Honorararzt - selbständig oder scheinselbständig?
Die Frage der Selbständigkeit oder Scheinselbständigkeit von Honorarärzten ist seit einigen Jahren hoch umstritten. Das Bundessozialgericht (BSG) hat in Grundsatzurteilen vom 04.06.2019 (z.B. – B 12 R 12/18 R; – B 12 KR 14/18 R –; B 12 R 22/18 R –) entscheidende Weichenstellungen vorgenommen. Danach kommt eine selbständige Tätigkeit nur noch in eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht. Wenn trotzdem ein Honorarvertrag mit einem Arzt geschlossen wird, z.B. wegen massiven Ärztemangels, begibt sich der vermeintliche Auftraggeber in ein nicht zu unterschätzendes Risiko.
Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (LSG) hat mit Urt. v. 22.12.2020 – L 28 BA 83/18 – zur Frage der Selbständigkeit eines Honorararztes für Einschulungsuntersuchungen entschieden:
„Die Klägerin unterlag – entsprechend ihrer Qualifikation – dem Weisungsrecht des Klägers. (…) Sie war nach ihrem Bekunden verpflichtet, die standardisierten Tests zu nutzen und war nicht frei in der Wahl ihrer „Patienten.“
Ergänzende Hinweise des Anwalts für Sozialversicherungsrecht
Das Urteil des LSG kam nicht überraschend. Nach den zu Grunde liegenden Tatsachen wurden die Tests zur Einschulung sehr formal und standardisiert abgewickelt. Die in Frage kommenden Kinder wurden von einer Helferin zu den Tests einbestellt. Es bestand keine Möglichkeit, die Tests anderweitig vorzunehmen oder Kinder abzulehnen. Die Klägerin nutzte bei der Tätigkeit die vorhandene Infrastruktur und gab dem Personal im Rahmen ihrer Tätigkeit Anweisungen. Zudem musste aus datenschutzrechtlichen Gründen der bereitgestellte Computer verwendet werden. Die vertragliche Gestaltung der Tätigkeit und die Vergütungshöhe traten hinter der deutlich zu Tage getretenen organisatorischen Betriebsstruktur zurück.
Das Urteil bestätigt den aktuellen Stand der Rechtsprechung im Bereich der Honorarärzte. Eine selbständige Tätigkeit kommt danach nur noch dann in Betracht, wenn der Arzt als Vertreter oder gleichberechtigter Partner des Auftraggebers tätig wird. Dabei ist neben der vertraglichen Gestaltung vor allem auch das tatsächlich Gelebte von entscheidender Bedeutung.
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