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Hat der Arbeitnehmer auch dann einen Vergütungsanspruch, wenn der Arbeitgeber ihn aufgrund einer Überschwemmung nicht beschäftigen kann?

Hat der Arbeitnehmer auch dann einen Vergütungsanspruch, wenn der Arbeitgeber ihn aufgrund einer Überschwemmung nicht beschäftigen kann?
Frage der Woche
15.07.2021 — zuletzt aktualisiert: 02.08.2021

Hat der Arbeitnehmer auch dann einen Vergütungsanspruch, wenn der Arbeitgeber ihn aufgrund einer Überschwemmung nicht beschäftigen kann?

Wenn in diesen Tagen Unwetter über Deutschland hinwegziehen und Überschwemmungen eine immensen Schaden verursachen, stellt sich arbeitsrechtlich unter anderem die Frage, ob dem Arbeitnehmer auch dann ein Vergütungsanspruch zusteht, wenn der Arbeitgeber aufgrund eines Wasserschadens den Arbeitnehmer – jedenfalls derzeit – nicht beschäftigen kann.

Aus arbeitsrechtlicher Sicht ist die Antwort klar. Der Arbeitgeber muss zahlen! Das gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer aufgrund höherer Gewalt – hier: Überschwemmung des Betriebsgeländes – nicht beschäftigen kann. Das entspricht dem Gedanken des sog. Betriebsrisikos, welches der Arbeitgeber zu tragen hat. Das kann ggf. nur dann anders sein, wenn der Arbeitnehmer selbst aufgrund der aktuellen Wetterlage gar nicht in der Lage ist, zur Arbeit zu kommen.

Siehe dazu im auch LAG Düsseldorf, Urt. v. 30.03.2021 – 8 Sa 674/20. Danach trägt der Arbeitgeber das Betriebsrisiko auch in der Pandemie. Interessanterweise nimmt das Gericht ganz ausdrücklich Fälle höherer Gewalt wie Naturkatastrophen in Bezug und erwähnt ausdrücklich Überschwemmungen. In der Pressemitteilung 9/21 des Gerichts v. 16.04.2021 heißt es:

„Die Klägerin war seit dem 01.04.2016 bis zum 30.04.2020 bei der Beklagten, die eine Spielhalle betreibt, als Spielstättenmitarbeiterin zu einem Stundenlohn von 9,35 Euro brutto beschäftigt. Pandemiebedingt war die Beklagte zunächst auf Grund behördlicher Allgemeinverfügung gezwungen, ihren Betrieb ab dem 16.03.2020 zu schließen. Kurze Zeit später untersagte § 3 Abs. 1 Nr. 6 der Coronaschutzverordnung NRW (CoronaSchVO) vom 22.03.2020 den Betrieb von Spielhallen. Bei Aufrechterhaltung des Betriebs hätte die Klägerin nach Maßgabe des Dienstplans im Monat April 2020 insgesamt 62 Stunden gearbeitet. Da das Arbeitsverhältnis der Klägerin aufgrund ihres Eintritts in den Ruhestand am 01.05.2020 endete, bezog sie kein Kurzarbeitergeld. Die Beklagte hatte für den Zeitraum März und April 2020 staatliche Ausgleichszahlungen in Höhe von insgesamt 15.000 Euro erhalten.

Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage u.a. Annahmeverzugslohn für 62 ausgefallene Arbeitsstunden im Monat April 2020. Sie hat gemeint, dass die Arbeitgeberin auch in der Pandemie das Betriebsrisiko trage. Die Beklagte hingegen vertritt die Auffassung, dass der Lohnausfall zum allgemeinen Lebensrisiko der Klägerin gehöre, weil ihr auf Grund der behördlich angeordneten bzw. veranlassten Betriebsschließung die Annahme der Arbeitskraft der Klägerin nicht möglich war.

Die 8. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf hat der Klägerin ebenso wie das Arbeitsgericht Wuppertal die Vergütung für die ausgefallenen 62 Arbeitsstunden in Höhe von insgesamt 666,19 Euro brutto – bestehend aus Grundvergütung, Nacht- und Sonntagszuschlägen für die geplanten Schichten – zugesprochen. Dies folgt aus § 615 Satz 1 BGB i.V.m. § 615 Satz 3 BGB, weil die Beklagte sich im Verzug mit der Annahme der Arbeitsleistung befand. Nach der gesetzlichen Wertung des § 615 Satz 3 BGB trägt der Arbeitgeber das Betriebsrisiko. Dies sind Ursachen, die von außen auf den Betrieb einwirken und die Fortführung des Betriebs verhindern. Nach der bisherigen Rechtsprechung erfasst dies auch Fälle höherer Gewalt, wie z.B. Naturkatastrophen, Erdbeben, Überschwemmungen oder extreme Witterungsverhältnisse. Um ein solches Ereignis handelt es sich bei der aktuellen Pandemie. Dass die durch die CoronaSchVO bedingte staatliche Schließung dieses Risiko zu Lasten der Spielhalle verwirklichte, ändert daran nichts. Auch eine durch eine Pandemie begründete Betriebsschließung rechnet zum Betriebsrisiko i.S.v. § 615 Satz 3 BGB. Es ist mangels klarer Abgrenzbarkeit nicht darauf abzustellen, ob diese Schließung eine gesamte Branche, die zunächst als solche abzugrenzen wäre, oder nur einzelne Betriebe dieser Branche, ggfs. bundesweit, nur in einzelnen Ländern oder aber örtlich begrenzt erfasst. Deshalb kann nicht auf die Reichweite des behördlichen Verbots abgestellt werden. Ein Fall, in dem die Klägerin ihre Arbeitskraft überhaupt nicht mehr verwerten konnte, was ggfs. zu deren allgemeinen Lebensrisiko gehört, war nicht gegeben.

Das Landesarbeitsgericht hat die Revision zugelassen.“

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Dr. Stefan Müller-Thele
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