der Vertragsänderung war, hat die Kammer nicht.
Die Vertragsänderung war nämlich nach dem klaren Wortlaut ihrer Nr. 1 in zeitlicher Hinsicht an die Dauer der Freistellung, die Amtszeit und die Stellung des Klägers als Betriebsrat gebunden. „Danach“ sollte der Kläger wieder als Filialleiter des …-Shops Leipzig tätig werden. Der Kläger hat die Vergünstigung einer Privatnutzung des Dienstwagens im Gegensatz zu anderen Filialleitern mithin gerade wegen der Betriebsratstätigkeit erhalten. Dies verstößt gegen das gesetzliche Begünstigungsgebot aus § 78 Satz 2 BetrVG. Rechtsfolge ist nach § 134 BGB die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts, die bei in Vollzug gesetzten Arbeitsverträgen ex nunc eintritt. Die sich daran anschließende und nach dem Maßstab des § 139 BGB zu beantwortende Frage, ob allein die Zusage der Privatnutzung des Dienstwagens oder die gesamte Vertragsänderung vom 20.09.2011/11.10.2011 nichtig ist, konnte die Kammer offen lassen. Für den geltend gemachten Schadensersatzanspruch, der nur an die Entziehung des Dienstwagens zur Privatnutzung knüpft, ist diese weitergehende Frage nicht von Bedeutung.
Für die zeitlich spätere Vertragsänderung vom 22.04.2014/07.07.2014 gilt nichts Anderes. Auch in deren Nr. 3 wird dem Kläger ein Dienstfahrzeug zur privaten Nutzung zugesagt, während die Vertragsänderung nach dem Wortlaut ihrer Nr. 1 zeitlich an den Widerruf der Freistellung, das Ende der regulären Amtszeit des Betriebsrats oder das Erlöschen der Mitgliedschaft im Betriebsrat geknüpft ist und der Kläger ´danach´ in die Tätigkeit eines Filialleiters der Region Ost zurückfallen soll.“