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Handelt es sich um Arbeitsentgelt, wenn der Arbeitgeber an seinen Mitarbeiter für einen mit Werbung versehenen Kfz-Kennzeichenhalter ein Entgelt leistet?

Handelt es sich um Arbeitsentgelt, wenn der Arbeitgeber an seinen Mitarbeiter für einen mit Werbung versehenen Kfz-Kennzeichenhalter ein Entgelt leistet?
Frage der Woche
17.02.2020

Handelt es sich um Arbeitsentgelt, wenn der Arbeitgeber an seinen Mitarbeiter für einen mit Werbung versehenen Kfz-Kennzeichenhalter ein Entgelt leistet?

Ja, so hat es das Finanzgericht (FG) Münster entschieden (FG Münster, Urt. v. 03.12.2019 – 1 K 3320/18 L). In den Entscheidungsgründen heißt es:

Die Klage ist unbegründet.

Der Haftungsbescheid vom 05.07.2017 und die Einspruchsentscheidung vom 28.09.2019 sind rechtmäßig und verletzten die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO)).

Der Beklagte hat die Zahlungen der Klägerin an ihre Mitarbeiter im Zusammenhang mit der Anbringung der mit dem Schriftzug der Klägerin versehenen Kennzeichenhalter zu Recht als Lohn behandelt und die Klägerin für die Nachzahlung gem. § 42 d Abs. 1 Nr. 1 EStG in Haftung genommen.

Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit sind nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantiemen und andere Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden, unabhängig davon, ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht. Diese Bezüge oder Vorteile gelten dann als für eine Beschäftigung gewährt, wenn sie durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst sind, ohne dass ihnen eine Gegenleistung für eine konkrete (einzelne) Dienstleistung des Arbeitnehmers zugrunde liegen muss. Eine Veranlassung durch das individuelle Dienstverhältnis ist zu bejahen, wenn die Einnahmen dem Empfänger mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis zufließen und sich als Ertrag der nichtselbständigen Arbeit darstellen, wenn sich die Leistung des Arbeitgebers also im weitesten Sinne als Gegenleistung für die Zurverfügungstellung der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweist (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteile vom 07.05.2014 VI R 73/12, BFHE 245, 230, BStBl II 2014, 904; vom 19.11.2015 VI R 74/14, BFHE 252, 129, BStBl II 2016, 303; vom 09.05.2019 VI R 28/17, BFHE 264, 443, BFH/NV 2019, 1160).

Vorteile, die sich bei objektiver Würdigung aller Umstände nicht als Entlohnung, sondern lediglich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzungen erweisen, sind dagegen nicht als Arbeitslohn anzusehen. Vorteile besitzen danach keinen Arbeitslohncharakter, wenn sie im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers gewährt werden. Das ist der Fall, wenn sich aus den Begleitumständen wie Anlass, Art und Höhe des Vorteils, Auswahl der Begünstigten, freie oder nur gebundene Verfügbarkeit, Freiwilligkeit oder Zwang zur Annahme des Vorteils und seiner besonderen Geeignetheit für den jeweils verfolgten betrieblichen Zweck ergibt, dass diese Zielsetzung ganz im Vordergrund steht und ein damit einhergehendes eigenes Interesse des Arbeitnehmers, den betreffenden Vorteil zu erlangen, vernachlässigt werden kann (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteile vom 14.11.2013 VI R 36/12, BFHE 243, 520, BStBl II 2014, 278; vom 10.03.2016 VI R 58/14, BFHE 253, 243, BStBl II 2016, 621; vom 21.11.2018 VI R 10/17, BFHE 263, 196, BStBl II 2019, 404).

Arbeitslohn liegt auch dann nicht vor, wenn die Zuwendung wegen anderer Rechtsverhältnisse oder aufgrund sonstiger, nicht auf dem Dienstverhältnis beruhender Beziehungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber gewährt wird (BFH-Urteil vom 05.11.2013 VIII R 20/11, BStBl II 2014, 275 (Veräußerung von Genussrechten); vom 20.11.2008 VI R 25/05, BFHE 223, 419, BStBl II 2009, 382 (Ausübung von Optionsrechten); vom 11.01.2005 IX R 72/01, BFH/NV 2005, 882 (Mietverhältnis); vom 16.09.2004 VI R 25/02, BFHE 207, 457, BStBl II 2006, 10 (Mietverhältnis); vom 28.02.2013 VI R 58/11, BStBl II 2013, 642 (Schenkung durch einen Dritten); Krüger in Schmidt, Einkommensteuergesetz, 38. Aufl. 2019, § 19 Rz. 52; Pflüger in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, 294. Lieferung 10.2019, § 19 EStG, Rn. 190). Die Beantwortung der Frage, ob ein Leistungsaustausch zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufgrund einer Sonderrechtsbeziehung einer anderen Einkunftsart oder dem nicht einkommensteuerbaren Bereich zuzurechnen ist oder der Leistungsaustausch durch das Dienstverhältnis veranlasst wurde und damit den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zuzurechnen ist, kann nur aufgrund einer wertenden Betrachtung aller wesentlichen Umstände des Einzelfalles unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Gesichtspunkte erfolgen (BFH-Urteil vom 01.02.2007 VI R 72/05, BFH/NV 2007, 898; vom 05.11.2013 VIII R 20/11, BFHE 243, 481, BStBl II 2014, 275). Auch hier ist das Kriterium des überwiegenden eigenbetrieblichen Interesses bzw. der im Vordergrund stehenden betriebsfunktionalen Zielsetzung heranzuziehen. Es reicht nicht aus, dass nach der äußerlichen Gestaltung getrennte Verträge vorliegen. Vielmehr muss nach objektiver Betrachtung dem gesonderten Rechtsverhältnis eine wirtschaftliche Eigenständigkeit zukommen, bei der die betriebsfunktionale Zielsetzung des Arbeitgebers im Vordergrund steht. Hieran fehlt es nach Auffassung des Senats, wenn die Rechtsbeziehung nicht auch losgelöst vom Dienstverhältnis als marktgerechtes entgeltliches Geschäft bestehen könnte (Breinersdorfer in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, § 19 Anm. B 325; FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 23.11.2016 2 K 1180/16, EFG 2017, 1102; FG München, Beschluss vom 03.06.2016 10 V 899/16 (in juris)).

Die rechtliche Einordnung einer Zuwendung des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer nach den genannten Kriterien muss für den Rechtsanwender nach den objektiv erkennbaren Umständen nachvollziehbar sein. Auf die subjektive Einschätzung der an der Zuwendung Beteiligten oder die Bezeichnung durch die Beteiligten (§ 2 Abs. 1 Satz 2 LStDV) kommt es nicht an (BFH-Urteil vom 28.02.2013 VI R 58/11, BFHE 240, 345, BStBl II 2013, 642). Es gelten die Regeln der objektiven Beweislast. Dabei spricht die Lebenserfahrung dafür, dass im Verhältnis zwischen einem Arbeitgeber und einem von ihm beschäftigten Arbeitnehmer alle Zuwendungen im Zweifel unter dem Gesichtspunkt des Austauschs von Dienstleistung und Gegenleistung erfolgen (Pflüger in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, 294. Lieferung 10.2019, § 19 EStG, Rn. 155).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze und der Würdigung der Gesamtumstände ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass das auslösende Moment für die streitigen Zahlungen an die Arbeitnehmer die Stellung als Arbeitnehmer und damit im weitesten Sinne die Arbeitstätigkeit der Arbeitnehmer war. Anhand der zu würdigenden Umstände konnte der Senat nicht erkennen, dass die betriebsfunktionale Zielsetzung, Werbung zu betreiben, eindeutig im Vordergrund stand und das Interesse des Arbeitnehmers an dem Erhalt der Gegenleistung demgegenüber zurücktrat. Der Werbevertrag stellt sich wirtschaftlich betrachtet auch nicht als Rechtsbeziehung dar, die losgelöst vom Dienstverhältnis als marktgerechtes entgeltliches Geschäft besteht.

Die Ausgestaltung der Mietverträge über die Werbefläche an den privaten PKW spricht nicht dafür, dass die Klägerin ihr eigenbetriebliches Interesse, eine optimale Werbewirkung zu erzielen, ernsthaft in den Vordergrund stellte. Die Verträge enthielten keinerlei Vorgaben, um einen werbewirksamen Einsatz des Fahrzeugs zu fördern bzw. sicherzustellen. So gab es keine Verpflichtung des Arbeitnehmers den PKW in einem bestimmten Umfang zu nutzen. Es war weder eine bestimmte mindestens zu fahrende jährliche oder monatliche Kilometerleistung noch ein zeitlicher Umfang bestimmt, in dem das Auto im öffentlichen Verkehr bewegt werden musste. Auch eine Regelung, ob bzw. wo das Auto im öffentlichen Parkraum sichtbar abgestellt werden musste, existierte ebenso wenig wie eine Verpflichtung, das Auto in einem bestimmten Zustand zu halten. Letzteres hätte für die Erzielung einer positiven Werbewirkung nahegelegen. Eine Regelung dazu, ob an dem Fahrzeug noch Werbung für andere Firmen angebracht werden durfte oder eine Exklusivität geschuldet war, wurde ebenfalls nicht getroffen.

Bei der auf verschiedenen Internetportalen (z.B. xxx und yyy) angebotenen Vermittlung für entsprechende Werbeverträge werden die oben genannten Kriterien ausführlich abgefragt. Um für eine Vermittlung an einen Werbepartner in Frage zu kommen, muss der Fahrer bestimmte Kriterien hinsichtlich seiner Fahr- und Parkgewohnheiten erfüllen. Darüber hinaus wird die Bemessung der Gegenleistung je nach dem Vorliegen verschiedener Merkmale gestaffelt. Bei xxx zum Beispiel erfolgt eine Erfassung nach den Kriterien Marke, Modell, Typ, Alter, Farbe, Laufleistung sowie der Eigenschaft als Garagenwagen. Des Weiteren muss den Werbepartnern eine Exklusivität und eine vorsichtige und vorausschauende Fahrweise an mindesten 3 Tagen pro Woche zugesichert werden. Bei yyy ist es Voraussetzung, dass das Auto in einer größeren Stadt von mindestens 100.000 Einwohnern bewegt wird und es nicht älter als 10 Jahre ist. Des Weiteren erfolgt dort eine Staffelung der Gegenleistung nach der Größe und der Platzierung der Werbung auf dem Auto. Im Streitfall wurde indes kein Unterschied gemacht, ob die Werbung als Aufdruck auf den Kennzeichenhaltern oder deutlich größer als Aufkleber auf dem Kofferraumdeckel des Auto angebracht wurde.

Der Senat ist der Überzeugung, dass eine betriebsfunktionale Zielsetzung Werbung zu betreiben nur dann im Vordergrund steht, wenn durch eine konkrete Vertragsgestaltung die Förderung des Werbeeffekts sichergestellt wird. Gestützt auf den Vergleich mit den am Markt befindlichen Angeboten ist dies im Streitfall zu verneinen.

Eine entsprechende Würdigung des Vertragsinhalts stellt entgegen der im Termin zur mündlichen Verhandlung geäußerten Auffassung der Klägerin keinen Eingriff in die Vertragsfreiheit dar; der Klägerin steht es frei, ihre Verträge eigenbestimmt auszugestalten. Der Senat muss jedoch für und gegen das Vorliegen von Lohn sprechende objektive Umstände insgesamt würdigen.

Ein weiterer zu würdigender Aspekt ist die Bemessung der Gegenleistung. Diese orientiert sich offensichtlich an der in § 22 Nr. 3 EStG geregelten Freigrenze innerhalb derer sonstige Einkünfte steuerfrei sind. Für sich gesehen kann dieser Umstand zwar nicht zu einer Einordnung als Lohn führen. Jedoch wird daran deutlich, dass bei der Vertragsgestaltung und der Preisfindung nicht der Wert des Werbeeffekts ausschlaggebendes Kriterium war, wie dies bei Verträgen im Wirtschaftsleben der Regelfall ist. Dies spricht ebenfalls dagegen, dass das betriebsfunktionale Interesse der Klägerin im Vordergrund stand. Die in einem Teil der Verträge gewählte Formulierung, dass die Gegenleistung maximal 255 EUR beträgt unterstreicht diesen Eindruck.

Schließlich spricht auch die Tatsache, dass die Laufzeit des Vertrages an das Bestehen des Arbeitsverhältnisses geknüpft ist, dafür, dass die Stellung als Arbeitnehmer der Klägerin Geschäftsgrundlage des Werbevertrages ist und es sich bei dem vereinbarten Entgelt daher um Arbeitslohn handelt. Der Vortrag der Klägerin, die Werbeverträge würden unter anderem deswegen nur mit Mitarbeitern abgeschlossen, weil diese, wenn sie auf die Werbung angesprochen würden, entsprechende Auskünfte zu dem Betrieb der Arbeitgeberin geben und für diese Werbung machen könnten, stützt die Annahme einer Veranlassung der Zuwendung durch das Arbeitsverhältnis und damit eine Einstufung als im weitesten Sinne Gegenleistung für die Zurverfügungstellung der individuellen Arbeitskraft. Auch wenn allein der Umstand, dass Verträge nur mit Mitarbeitern abgeschlossen werden, nicht zwingend zu einer Behandlung als Lohn führen muss, handelt es sich um ein in der Gesamtschau zu berücksichtigendes Indiz (BFH-Urteil vom 16.09.2004 VI R 25/02, BFHE 207, 457, BStBl II 2006, 10).

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Holger Pape
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